Tödliches deutsches Erbe
Deutsche Bomben in Händen von Francos Soldaten töten 1947 hunderte Menschen in Cádiz
Cádiz – mar. Dass Nazideutschland Francos Spanien nicht nur zum Testen neuer Waffen im Bürgerkrieg benutzte, sondern auch Altbestände ablegte, bekamen die Bewohner von Cádiz vor 75 Jahren tödlich zu spüren. Am 18. August 1947 flog das Marinearsenal der Armada in die Luft. Es lag unweit des Hafens und direkt an Wohnvierteln. Das Munitionslager der „Unterwasserabwehr“war vollgestopft mit 2.200 Wasserminen, Granaten, Torpedos, aber auch hunderten Wasserbomben des Typs D aus Deutschland.
1942 hatten die Deutschen die Munition, die seit dem Erste Weltkrieg nicht mehr als einsatztauglich galt, Franco „geschenkt“. Offiziell aber verkaufte man den Spaniern die Lieferung als Hilfe, um eine womöglich bevorstehende Invasion der Alliierten auf der Iberischen Halbinsel abzuwehren.
Es kam anders, doch so töteten deutsche Bomben auch noch über zwei Jahre nach Kriegsende Menschen. Im Unterschied zum relativ sicher zu lagernden TNT, im Zweiten Weltkrieg Standard, bestanden die Wasserbomben auch aus Nitrozellulose, vulgo Schießbaumwolle, die als Zündbeschleuniger verarbeitet war. Allerdings destabilisiert sich die Verbindung, ein Salpetersäureester, ab 30 Grad schnell, zersetzt sich in einer exothermen Reaktion, setzt also Hitze frei.
Als ein riesiger orangefarbener Feuerball Himmel und Erde zerriss, es war kurz vor zehn Uhr abends, also beste spanische Abendessenszeit, dachten viele zunächst an eine Atombombe, denn der Rauch formte sich zu einem riesigen Pilz über Stadt und Hafen. Die Ausmaße der Katastrophe, die für Cádiz mit dem Tsunami nach dem Erdbeben von
Lissabon 1755 die größte der neueren Geschichte wurde, lassen sich nur erahnen: Druckwelle und Feuer machten das Fischer- und Matrosen-Barrio San Severiano dem Erdboden gleich, die Viertel Barriada España und Bahía Blanca wurden schwer zerstört, die Armensiedlung
Campo de la Mirandilla fiel wie ein Kartenhaus zusammen. Schwere Zerstörungen erlebte das Waisenhaus Hogar del Niño Jesús und das Krankenhaus Madre de Dios. Selbst
das Dampfschiff Plus Ultra, 1,5 Kilometer vor der Küste, bekam einen Trümmerregen ab.
Die Bilanz war apokalyptisch: Offiziell 150 Todesopfer, darunter sehr viele Kinder, waren zu beklagen. Zeitzeugen sprechen von „viel, viel mehr“, von Tagelöhnern, Armutsflüchtlingen, die rund um den Hafen lagerten. Ihre Kadaver habe man einfach auf Lkws verladen und irgendwo verscharrt, glauben Angehörige einer Opferorganisation, die bis heute gegen das Vergessen dieser menschengemachten Katastrophe ankämpft.
5.000 Verletzte wurden mehr geschätzt als gezählt, 2.000 Häuser hatten Schäden erlitten, 500 davon mussten ganz abgerissen werden. Die Tore der Kathedrale wie der Stierkampfarena wurden durch den Druck regelrecht aufgesprengt. Nur die massive Stadtmauer verhinderte noch mehr Tote in der unmittelbaren Altstadt.
Die Franco-Behörden kehrten den Heroismus der Helfer in Uniform hervor, hielten sich hinsichtlich der Ursache aber vornehm zurück, ganz vertuschen konnten sie sie nicht. Viele ähnliche Unfälle, Brände, Explosionen, Zugunglücke, vor allem in den 1940er Jahren, schoben Francos Lautsprecher gern Saboteuren des Untergrunds in die Schuhe und hatten so neue Anlässe für Verhaftungswellen.
Offiziell wurden 150 Todesopfer gezählt, darunter viele Kinder