Einer für jede Reise
Initiative zum 110. Geburtstag von Miguel Hernández – Starten und Landen beim ewigen Poeten
Orihuela – sw. Es gibt Touristen, die im Flieger fernen Ländern entgegenfiebern. Und solche, die eher den Flug zurück in die Heimat genießen. Dann gibt es die, die nicht vom Fleck kommen, gefangen, gehemmt, warum auch immer. Wer, wenn nicht der Universalpoet der Costa Blanca, kann für alle Typen von Reisenden stehen?
Miguel Hernández, der Dichter, der am 30. Oktober vor 110 Jahren das Licht der Welt erblickte, war irgendwie alle drei in einem: Er schätzte seine Heimat – Orihuela – über alles, ließ sie jedoch, weil ihn der Fortschritt und der soziale Kampf riefen, hinter sich. Schließlich saß er fest – drei Jahre lang als Häftling des Franquismo.
1942, einsam und viel zu jung, trat der selbsternannte „Tourist der Gefängnisse“in der Zelle in Alicante seine letzte Reise an. Die gen Tod. Und gen Ewigkeit. Letzteres darf man bei Hernández‘ immer weiter wachsender Popularität feststellen. Wäre so einer nicht auch der richtige neue Namensgeber für den Flughafen Alicante-Elche?
So universell, so alleingelassen
Tatsächlich existiert dieser Plan – und zieht Kreise. Zunächst begannen Kulturvereine der Costa Blanca Unterschriften zu sammeln, damit zu Aeropuerto Alicante-Elche auch „Miguel Hernández“hinzukomme. Begeisterte Befürworter sind bereits das Rathaus Orihuela oder die Partei Unidas Podemos im Landesparlament in Valencia.
Ganz schön ungleiche Follower hat das Projekt mit der HernándezUmbenennung des Flughafens also. Denn Orihuela wird von der PP konservativ regiert, und die Alternativlinken sind davon das genaue Gegenteil. Da haben wir sie wieder, die ganz verschiedenen Reisenden,
die alle irgendwie unter die Flügel des Poeten passen.
Woran liegt das? Warum gilt der „Hirtendichter“Hernández als solcher Universalpoet? Sicher liegt es an der erstaunlich rasanten Entwicklung, die der Lyriker und Dramaturg in seinem doch sehr kurzen Leben durchlief. In drei grobe Phasen kann man sein künstlerisches Schaffen teilen – passend zu den „drei Wunden“, die er besang.
In Orihuela huldigte der junge Ziegenhirte seiner Heimat, bediente sich – konservativ und fromm – der Klassik. In Madrid wurde er zum Kommunist und Klassenkämpfer, im Schreiben von Avantgardisten wie Neruda inspiriert. Am Ende analysierte er, nun im gereiften Hérnandez-Stil, die Abgründe der menschlichen Seele.
Wiederfinden kann sich bei
Hernández also jeder, wo auch immer er auf dem Lebensweg steht. Und seien es Migranten heutiger Tage. Das zeigte vor einigen Jahren ein Projekt in Flüchtlingslagern in Griechenland. Auch beim Hochwasser der Vega Baja 2019, oder nun, in der lähmenden Corona-Zeit, sind Hernández-Verse gefragt.
Kein Wunder wäre es, wenn der Flughafen Alicante-Elche auch ein Stück des universellen Künstlers hätte, bei dem so vielfältigen Reisepublikum aus allen Herren Ländern. Hernández selbst reiste durchaus auch mit dem Flieger. Im
Jahr 1937 nahm er einen solchen, um im Rahmen einer RusslandReise in Stockholm zu landen.
Doch das aus Hérnandez-Sicht berühmteste Flugzeug ist das, das er nicht nahm. Der Dragón, der 1939 in Monóvar mit der republikanischen Elite ins Exil startete – ohne den Poeten aus Orihuela. Der volksnahe Hernández hatte sich mit der abgehobenen roten Führung überworfen. Allein auf der Flucht war er jedoch chancenlos.
Das rechte Regime fasste Hernández, ließ ihn im Kerker elend verenden. Der Poet, so universell, so alleingelassen, ging einsam die letzte Reise eines jedes Menschen. „Nur wer liebt, fliegt. Aber wer liebt so sehr, dass er wie der leichteste ausgebrochene Vogel ist?“, fragt der ewige Tourist in seinem Gedicht „Vuelo“(„Flug“).
Ist einer wie Miguel Hernández der richtige neue Namensgeber für einen Flughafen?