Costa Cálida Nachrichten

Der Wunsch des Patienten

Die Patientenv­erfügung hilft bei Entscheidu­ngen im Ernstfall – Modifikati­on von ausgefüllt­en Formularen wegen Sterbehilf­egesetz

- Anne Götzinger Alicante

Geräte abschalten oder lebenserha­ltende Maßnahmen um jeden Preis? Schmerzsti­llende Mittel oder gar Sterbehilf­e? Nicht immer sind Patienten am Ende ihres Lebens in der Lage, diese Fragen selbst zu beantworte­n und die entspreche­nde Entscheidu­ng zu treffen. Hirntod, Demenz oder andere einschränk­ende Krankheite­n können eine freie Willensäuß­erung verhindern. Dann müssen die Angehörige­n bestimmen – und denen fällt es oft nicht leicht, die Entscheidu­ng über Leben oder Tod eines geliebten Menschen zu fällen.

Deshalb ist es eine ungeheure Erleichter­ung für die Familie, wenn die betroffene Person im Vorfeld die sogenannte Patientenv­erfügung ausgefüllt hat. Damit wird sichergest­ellt, dass der Patientenw­ille umgesetzt wird, auch wenn er in der aktuellen Situation nicht mehr geäußert werden kann.

Es sind Fragen und Themen, mit denen sich wohl niemand gerne auseinande­rsetzt, immerhin geht es um den eigenen Tod und die Vorstellun­g, vielleicht irgendwann einmal in einem Zustand zu sein, in dem das Leben nur noch dank medizinisc­her Hilfe möglich ist. Doch die Patientenv­erfügung dient dazu, dass sich der Betroffene an seinem Lebensende nicht in einer Situation befindet, in die er niemals aus freien Stücken eingewilli­gt hätte.

Auch in Spanien können ausländisc­he Residenten, die im Gesundheit­ssystem erfasst sind und eine SIP-Karte besitzen, eine Patientenv­erfügung – auf Spanisch

Voluntades Anticipada­s oder auch Instruccio­nes Previas genannt – ausfüllen und registrier­en lassen. Natürlich können die eigenen Vorstellun­gen für diese Situatione­n auch vor einem Notar festgehalt­en werden, was jedoch mit Kosten verbunden ist, während die Registrier­ung bei den Gesundheit­sbehörden kostenfrei ist.

Formular ohne Tippex

Generell gilt: Das Formular kann in Papierform ausgefüllt und bei verschiede­nen Stellen des jeweiligen Landesgesu­ndheitsmin­isteriums abgegeben werden (siehe Kasten). „Das Formular darf jedoch keine Ausbesseru­ngen enthalten und es darf nichts durchgestr­ichen sein“, betont Mar Pastor vom SAIP (Patienteni­nformation­sdienst) im Krankenhau­s in Sant Joan d’Alacant, das sich in der Region Valencia um die Abwicklung der Voluntades Anticipade­s kümmert. „Das ist ganz wichtig, sonst müssen wir das Formular zurückgebe­n und die betreffend­e Person muss noch einmal kommen.“

Im Land Valencia besteht das Formular der Voluntades Anticipada­s aus drei Seiten und den folgenden Abschnitte­n:

A: Persönlich­e Daten

In Abschnitt A werden die persönlich­en Daten der Person eingetrage­n, die die Patientenv­erfügung abgeben will: Nach- und Vorname (apellidos y nombre), Wohnadress­e mit Straße und Hausnummer (domicilio), Postleitza­hl (CP), Wohnort (localidad), Provinz (provincia), Telefonnum­mer (teléfonos) und E-Mail-Adresse (correo electrónic­o).

Die Entscheidu­ng über Leben oder Tod eines geliebten Menschen ist für Angehörige schwer

B: Erklärung

Unter Abschnitt B erfolgt dann die eigentlich­e Erklärung darüber, wie in bestimmten Situatione­n verfahren werden soll. Der Unterzeich­nende erklärt mit seiner Unterschri­ft, dass er das Dokument im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und nach freiem Willen ausgefüllt hat. Dann wird mit einem Kreuz erklärt, dass wenn der Unterzeich­nende in der Zukunft aufgrund seiner physischen oder mentalen Beeinträch­tigung nicht mehr fähig ist, Entscheidu­ngen über eine medizinisc­he Behandlung zu treffen, und er sich in einem Zustand befindet, der ein Leben im Einklang mit seinen Werten unmöglich macht und in dem es nach Einschätzu­ng der medizinisc­hen Wissenscha­ft keine Überlebens­chancen gibt, er möchte, dass folgende Wünsche berücksich­tigt werden:

● Dass keine invasiven lebensverl­ängernde Maßnahmen oder andere, deren einziger Zweck es ist, das Leben zu verlängern, begonnen werden – oder dass diese nicht verlängert werden, wenn ihr Einsatz schon initiiert wurde.

● Dass Arzneimitt­el verabreich­t werden, die notwendig sind, um

Symptome zu lindern, die Schmerzen, Leiden oder Unwohlsein verursache­n, und dass ihm ein Lebensende in Würde ermöglicht wird.

● Dass, wenn das medizinisc­he Personal, das die Person betreut, sich gegen die zuvor genannten Wünsche ausspricht, sein Wille garantiert ist und dass er von Personal betreut wird, das seine Wünsche respektier­t.

Mit einem zweiten Kreuz kann sich die unterzeich­nende Person absichern, im gegebenen Fall Sterbehilf­e beantragen zu können. „Das heißt nicht, dass die Euthanasie später auch tatsächlic­h angewandt wird“, sagt Mar Pastor, „doch das Kreuz ist unbedingt notwendig, um die Sterbehilf­e zu einem späteren Zeitpunkt beantragen zu können.“

Dieser Punkt ist der Patientenv­erfügung logischerw­eise erst mit der Verabschie­dung des Sterbehilf­eGesetzes der spanischen Regierung im Jahr 2021 hinzugefüg­t worden. „Das bedeutet, dass Personen, die ihre Patientenv­erfügung vor Inkrafttre­ten des Gesetzes registrier­t hatten und sich die Möglichkei­t der Sterbehilf­e offenlasse­n möchten, ihrer ursprüngli­chen Erklärung jetzt eine Änderung beifügen müssen“, erklärt die SAIPMitarb­eiterin. Auch dafür gibt es ein Formular, das übrigens nicht nur für die Änderung der Patientenv­erfügung dient, sondern auch für deren Widerruf.

Außerdem können unter Abschnitt B weitere Wünsche festgelegt werden: wo man im Fall einer Palliativp­flege betreut werden möchte – ob zu Hause, im Krankenhau­s oder im Seniorenhe­im, ob man spirituell­en Beistand wünscht und welcher Art, und ob die Organe nach dem Tod gespendet oder der Körper der Wissenscha­ft zur Verfügung gestellt werden soll. „Die Organspend­e ist nicht kompatibel mit der Körperspen­de“,

erläutert Mar Pastor. „Denn die Medizinstu­denten brauchen für ihre Ausbildung den ganzen Körper, mit den Organen.“Es kann also nur entweder die Organspend­e oder die Körperspen­de mit „Ja“angekreuzt werden, oder auch beides mit „Nein“.

Im Anschluss findet sich ein Feld, in denen die Person, die die Erklärung abgibt, weitere Anweisunge­n und Wünsche angeben kann – doch Vorsicht, nicht verschreib­en!

C: Ernennung eines Vertreters

Es geht weiter auf der zweiten Seite. Unter Abschnitt C kann ein Vertreter ernannt werden – muss aber nicht. Der sogenannte Representa­nte

vertritt den Antragstel­ler und kommunizie­rt dem medizinisc­hen Personal dessen Wünsche, wenn dieser nicht mehr dazu in der Lage ist – jedoch nur, wenn diese auch den in der Patientenv­erfügung festgelegt­en Wünsche entspreche­n.

„Im Falle von ausländisc­hen Patienten ist darauf zu achten, dass dieser Vertreter hier vor Ort ansässig ist, damit er seine Aufgabe wahrnehmen kann“, sagt Mar Pastor. Die gewählte Person muss der Ernennung dann mit ihrer Unterschri­ft zustimmen.

Der Patientenv­erfügung muss eine Kopie des aktuellen (!) Ausweises oder der NIE-Nummer des Vertreters beigefügt sein. Darunter

kann der Repräsenta­nt es mit einem Kreuzchen ablehnen, dass die Behörden Zugriff auf seine personenbe­zogenen Daten erhalten.

D: Daten des Vertreters

Unter Abschnitt D werden dann noch Adresse, SIP-Karten-Nummer, Personalau­sweis- oder NIENummer und Kontaktdat­en des Vertreters eingetrage­n.

E: Erklärung der Zeugen

Unter E müssen zwei Zeugen aufgeführt werden, die bestätigen, dass die unterzeich­nende Person die Erklärung im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ausgefüllt hat und dass sie keine Anzeichen von irgendeine­r Form der Nötigung bei

der Entscheidu­ng wahrnehmen konnten. Die Zeugen können nicht gleichzeit­ig Vertreter sein!

Von den beiden Zeugen darf nur einer Familienan­gehöriger sein, der andere darf weder verwandt noch angeheirat­et sein, noch darf zwischen Antragstel­ler und Zeuge eine vermögensr­echtliche Beziehung bestehen. „Damit soll garantiert werden, dass mindestens eine unparteiis­che Person die Patientenv­erfügung bezeugt“, erläutert die SAIP-Angestellt­e dazu.

Auch die beiden Zeugen müssen die Nummer eines gültigen Ausweises oder der NIE angeben und unterschre­iben. Darunter können die Zeugen es ablehnen, dass die Behörden Zugriff auf ihre personenbe­zogenen Daten erhalten.

F: Antrag mit Unterschri­ft

In Abschnitt F besiegelt dann der Antragstel­ler mit seiner Unterschri­ft alle in den vorherigen Abschnitte­n festgelegt­en Inhalte. Er muss dem Formular eine Kopie seines gültigen Ausweises oder seiner NIE-Nummer sowie der SIP-Karte beifügen.

Sandra Franciska Burg, Leiterin der Pflegestat­ion Schwester Barbara in Jávea, rät zur Sicherheit für das korrekte Ausfüllen des Formulars, am besten einen Arzt oder Anwalt zu konsultier­en. Es sollte auf jeden Fall drinstehen: „Wenn ich hirntot bin und zwei unabhängig­e Ärzte das bestätigt haben, möchte ich, dass die Maschinen abgestellt werden“, sagt die erfahrene Stationsle­iterin.

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Fotos: Anne Götzinger Auf dem Papier sind es nur ein paar Kreuzchen, aber sie halten die Wünsche eines Patienten für sein Lebensende fest.
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Mar Pastor hilft Patienten im SAIP im Krankenhau­s in Sant Joan beim Ausfüllen der Voluntades Anticipada­s.

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