Wo Verschwendung Kunst ist
Spanien gibt am meisten Energie aus für öffentliche Beleuchtung
Madrid – tl. Ein Blick auf Europa vom Weltall aus zeigt: Barcelona strahlt heller als Berlin. Überhaupt leuchten die Städte des Südens intensiver als die des Nordens. Ein Nord-Süd-Gefälle der anderen Art gewissermaßen. Spanische Städte gehen besonders verschwenderisch mit der Beleuchtung des öffentlichen Raums um. So ist Spanien zum Europameister in Sachen Lichtverschmutzung geworden.
In der Energiekrise gewinnt dieser Umstand an Bedeutung. Das weiß die Regierung. So verlangt das verabschiedete Energiesparprogramm „eine technische Überprüfung der Außenbeleuchtung“. Doch konkrete Vorgaben fehlen. Schon gar bei der Weihnachtsbeleuchtung. In Ermangelung offizieller Daten bleibt immerhin ein Rückgriff auf die Wissenschaft.
Der Astrophysiker Alejandro Sánchez de Miguel ist einer der anerkannten Experten, die sich mit Lichtverschmutzung befassen. Er hat festgestellt, dass Spanien unter allen Ländern Europas die meiste Energie für die Beleuchtung des öffentlichen Raums aufwendet. Pro Einwohner kommen 114 Kilowatt zusammen. Gefolgt von Portugal mit 105 und Griechenland mit 95 Kilowatt. Deutschland kommt auf 48 Kilowatt pro Einwohner. Auch Satelliten haben 2021 gemessen, dass Spanien nach Malta und Portugal das Land in Europa ist, dessen Außenbeleuchtung am drittstärksten abstrahlt.
„In Spanien sind die Straßen überleuchtet“, sagt Sánchez de Miguel. Ein Grund liege im subventionierten Strom, den die Rathäuser über Jahrzehnte erhielten. Bis 2007 galt für die Außenbeleuchtung ein Sondertarif mit dem Resultat, dass mehr Straßenlaternen aufgestellt worden seien, als notwendig gewesen wäre. Eine exzessive öffentliche Beleuchtung, so Sánchez de Miguel, „ist eines der augenscheinlichsten Symptome, dass eine Verwaltung Ressourcen verschwendet“. Seit 2008 existiert
eine Verordnung über Außenbeleuchtung, die auch Sanktionen für Rathäuser vorsieht, die es mit dem Licht übertreiben. Die Verordnung definiert einen maximalen und minimalen Grad an Beleuchtung und unterscheidet zwischen ländlichen Gebieten, Wohngebieten und innerstädtischen Bereichen. „Aber die Verordnung funktioniert nicht“, sagt Sánchez de Miguel, „es fehlt an Überwachung, und Sanktionen werden nicht verhängt“.
Wohl ebenfalls eine Rolle spielt die Lebensart. „Das Klima sorgt dafür, dass das soziale Leben auf der Straße in den Mittelmeerländern viel lebendiger ist“, sagt Adam Sedziwy, Professor an der Hochschule für Wissenschaft und Technologie AHG in Krakau, der sich ebenfalls mit Lichtverschmutzung befasst. Ein weiterer Faktor
für die Überleuchtung besteht darin, Leuchten mit der vom Gesetzgeber maximal erlaubten Leistung anzuschaffen. „Heute wäre es leicht, LED-Leuchten zu wählen, deren Leuchtkraft regulierbar ist und die man in den Nachtstunden reduzieren könnte, so wie es in anderen Ländern üblich ist“, sagt Sánchez de Miguel. Die Sparmöglichkeiten, die diese Technologie bietet, werden nicht genutzt. Von den acht Millionen Leuchten im öffentlichen Raum verfügen nur zwei Millionen über LED-Technologie. Die Mehrheit besteht aus Natriumdampflampen. Dabei bieten LED-Leuchten ein Einsparpotential von bis zu 85 Prozent und eine längere Lebensdauer.
Gerne wird argumentiert, dass die Bevölkerung keine Reduzierung der Beleuchtung wünscht. Das Beispiel Madrid zeigt das Gegenteil. Madrid war die Stadt in Spanien mit der meisten Lichtverschmutzung und bis 2014 die am hellsten erleuchtete Stadt in Europa. Dann musste die überschuldete
Hauptstadt sparen. Unter anderem wurden 250-Watt-Birnen mit 150Watt-Leuchtkörpern ersetzt, die zudem das gesamte Licht nur nach unten abstrahlen lassen. „Als man im Rathaus festgestellt hat“, erzählt Sánchez de Miguel, „dass niemandem der Wechsel aufgefallen ist, sind alle Birnen ausgetauscht worden“. In der Folge sank die Lichtverschmutzung rapide.
Licht und Sicherheit
Dass viel Beleuchtung mehr Sicherheit schafft, trifft offenbar auch nicht zu. „Mehr Beleuchtung ist eine populistische Lösung, die billiger ist, als für mehr Leben in den Straßen zu sorgen oder unübersichtliche Stellen zu beseitigen“, sagt die Kriminologin Anna Almécija.
Und in Bilbao haben selbst Einwohner das Gefühl, in der lichtschmutzigsten Stadt Spaniens zu leben. „Hier kannst du nachts auf der Straße ein Buch lesen, das ist nicht normal“, sagt der 59-jährige Daniel Ruiz.
„Hier kannst du nachts auf der Straße ein Buch lesen, das ist nicht normal“