Staatlich sanktionierter Betrug
Von Regierung reingelegt: Solarpioniere warten noch immer auf Lösung
Madrid – tl. Dass kleine Privatinvestoren gleich von zwei Regierungen beschissen werden, hat wohl Seltenheitswert. In Spanien ist das passiert – 2010 und 2013. „Die Sonne kann deine sein“hieß ein Programm, das vor 15 Jahren unter Regie des Industrieministeriums aufgelegt wurde und Photovoltaik landauf, landab pushen sollte. Im ländlichen Raum fand das Programm großen Anklang. 62.000 Personen, Familien und Kleinbetriebe – die Zeitung „El País“nennt sie „Energiepioniere“– steckten ihre Ersparnisse oder von der Bank geliehenes Geld in kleinere Solarparks, die als Kooperative betrieben wurden, und hofften auf die vom Staat zugesagte Rendite, die nie eintrat. Auf Entschädigung warten sie noch heute.
Die Rechnung klang einleuchtend: Jedes Solarpanel besitzt eine erwartete Lebensdauer von 30 Jahren. Bei einem finanziellen Einsatz von 75.000 Euro für eine 100-Kilowatt-Anlage würde sich die Investition nach zehn Jahren amortisiert haben und die restlichen 20 Jahre „sauberen“Gewinn abwerfen. Das Geld war bereits von der Bank aufgenommen und investiert worden, als zuerst die sozialistische Regierung Zapatero, dann die konservative Regierung Rajoy die Vergütung für den Solarstrom rückwirkend um 50 Prozent kürzten.
Das Finanzierungskonzept der Kleininvestoren brach zusammen, die Schulden gegenüber der Bank konnten nicht mehr bedient werden. Viele der Kleinen hafteten mit ihrem privaten Vermögen. Umschuldungspläne der Banken linderten zwar die existenzielle Not, aber lösen konnten sie das Problem nicht. Obwohl die beiden Regierungen, anstatt Rechtssicherheit zu garantieren, mitten in der Partie die Spielregeln geändert hatten, waren die Gerichte keine Hilfe. Selbst der Oberste Gerichtshof
schlug sich auf die Seite der Regierung. Ausländische Großinvestoren waren dagegen erfolgreich. 14 von 17 Klageverfahren gegen die Regierung vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (Ciadi), das der Weltbank angehört, wurden gewonnen. Bislang wurden Hunderte von Millionen an Entschädigung erstritten. Die Kleinen aber sind leer ausgegangen.
Cati Alcázar (61) und Juan Ruiz Reinaldo (65) investierten damals in vier Photovoltaik-Installationen im Solarpark La Jeresa bei Lorca (Murcia). Seitdem haben sie ständig den Ruin vor Augen. „Das war das traumatischste Erlebnis in unserem Leben. Man hat uns getäuscht, mit uns gespielt. Ich wünsche
niemandem das, was wir durchgemacht haben“, erzählt Juan Ruiz der Zeitung „El País“. Er habe damals investiert, damit seine Kinder einmal auf die Universität hätten gehen können. „Stattdessen war ich ruiniert. Wir haben gekochte Kartoffel mit Knoblauch gegessen, zu mehr hat es nicht gereicht“, sagt der heute 65-Jährige. Über Jahre habe er 16 Stunden am Tag arbeiten müssen, um die Rechnungen bezahlen zu können.
Miguel Ángel Martínez Arca ist Vorsitzender der Vereinigung der kleinen Solarstrom-Produzenten (Anpier). Seine Meinung über den Vorgang klingt deutlich: „Wir waren Versuchskaninchen für eine unreife Industrie. Was ursprünglich gedacht war als Demokratisierung der Energieproduktion verwandelte sich in einen offenkundigen Betrug, der das Leben von tausenden Personen zerstörte.“Dann habe man erleben müssen, dass ausländische Unternehmen mit Erfolg
vors Ciadi hätten ziehen können. Dabei will die Vereinigung der Regierung entgegenkommen. „Das Einzige, was wir verlangen, ist eine Verlängerung der vereinbarten Frist um fünf Jahre bis 2035“, sagt der Anpier-Vorsitzende.
Inzwischen ist die Photovoltaik in Spanien die viertwichtigste Quelle im Energiemix und zum Tummelplatz für große nationale und ausländische Konzerne geworden. Mega-Solarparks mit einer Leistung von 400 Megawatt werden angelegt. Kein Vergleich zur Solar-Kooperative La Jeresa bei Lorca und ihren vier Megawatt.
Doch die Großen scheinen durchaus Appetit auf die Kleinen zu haben, wie Dioni Ruiz, Geschäftsführerin der Kooperative, berichtet: „Diesen Monat habe ich vier Mails von ausländischen Firmen erhalten, die unseren Solarpark kaufen wollen.“Will man denn verkaufen? „Nein, man hat uns genug betrogen“, sagt sie.
Die großen Konzerne gewinnen Klageverfahren, die Kleinen gehen leer aus