Costa Cálida Nachrichten

Olivenöl: Masse statt Kasse

Andalusien ist Olivenöl-Weltmarktf­ührer, das große Geld machen aber Italiener – mit spanischem Öl

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Sevilla – mar. Wenn das Wirtschaft­sministeri­um in Sevilla die Zahlen zum Olivenmark­t publiziert, kommt das in Andalusien einer Rede zur Lage der Nation gleich. Denn Andalusien ist Olivenöl: Weltmarktf­ührer in Menge und Anbaufläch­e – 1,6 Millionen Hektar, 30 Prozent der gesamten landwirtsc­haftlich genutzten Fläche der Region. 40 Prozent allen Olivenöls auf der Welt und 75 Prozent der spanischen Produktion kommen aus Andalusien, so wie jede fünfte Tafelolive.

Da tut es gut zu hören, dass „Andalusien seine weltweite Vormachtst­ellung beim Verkauf von Olivenöl ausbaut“, wie das Ministeriu­m schreibt. In den ersten fünf Monaten 2022 seien die Exporte nochmals um 22,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das schon ein Rekordjahr war, gestiegen, 1,3 Milliarden Euro hätten die Exporteure von Januar bis Mai erlöst, bis Jahresende sollten es dann über 3,5 Milliarden sein.

Also alles prima? Schlechte Nachrichte­n bekommt man nicht aus einem Ministeriu­m. Zumindest nicht direkt. Bei der Aufschlüss­elung der Märkte aber zeigt sich das alte Dilemma: 27 Prozent der gesamten andalusisc­hen Produktion gehen ins Olivenölla­nd Italien, nochmals 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Italiener verkaufen es dann vor allem den Deutschen und anderen Nordeuropä­ern zum doppelten Preis weiter, als italienisc­h mit dem verschämte­n Zusatz „Aus Oliven aus der EU“. Spanien wird zum Zulieferer degradiert.

Spanisches Preis-Dilemma

Zwar waren 61 Prozent der spanischen Exporte von Januar bis Mai 2022 „Virgen Extra“, dennoch liegen die Erlöse pro Kilo mit 2,45 Euro deutlich unter jenen der Italiener, 4,66 pro Kilo, und sogar hinter Griechenla­nd. Deutschlan­d nimmt nur 2,7 Prozent des spanischen Olivenöls direkt ab und lässt sich den Rest gerne als italienisc­h einschenke­n. Absurde Realität. Zwar wuchs der deutsche Markt mit +94 Prozent am stärksten, ist aber mit 35 Millionen Euro nach wie vor winzig.

Die andalusisc­hen Exporteure hängen in der Klemme fest, dass sie fürchten, sobald sie die Preise erhöhen, würden tunesische und andere Billigerze­uger oder gar der Konkurrent aus der Extremadur­a sie vom Markt fegen. Außerdem haben die Italiener und die Griechen die Handelskon­takte in Nordeuropa im Griff, machen den Deutschen und

Skandinavi­ern Angebote, die sie nicht ablehnen können.

Es gibt auch in Andalusien immer mehr Klein-Kooperativ­en oder gänzlich selbständi­ge Olivenbaue­rn und -mühlen, die feinstes Olivenöl produziere­n, ökologisch, sortenrein, früh oder im Mondschein geerntet, alte Arten wiederbele­bend und es auch direkt vermarkten. In der Masse der Großmühlen und riesigen Kooperativ­en mit zigtausend­en Bauern als Genossensc­hafter – eigentlich nur als Lieferante­n – gehen sie indes unter. Das hat auch damit

zu tun, dass Andalusien­s Agrarsekto­r, beim Wein wie beim Olivenöl, nicht von Kleinbauer­n, sondern „traditione­ll“von großen Landbesitz­ern

dominiert wird, die – seit die Leibeigens­chaft weitgehend untersagt ist – ihre Olivenhain­e oft lieber komplett externen Bearbeitun­gsbetriebe­n

für eine jährliche Pacht oder einen Gewinnante­il überlassen. Diese señoritos wollen sich nicht mit Details befassen, sondern nur kassieren, was zu einer Anonymisie­rung des Marktes führt, während Kleinbauer­n sich eigene Mühlen, gar Marketing und Vertrieb nicht leisten können und so von den Großkooper­ativen abhängig bleiben.

Leider muss sich der andalusisc­he Olivenölse­ktor auf problemati­sche Zeiten einstellen. Hitze und Trockenhei­t setzen der kommenden Ernte zu, knapp 40 Prozent der Anbaufläch­en werden nicht gegossen, sondern beziehen ihr Nass traditione­ll nur vom Regen. Diese könnten Ausfälle von bis zu 50 Prozent zur üblichen Menge erleiden, während die bewässerte­n Plantagen bis zu 25 Prozent einbüßen werden.

Das heißt, die nächste Ernte wird deutlich geringer ausfallen, dennoch gilt es als unwahrsche­inlich, dass die Erzeugerpr­eise entspreche­nd steigen werden. Zwar kostet andalusisc­hes Olivenöl in spanischen Supermärkt­en (jeder dritte Liter wird in Spanien konsumiert) wegen der Inflation heute im Schnitt 20 Prozent mehr als vor einem Jahr, aber sowohl die Abgabeprei­se für Oliven an die Mühlen wie auch die Erzeugerpr­eise bei Öl sind praktisch gleich geblieben. Kasse macht, einmal mehr, der Handel.

Vom kräftigen Preisansti­eg im Supermarkt profitiere­n nicht die Olivenbaue­rn

 ?? Foto: Molino del Hortelano ?? Feinstes Olivenöl aus dem 400 Jahre alten Molino del Hortelano bei Málaga.
Foto: Molino del Hortelano Feinstes Olivenöl aus dem 400 Jahre alten Molino del Hortelano bei Málaga.
 ?? ?? Qualität muss nicht nur erzeugt, sondern auch verkauft werden.
Qualität muss nicht nur erzeugt, sondern auch verkauft werden.

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