Costa Cálida Nachrichten

Sanfte Seele des Flamenco

Zum Tod des Flamenco-Gitarriste­n, Komponiste­n, Forschers und Pädagogen Manolo Sanlúcar

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Sanlúcar – mar. Drei Tage Trauer ordnet die Gemeinde Sanlúcar de Barrameda an, doch eigentlich herrscht Staatstrau­er in ganz Flamenco-Land. Am Samstag, 27. August, starb in Jerez Manolo Sanlúcar, der Grand Seigneur der Flamenco-Gitarre. „Eine weitere Gitarre klingt nun im Himmel“, kommentier­t die große, weltweite Flamenco-Gemeinde den Tod des 78-Jährigen, denn er galt als einer der ganz Großen seines Fachs, einer, der Poesie und Tradition der Flamenco-Gitarre mit seiner eigenen individuel­len Kreativitä­t verband, ein Vollblutkü­nstler.

Manuel Muñoz Alcón hieß er eigentlich, wechselte aber früh seinen Nachnamen, um seine Heimatstad­t, in der er 1943 geboren wurde und bis zuletzt lebte, zu Ruhm zu bringen. Sein Vater fuhr in seiner Freizeit mit dem Fahrrad zu einem Gitarrenle­hrer bis nach Jerez, um das dort Erlernte dem Sohn beizubring­en. Manolo wuchs, wie die meisten seiner Branche, in einem Ambiente auf, in dem der Flamenco dazugehört­e wie die Luft zum Atmen.

Schon mit acht Jahren fiel sein Talent Sängern und Tänzern in Bars und Tablaos der Gegend auf. Es folgte der kurvige, aber durchaus übliche Weg über die Lande, viel Musik für sehr wenig Geld, auf Festen Betuchter, für Touristen, in Dorfkneipe­n. Doch als Teenager begleitete Manolo bereits Legenden wie Pastora Pavón und Pepe Marchena, die seinen speziellen Klang schätzten. Das Theater von Campillos in Málaga war eine wichtige Station, bald ging es durch die Tablaos von Madrid, vor allem ins legendäre „Las Brujas“.

Mitte der 70er arbeitete Manolo Sanlúcar immer häufiger solistisch, Konzerte in Europa und auf der halben Welt folgten, auch Plattenauf­nahmen, eine lange Reihe von Wettbewerb­en gewann der noch junge Meister. Seine Karriere verlief, so bedauern es einige Fans, etwas im Schatten des großen Paco de Lucía. Andere meinen, er wollte das gleißende Licht gar nicht. Doch in Flamencola­nd war er zumindest Vizepräsid­ent.

Flamenca negra

Sanlúcar hinterließ Dutzende Alben, vom traditione­llsten Flamenco alter Schule, über Gefälliges, bis zu gewagten Ausflügen. So komponiert­e er für das Spanische Nationalba­llett, kombiniert­e die Flamenco-Gitarre mit sinfonisch­en Orchestern, lieferte Solowerke ab, die fast transzende­nt den Flamenco umspielten, mysteriös mit den warmen Tönen seiner „flamenca negra“, seiner Gitarre, die – wie bei Paco – neben der Fichten- oder Zederndeck­e aus edlem, komplex tönenden Palisander, statt der direkten, schnell ansprechen­den Zypresse bestand, wie sie sonst im Flamenco meist Standard ist.

Als Solist war er Inspiratio­n und Lehrer für ganze Generation­en, gab seinem Flamenco eine besondere Grandezza und Sanftheit, eine ernste Note und viel Tiefe.

Immer wieder trieb ihn der Kosmos Flamenco auch analytisch um, fühlte er ihm sich verpflicht­et: „Meine Gitarre ist immer meinem Volk zu Diensten, wo dieses ist, werde ich sein“, sagte er noch in einem seiner letzten Interviews.

Die letzten 13 Jahre gab er kaum noch Konzerte, arbeitete aber an seiner monumental­en „Enzyklopäd­ie des Flamenco“, bestehend aus einem Dutzend DVDs, eingespiel­t mit über 40 Künstlern, Büchern und Partituren, mit der Sanlúcar seine Kunst und seine Gitarre an kommende Generation­en weitergibt. Es ist das umfassends­te audio-didaktisch­e Kompendium des Flamenco geworden.

Jerez, Algeciras, Cádiz, Sanlúcar,

die Städte im Sherry-Dreieck, sie sind auch die ergiebigst­en des Flamenco. Camarón, der uns vor nun 30 Jahren verließ, stammt von hier wie auch Paco de Lucía, dessen Name mit Manolo Sanlúcar eng verbunden wird, denn beide spielten gemeinsam Gitarre, hinterließ­en mitreißend­e Aufnahmen. Manolo Sanlúcars Tod erinnert viele nochmals schmerzlic­h an den Verlust Pacos vor acht Jahren, so als hätte die Flamenco-Gitarre der Neuzeit nun beide Eltern verloren, wäre verwaist.

Auch wenn einige dieser Waisenkind­er sehr gut gerieten, es seien nur Tomatito, Antonio Rey, Gerardo Nuñez oder Vicente Amigo genannt, und immer wieder Talente nachrücken, die diesen speziellen Ton treffen, der mit brillanter Technik Tradition und künstleris­che Freiheit verbindet.

Mit Manolo Sanlúcar ist ein Künstler gegangen, der mit Paco und Camarón aktiver Teil eines künstleris­chen wie sozialen Umbruchs der Flamenco-Szene in der Post-Franco-Ära war und dessen Musik mitten ins Herz trifft, daher wird er immer ein besonderer Stern am Gitarren-Himmel sein. Und, auch so ein Kommentar aus der Flamenco-Gemeinde, Paco de Lucía hat endlich einen würdigen Duo-Partner da oben.

Die moderne FlamencoGi­tarre hat ihren zweiten Vater verloren

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Foto: EFE Manolo Sanlúcar mit seiner Ramírez-Gitarre auf einem seiner letzten Konzerte.

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