Liebe Leser,
die Sommer-Fiestas sind vorbei, und dennoch sind die Veranstaltungskalender der
Gemeinden voll. Man steht vor der Qual der
Wahl zwischen Oktoberfest, Mittelaltermarkt und Halloween-Party. In den Supermärkten stapeln sich Deko, Kostüme, Süßigkeiten mit Hexen-, Vampir-, Skelett- oder Spinnenmotiven. Da kostet die Tüte Chips mal schnell das Doppelte, wenn das frittierte Kartoffelmehl in Fledermausform gepresst ist. Bei den Oktoberfesten, die die
Rathäuser über private Firmen organisieren, spielt die Band Schunkelmusik auf Portugiesisch, man nimmt für die trockene Brezel 5 Euro, die Bratwurst im Brötchen kostet 6. Die Mittelaltermärkte sind vollgestopft mit billigen Puppen aus China, für vier Tapas, eine Grillwurst und vier Getränke streicht der freundliche „Wirt“von der „Taverne“96 Euro in seine braune, in Bangladesh zusammengenähte „Kutte“. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Aber vielleicht sollte man auch schauen, wann und wohin sie denn überhaupt fallen. Die meisten Veranstaltungen, die überhaupt nichts mit Spanien zu tun haben, sind ein einziges Geld-aus-derTasche-Ziehen, Hauptsache, es gibt irgendeinen Anlass, den man irgendwoher kopieren kann, weil er anderswo gewinnbringend funktioniert. Es geht längst nicht mehr um geselliges Beisammensein, sondern um Konsum und Profit und nach Corona scheint es fast verboten zu sein, einfach mal nirgendwohin zu gehen. Dabei wäre jetzt eigentlich die Zeit, Allerheiligen zu feiern. Sich der Toten zu erinnern, einen der Friedhöfe entlang der Küste zu besuchen. Und war der 31. Oktober nicht irgendwann mal Reformationstag? Die Lehrerin meines Sohnes, eine junge Frau wohlbemerkt, hat beschlossen, in ihrer Klasse auf eine Halloween-Feier zu verzichten eben weil es kein spanischer Brauch ist. Ich bin wohl die einzige unter den Eltern, die es ihr dankt. Gründe zum Gruseln finde ich trotzdem zuhauf, sogar ohne aus dem Haus zu gehen. Da brauche ich nur an die Menschen in der Ukraine zu denken, Nachrichten anzuschauen oder meinen Kontostand, nachdem der Wocheneinkauf abgebucht wurde.
Judith Finsterbusch, Redakteurin