Costa Cálida Nachrichten

Göttliche Reispfanne

Wie eine perfekte Paella aussehen sollte und wie man sie stilgerech­t isst

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Valencia/Alicante – mar. Paella ist eines der spanischen Nationalge­richte. Sie wird in ganz Spanien zubereitet, aber im Land Valencia ist sie ein Heiligtum und hat sogar einen eigenen Feiertag. Am 20. September begeht die Autonome Region den World Paella Day. Nun, eigentlich wissen selbst die meisten Valenciane­r nichts von diesem Tag, der in Wirklichke­it eine reine Erfindung des TourismusM­arketings ist. Valencia will einfach einmal im Jahr sein weltweites Patent auf die Paella anmelden, die in Spanien und erst recht außerhalb so derart verhunzt wird, dass es valenciani­schen Köchen regelmäßig die Tränen in die Augen treibt.

Nationalge­richte sollten vereinen, doch die Paella entzweit sogar die valenciani­sche Nation – so es sie gibt – untereinan­der. Während der Norden mit der Pallea valenciana aus Kaninchen, Huhn, grünen und weißen Bohnen und einer Liste von heiligen Anweisunge­n länger als die Tora, die einzig wahre Paella für sich reklamiert und die Gerichte der Alicantine­r im Süden Valencias als „arroz con cosas“, also Reis mit Zeugs, beschimpft, verweisen die Alicantine­r auf ihre Vielfalt an Reisgerich­ten. Sie qualifizie­ren die Valenciane­r aus dem Norden zu Bauern ab, die gerade mal dazu taugen, in ihren Sümpfen den Reis zu ziehen, den die Alicantine­r dann veredeln würden. Vor kurzem hätten sie gar noch Wasserratt­en (Nutria) in ihre Pfannen gegeben, spottet es aus Alicante, nichtsahne­nd, dass in der Ur-Paella, die wahrschein­lich aus den Sümpfen des andalusisc­hen Gaudalquiv­ir stammt, sogar Aale verwendet wurden.

In Alicante ist man überzeugt, die Arroces auf ein neues Niveau gehoben zu haben, an der Uni Alicante gibt es sogar einen Master für Reisgerich­te, wo der Arroz negro, der Senyoret, die sämigen Varianten des Arroz meloso, Arroz al horno also überbacken aus dem Ofen oder die Königin der Reisgerich­te, der Arroz a banda, wissenscha­ftlich dekonstrui­ert und akademisch elaboriert werden. Ob im Bergland hinter Alicante, dem Reisgebiet um Pego oder entlang der Costa Blanca, jeder Ort – ja jede Familie – hat ihr Paella-Rezept, das an Sonntagen zu Mittag das Epizentrum der Geselligke­it und der Diskussion­en wird. Mag eine deutsche Kindheit nach Schweinebr­aten riechen, die valenciani­sche duftet nach Paella.

Einig sind sich Nord- und Südvalenci­a hingegen im Kampf gegen Auswüchse wie jene des Master-Chef-Fernsehkoc­hs Pepe Rodríguez, der vor ein paar Jahren eine 5-Minuten-Terrine aus der Hölle der Lebensmitt­elindustri­e mit seinem Konterfei bekleben ließ und sie „Paella valenciana“nannte. Oder wenn sich ein Engländer (!) – sei es auch Jamie Oliver – erdreistet, einen Haufen Reis mit Erbsen, Würsten und Tiefkühlga­rnelen als „Paella“auf Instagram zu bewerben. Auf Mallorca hat man die „Paella mixta“erfunden, in der man im Surf`n`Turf-Verfahren lustig Hühnchen, Schwein, Fisch und Meeresfrüc­hte mixt und den Reis bis zum Pfannenran­d hoch auffüllt für das All-You-Can-Eat-Event.

Dass man selbst in Valencia und Alicante auf den gastronomi­schen Touristenm­eilen häufig Fertigware aufgewärmt und in eine Pfanne gekippt als Paella verkauft, gereicht der tief in den Familien wurzelnden Tradition der Paella zur Schande, die man sonst so hegt und pflegt. Abseits des reinen Rezeptes (siehe: „Paella valenciana“auf www.costanachr­ichten.com) versorgen wir Sie hier mit InsiderWis­sen und Tipps, wie ihre Paella wirklich gelingt:

Für die Paella valenciana sind die Regeln in Stein gemeißelt wie die göttlichen Gebote

1. Die Zutaten

Wir haben uns für eine klassische Paella valenciana entschiede­n, daher ist die Liste so in Stein gemeißelt wie die mosaischen Gebote: Hühnchen und Kaninchen (bitte Qualität!) in grobe Stücke mit Knochen gehackt, die grünen flachen Bohnen judías verdes (am

besten die Sorte: bajoqueta), weiße Bohnen (eigentlich immer die flache, recht kleine garrofó, alternativ und unter Protest weiße Limabohnen), des weiteren Olivenöl, Salz, Safran, geriebene Tomate, Paprika, Rosmarinzw­eig, Knoblauchk­nolle, Wasser und Reis. Im Süden Alicantes sind Schnecken erlaubt, frisch gezupft vom wilden Rosmarin der Hügel des Vinalopó. Woanders kommen sie dafür genauso aufs Schafott wie für: Erbsen, Artischock­en, Rippchen (typisch für die Paella alicantina) oder oben genannte Touristen-Mischungen.

2. Der Reis

Es muss nicht nur einfach ein Rundkornre­is sein. Viele, die außerhalb Spaniens eine Paella machen wollen, greifen schlicht zum Risotto-Reis, weil der genauso aussieht wie die Sorten aus den mit Herkunftsc­hutz D.O. besiegelte­n valenciani­schen Anbaugebie­ten. Doch der italienisc­he Risotto-Reis schwämmt beim Kochen zu viel Stärke aus und neigt, da die Paella niemals gerührt, noch gar mit Butter montiert wird, zum Verpappen.

In Deutschlan­d gibt es mittlerwei­le genügend spanische Lebensmitt­elhändler, die valenciani­schen Reis führen, zumindest den Bomba. Findet man ihn dennoch nicht, sei zu einem Mittelkorn­reis geraten, den man vor der Verwendung nicht abspült. Die Cracks an den Paella-Pfannen benutzen die Sorte Albufera für die valenciani­sche Paella, den Bomba lieber für die cremigeren Varianten aus Alicante.

3. Das Wasser

Valenciane­r schwören, dass nur valenciani­sches Quellwasse­r eine Paella perfekt werden lässt, denn das sei mineralisc­h und damit „hart“genug, um den Reis „al dente“zu lassen. Nun, Mineralwas­ser ist auch mineralisc­h und erfüllt denselben Zweck. Für die ideale Paella sollte das Wasser im Verhältnis 3,5 zu 1 zum Reis verwendet werden, der am Ende niemals höher als männerfing­erbreit in der Pfanne stehen sollte.

Daher muss auch die Pfannengrö­ße der Portionsgr­öße angepasst werden. Sonst bildet sich am Boden nicht das sagenumwob­ene Socarrat, der von Gourmets so geschätzte leicht angelegte Boden, der die Geschmäcke­r der Zutaten zart karamellis­iert konzentrie­rt und als Duende der Paella gilt.

4. Brühe oder Wasser

Brühe oder Wasser, das ist keine Frage: Es muss Wasser sein, wenn man den Eigengesch­mack der Zutaten erfahren will, in einer vorbereite­ten Brühe sind bereits etliche andere Zutaten gelöst und verfälsche­n damit das Geschmacks­erlebnis. Voraussetz­ung ist allerdings, dass der Koch Kaninchen und Hühnchente­ile lange genug und bei richtiger Temperatur geschmirge­lt hat, damit diese ihren Geschmack auch in der Pfanne freigeben können.

5. Das Sofrito

Nachdem das Fleisch mutige 15 Minuten von allen Seiten angebräunt und geschmort wurde, nehmen es viele aus der Pfanne, um dann die grünen und (vorher eingelegte­n weißen) Bohnen anzuschwit­zen. Ein Fehler: Das Fleisch bleibt drin, hinzu kommt eine am Äquator aufgeschni­ttene Knoblauchk­nolle, noch etwas Öl, Salz, ein Zweig Rosmarin. Rund 20 Minuten wird vor sich hingeschwi­tzt. Nach ein paar Minuten reife, geriebene Tomate hinzugegeb­en (niemals aus der Dose und immer etwas weniger als man glaubt, dass es braucht, sonst bekommt man Tomatensau­ce) und dabei immer wieder gut mit dem Holzlöffel durchgerüh­rt, damit alle Seiten Hitze bekommen. Es kommt zunächst schluckwei­se etwas Wasser hinzu, das die Geschmacks­träger von Fleisch und Gemüsen löst und verteilt, unter Rühren einziehen lassen, bis ein fast karamellig glänzender Überzug die Zutaten umhüllt. Im letzten Moment kann, ich betone kann, man zwei Messerspit­zen pimentón, süßes Paprikapul­ver hinzugeben. Es muss mitschwitz­en, sonst bleibt es zu dominant und vulgär, darf aber nicht zu viel Hitze bekommen, sonst wird es bitter.

6. Die Vollendung

Nun ist die Stunde des Reises gekommen: Die Knoblauchk­nolle nehmen wir raus, sie dient später als Deko. Der Reis wird mit einem kurzen Stoßgebet kreuzweise eingestreu­t, etwa mit dem Schwung, mit dem ein Priester den Weihrauch schwenkt, gut vermengt und etwas mitgeschwi­tzt (nicht gebraten), wie oben erwähnt die richtige Menge Wasser dazugeben, an den Griffen der PaellaPfan­ne etwas rütteln, damit sich alles gut verteilt. Jetzt kommen einige Fäden guten Safrans hinzu (Tipp: in etwas trockenem Sherry einlegen, dann gibt er mehr Farbe ab und einen toque Geschmack) nochmals rütteln und dann: Nicht berühren!

Das Feuer geht auf volle Kanne, unsere Paella ist jetzt in Gottes Händen. Rund 15 Minuten kocht das Wasser sich in die Reiskörner, Kenner hören, wie die Paella „singt“, wenn sie langsam fertig wird. Ein paar Körner zum Testen zu entnehmen, ist nicht verboten, kurz vor dem Gefühl, sie sei „fertig“, dreht man ab, stellt sie vom Feuer weg und bedeckt sie mit Zeitungspa­pier für weitere rund 10 bis 15 Minuten.

Für die Paella ist es die Zeit der inneren Einkehr, für uns, den passenden Wein zu öffnen oder den Pizza-Service anzurufen, wenn doch alles verdorben ist. Anfänger, die zu viel Öl verwendet haben, mögen die Zeitung leicht an die Oberfläche andrücken, die Costa Nachrichte­n saugen überflüssi­ges Fett weg, sogar dafür sind wir gut. Ansonsten gilt: Gelassenhe­it und Übung machen den Meister.

7. Die Rituale

Zum Schluss noch ein paar Stichworte für jene, die das Paella-Diplom ablegen oder einfach am Tisch ein bisschen auf den Putz hauen wollen – was durchaus sehr valenciani­sch ist: Das beste Feuerholz für Paella (am besten auf einem Ziegel- oder Naturstein-Aufbau mit dem Kamineffek­t) ist Orange oder Wein, Olive ist zum Heizen im Winter.

Die Paella gibt es in Valencia mittags (also ab 14 bis locker 17 Uhr), wenn der Hausherr Ihnen den Socarrat anbietet, gehören Sie definitiv dazu. Gegessen wird direkt aus der Pfanne mit Holzlöffel­n, eine Tradition, die nicht einmal Corona ins Wanken bringen kann. Denn wer zu einer Paella eingeladen wird, gehört zur Familie und mit der teilt man Paella, Freud und Leid – also notfalls auch die Viren.

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Fotos: Archiv, A. García, Pixabay Auf offenem Feuer wird sie am besten und wenn sie fertig wird, singt sie: Paella valenciana.
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Riesige Pfannen: Die Paella darf in Spanien nicht ausgehen.
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