Der „zersägte“Berg
Ausflug zum Benedektinerkloster Montserrat – Heiligtum der Katalanen voller Sagen in atemberaubender Umgebung
Ein etwa zehn Kilometer langer und fünf Kilometer breiter Gebirgsstock erhebt sich plötzlich und abrupt, wild und majestätisch, wie aus dem Nichts gen Himmel. Die bizarre Schönheit der Natur ist schlichtweg atemberaubend und weckt Neugierde auf eine weitere Erkundung. Mit etwas Wohlwollen lassen sich Tiere und Fabelwesen erkennen, für bestimmte Felsen existieren sogar Namen wie „der verzauberte Riese“, „Elefantenrüssel“oder „das Kamel“.
Es handelt sich um das Gebirge Sierra de Montserrat, die etwa 40 Kilometer nordwestlich von Barcelona liegt. Hier findet man auf einem Plateau in 725 m Höhe das Benediktinerkloster gleichen Namens, das Nationalheiligtum der Katalonier. Eine malerische Bergstraße führt von Monistrol in Serpentinen
zum Klosterbereich – eine Strecke von acht Kilometern.
Viele Sagen und Legenden ranken sich um die Entstehung dieses Klosters und alle von ihnen sind auf ihre Weise faszinierend. Eine der Geschichten hört sich folgendermaßen an: „Es war im Jahre 880, als Hirtenkinder ein helles Licht sahen, das vom Himmel auf die Berge von Montserrat herab fiel. Engel begannen zu singen, und die Herzen der Kinder wurden mit großer Freude erfüllt. Sie berichteten ihren Eltern von den Erlebnissen
und tatsächlich wiederholten sich diese Geschehnisse auch vor deren Augen. Die gleichen Erscheinungen trugen sich in einer nahe gelegenen Grotte zu, in welcher man dazu noch eine schwarze Madonnenstatue fand. Beim Abtransport wurde dieselbe so schwer, dass sie sich nicht mehr bewegen ließ. Daraus zog man den Schluss, dass die Madonna die Berge von Montserrat nicht verlassen möchte, und baute ihr zu Ehren die erste Andachtsstätte.“
Kataloniens Patronin
Auch schrieb man in einer anderen Sage die Auffindung der Madonna dem Heiligen Lukas zu. Der Dichter Verdaguer greift in seiner Ode „Virolai“sogar auf die Engel zurück: „Mit goldener Säge zersägten die Engel diese Anhöhen, um Euch (der Madonna) einen Palast zu errichten…“. Montserrat heißt wörtlich übersetzt tatsächlich „zer
sägter Berg“… Einige sehen im Montserrat auch den Berg der Parzival Legende, wo der Heilige Gral verborgen sein soll.
Die Wundertaten, die der aufgefundenen schwarzen Madonna zugeschrieben wurden, verbreiteten sich schnell. Sie wurde zur Schutzpatronin Kataloniens erklärt und zog immer mehr Gläubige an. Im 11. Jahrhundert wurde das Kloster vom Benediktinerorden übernommen, der seine Hauptklöster in Vic und Ripoll hatte und die Stätte bis heute verwaltet.
Das Kloster, in welchem heute noch 80 Mönche leben, wurde permanent erweitert. Man baute eine Kirche an, die 1592 eingeweiht wurde. Auch Ignatius von Loyola, Begründer des Jesuitenordens verbrachte im Jahr 1522 einige Zeit in dem spätmittelalterlichen Kloster.
Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts blieb alles wie gehabt, danach wurde das Kloster von den Truppen Napoleons überfallen und zerstört. Nachdem es weitgehend wieder aufgebaut war, wurde die heutige Klosterkirche im Jahre 1881 von Leo XIII. zur päpstlichen Basilika Minor erhoben.
Gesänge zur Mittagszeit
Im Laufe der Zeit entwickelte sich Montserrat nach Santiago de Compostela zum zweitgrößten Wallfahrtsort Spaniens und wurde Kataloniens Nationalheiligtum. Neben der religiösen Bedeutung gilt das Kloster auch als Hort des katalanischen Nationalismus und der katalanischen Kultur. Da es dank der kirchlichen Sonderrechte auch während der Diktatur nicht den von Franco ernannten Bischöfen unterstand, wurden die Messen im Kloster weiterhin in der verbotenen katalanischen Sprache gefeiert.
Doch auch in der Demokratie blieb die kulturelle und politische Bedeutung des Klosters für Katalonien, eine Region mit weitreichenden Autonomierechten. Die Schwarze Madonna hat ihren Platz mittlerweile über dem Hochaltar in der Basilika gefunden, wo Pilger geduldig darauf warten, „La Moreneta“zu berühren und um ihren Segen zu bitten.
Dazu erklingt jeden Tag pünktlich um die Mittagszeit das Marienlied Virolai, das von den weltberühmten Chorknaben der Internatsschule von Montserrat gesungen wird. Der Eintritt ist frei. Samstags singen nur die Mönche.
Weitere Attraktionen sind, neben der Besichtigung der Hauptbasilika, vier großartige Museen. Darunter findet man ein prähistorisches Museum, ein Museum mit moderner katalanischer Malerei und die Pinakothek mit klostereigenen Werken berühmter Maler wie El Greco, Picasso und Dalí.
Am besten beginnt man den Rundgang an der Placa del Creu, wo sich eine Informationsstelle befindet und geht dann weiter zum Placa de l’Abat Oliva. Hier bieten Marktfrauen Produkte der Region, vor allem Honig und Käse, feil.
Nach der Klosterbesichtigung sollte man sich noch Zeit und Muße für die Erkundung der einzigartigen Landschaft nehmen. Vom Kloster aus gibt es mehrere gut ausgebaute Wege zum höchsten Gipfel des Massivs, dem 1236 Meter hohen Sant Jeroni. Die bequemere Variante wäre die Benutzung der Standseilbahnen. Eine fährt 250 Meter nach oben zum Gipfel des Sant Joan, die zweite abwärts zum „monumentalen Rosenkranz“(von Gaudí) und zur Santa Cova, dem legendären Auffindungsort der schwarzen Madonna.
Wochentags ins Hotel
Wählen Sie für den Besuch am besten einen Wochentag, denn die Katalanen lieben ihr Nationalheiligtum und sind gerade an Sonnund Feiertagen in großen Scharen vor Ort. Obwohl das Kloster jedes Jahr nahezu zwei Millionen Tagesausflügler verkraften muss, hat es sich perfekt auf den Besucheransturm eingestellt. Neben dem Kloster steht ein modernes Hotel für Übernachtungsgäste bereit.
Die Besichtigung von Montserrat lässt sich um zwei empfehlenswerte Ziele erweitern: 25 Kilometer südlich liegt der bekannte Weinort Martorell und in dessen Nähe die idyllische „Hauptstadt des Cava“Sant Sadurni d’Anoia.