Costa Cálida Nachrichten

Liebe Leser,

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jedes Jahr kurz vor dem 25. November besucht unser Ex-Fotograf Ángel García, jetzt Lehrer, verschiede­ne Schulen, um die Schüler zu impfen. Nicht etwa gegen Covid-19 oder Humane Papillomvi­ren, sondern gegen Machismo und die Gewalt gegen Frauen. Die Impfung tut weh. Sein Impfstoff sind Pressefoto­s, die die Morde von Männern an Frauen illustrier­en – Tatorte, Täter, Opfer, Angehörige, Freunde, Gedenkakte. Sie zeigen eine grausame Realität, die selbst die Coolsten in der Klasse verstummen lässt, wie er erzählt. Nur durch diese schockiere­nde Schonungsl­osigkeit lassen sich die Jugendlich­en erreichen, um sie gegen Machismo und Gewalt zu immunisier­en.

Seit 2007 begleiten Ángel die Gesichter der Opfer in der Provinz Alicante, und jedes Jahr kommen neue hinzu. Es ist eine Woche, die nicht nur ihn immer wieder aufs Neue runterzieh­t. Weil sich scheinbar nichts bessert. Auch in diesem Jahr sind bis November 38 Frauen von ihren Partnern oder Expartnern ermordet worden, zehn von ihnen in Andalusien. 26 Kindern wurde auf diese grausame Weise ihre Mutter geraubt. Seit 2003 sind in Spanien 1.171 Frauen Opfer von machistisc­her Gewalt geworden. 1.171. Jede mit einem Namen, einer Geschichte, viele mit Kindern. Seit 2013, als die Statistik eingeführt wurde, sind 347 Minderjähr­ige zu (Halb)Waisen geworden. 1.171 Frauen mit Zukunftswü­nschen und Hoffnungen, die ihnen brutal genommen wurden, weil sie eine Beziehung mit einem Mann eingingen, der sie als sein Eigentum betrachtet­e, die Trennung nicht akzeptiert­e, sie als minderwert­ig ansah oder an ihr seine Aggression­en ausließ. Dem Mord ging oft eine tägliche Hölle voraus.

Inmitten all dieser düsteren Statistike­n und erschütter­nden Schicksale keimt aber auch ein kleiner Funke Hoffnung. Ein Blick auf die Kurve zeigt ein langsames, aber stetes Sinken. Waren es vor 2010 teils noch über 70 Morde im Jahr, liegt der Schnitt seit 2016 bei 50. Noch immer unerträgli­ch, aber der Wandel hat eingesetzt. Durch mehr Gleichstel­lung, durch Erziehung und vielleicht auch durch die Impfung eines ehemaligen Fotografen.

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Anne Götzinger, Redakteuri­n

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