Gedenken im Wellenrauschen
Erinnerung an Opfer des faschistischen Bombenangriffs 1938 in Torrevieja
Torrevieja – sw. In Torrevieja ist er sozusagen für alle da, der Hombre del Mar, der seit 1975 die Promenade schmückt. Mit freiem Oberkörper gen Meer blickend, repräsentiert die Figur die enge Beziehung der Stadt zum Meer, aber zugleich irgendwie auch die jedem Menschen innewohnende Sehnsucht nach Freiheit. Kein Wunder, dass der steinerne Mann mit dem Anker so gern auf Selfies mitfotografiert wird. Am 25. August aber war er stiller Teilnehmer einer Demo, die in den Farben Rot und Gold und Violett vonstatten ging.
Mehrere Gruppen begingen am Hombre del Mar den 84. Jahrestag eines vergessenen Horrors. Es war um 8.30 Uhr morgens, als sie am 25. August 1938 am Horizont erschienen: die italienischen Bomber im Dienste der spanischen Faschisten. Ihr Angriff auf Torrevieja tötete 19 Menschen, vorwiegend Zivilisten jeglichen Alters. Einfache Bürger erwischte es im Hafen, weil sie hier Schlange standen, um frischen Fisch zu kaufen.
„Würde kostet sehr wenig“
Wie kann es sein, dass solche Attentate, die doch bis heute in Familien offene Wunden hinterließen, so unbeachtet, ja verdrängt werden? Schuld daran – das meinen die linken Bewegungen, die die Demo in Torrevieja gestalteten – sei ein fehlerhafter Übergang in die Demokratie. Damals, nachdem Diktator Franco 1975 starb, zog Spanien – um des lieben Friedens Willen – einen dicken Strich unter die jüngere Vergangenheit. Es ging
darum, mit Hoffnung nach vorn statt zurück zu schauen. Etwa so, wie es der steinerne Seemann mit dem Anker, seit 1975, in Torrevieja tut.
Doch dass es nicht so einfach ist, zeigt die spanische Gegenwart. Erst Maßnahmen der sogenannten Historischen Erinnerung entlarven die Vielzahl an nie richtig begrabenen Menschen, nie aufgearbeiteten Familientraumen. „Eine Demokratie kann nicht errichtet werden, wenn man Tote in Rinnen und Massengräbern liegen hat“, sagte im Rahmen der Demo in Torrevieja Iñaki Pérez, Landesgeneraldirektor für Demokratische Qualität.
Valencias Regierung sei mit großen Schritten dabei, die Vergangenheit aufzuarbeiten – gerade im südlichen Kreis Vega Baja. Von hier kamen die meisten Getöteten, die in der laufenden Ausgrabungskampagne
am Friedhof von Alicante geborgen werden. In der Vega Baja befand sich auch, in Albatera, das größte faschistische Konzentrationslager, das kurz nach dem Krieg bis zu 20.000 Gefangene fasste. Dessen Gelände soll demnächst, mit einem Interpretationszentrum versehen, für den Besucherverkehr vorbereitet werden.
Und auch in Torrevieja wolle das Land den Umbau des Hafens dazu nutzen, endlich ein Denkmal für die Opfer des vergessenen Bombardements aufzustellen. „Würde kostet sehr wenig“, sagte der Generaldirektor in Torrevieja der Zeitung „Información“. Ja, es gebe Menschen, die das Geld an anderen Stellen einsetzen würden. Aber andererseits gebe es viele Ausgaben Mega-Beleuchtungen bei Fiestas etwa die viel mehr kosteten
als die Bergung der Getöteten. „Vieles davon ist übermäßig“, sagte Pérez, „und ich bin in meinem Dorf selbst im Festkomitee“.
Nicht ohne Namen
Das Ziel der Historischen Erinnerung sei „eine Gesellschaft, die in allen ihren Teilen in Frieden leben kann“. Doch dafür reicht eben kein allgemeingültiger Seemann, der seit 1975 den Horizont anstarrt. In Stein gehauen gehören eben auch Namen von Menschen: Josefa Alar (61 Jahre), Joaquina Antolinos (32), Concepción Aracil (20) etwa. Auch der Kinder: Wie Mercedes Martínez (15), Cayetano Sánchez (9) und der nur Monate alt gewordenen Manuel Andreu und Francisco Desamparados. Unter den Bomben in Torrevieja zerbarsten ihre kleinen und großen Sehnsüchte nach Freiheit.