Nur ein bisschen Herbst
„Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“, fragte Rudi Carrell 1975 und landete damit einen Hit. In Spanien müsste er 2022 singen: „Wann wird’s endlich Winter? Oder zumindest Herbst, nur ein kleines bisschen?“Nächste Woche werden die Uhren umgestellt – darüber können wir dann wieder ausgiebig schimpfen – und im Supermarkt müssen traurige Weihnachts-Süßigkeiten mit ansehen, wie die Kunden lieber Eis kaufen.
Grillfleisch und Salat schmecken bei 28 Grad einfach besser als der Puchero, der beim stundenlangen Kochen die Temperatur in der Küche um fünf Grad steigen lässt. Und auch die Modehäuser sind verzweifelt, verschicken ihre Newsletter mit den „Imprescindibles“für Herbst und Winter, obwohl die Vorstellung, jetzt gefütterte Stiefel zu tragen, mindestens genau so absurd ist wie die Behauptung, „in Spanien muss man im Winter gar nicht heizen“, um Senioren aus Nordeuropa zum Überwintern an die Küste zu locken.
Auf eine Spezies ist aber Verlass, wenn es darum geht, den nahenden, endlich auch von den Temperaturen
her richtigen Herbst vorherzusagen: Mücken, diese fiesen kleinen und doch so schlauen Plagegeister. Den ganzen Sommer über war es ihnen zu heiß zum Zustechen, sie waren verdächtig friedlich. Doch jetzt schlagen sie zu, weil sie wissen, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hat. Im Kampf gegen den nahenden Tod verbeißen sie sich in jeden entblößten Arm, stürzen sich auf den nächstbesten Nacken, stechen mit widerwärtiger Präzision rote, juckende Fußkettchen einmal komplett rund um den Knöchel. Das hat doch fast etwas Beruhigendes.