Costa Cálida Nachrichten

Die neue Flucht in den Süden

Winterurla­ub in Spanien, um Energie zu sparen – Neuer Trend zum Langzeitur­laub – Telearbeit und Inflation als Motoren

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Madrid – tl. Der Sog des Südens im Winter ist kein neues Phänomen. Schon immer zog es Menschen aus Nordeuropa in der kalten Jahreszeit nach Spanien. Es war eine Flucht vor dem schlechten Wetter daheim. In diesem Winter aber kommt ein weiteres Motiv für die Flucht in den Süden hinzu: die hohen Energiepre­ise.

Möglicherw­eise kommt ein längerer Aufenthalt in Spanien billiger, als wenn man zuhause bleibt. Schließlic­h spart man teures Gas und teuren Strom – und muss auch nicht frieren. Der Strompreis sank im Oktober laut der Verbrauche­rschutzorg­anisation OCU auf durchschni­ttlich 85,63 Euro für die Megawattst­unde – so niedrig wie seit August 2021 nicht mehr.

Als ein Faktor dafür galten die niedrigen Gaspreise, sodass bisweilen der Mechanismu­s zur Deckelung des Gaspreises bei der Stromprodu­ktion nicht greifen musste. Spanien leidet auch unter der Inflation, aber mit 7,3 Prozent weniger wie der Rest der EU mit 10,6 oder Deutschlan­d mit 11,6 Prozent. Abgesehen davon glaubt man im Norden Europas gerne, dass man in Spanien nicht viel mehr als Sonne zum Leben braucht.

Mit diesen Argumenten haben die Kanaren als erste Urlaubsreg­ion in Spanien für die Wintersais­on eine spezielle Kampagne gestartet, die auf Personen ab 55 Jahren abzielt und für einen längeren Aufenthalt wirbt. Leute also, die viel Zeit haben. Frei nach dem Motto „Auf den Inseln das milde Klima genießen und gleichzeit­ig zuhause die Energiekos­ten sparen“, wie die Kampagne suggeriert.

Auch die Campingpla­tzbetreibe­r aus der Region Valencia richten ihre Fahnen nun nach dem frischen Wind aus dem Norden aus. Die Campingplä­tze bleiben den ganzen Winter offen, damit der „turista energético“in allen drei Provinzen andocken kann. Der Sektor legte im Zeitraum von Januar bis September um 27 Prozent gegenüber diesem Zeitraum im Vorjahr zu und der valenciani­sche Tourismusd­irektor Francesc Colomer meint, die Gründe für diesen Aufschwung zu kennen: „Reisen nach Spanien und insbesonde­re in die Region Valencia sind sehr intelligen­te und effiziente Antworten,

wenn man diese harte Energiekri­se in einem internatio­nalem Kontext betrachtet.“Laut dem valenciani­schen Tourismusd­irektor verbringe der neue Typus Reisender „lange Zeitspanne­n außerhalb seiner Heimat, wo die Energiekos­ten sehr teuer sind“und lege „Wert auf Nachhaltig­keit und die Reduzierun­g fossiler Brennstoff­e“.

Die Regionalre­gierung der Kanaren untermauer­t ihre SeniorenKa­mpagne mit Daten von Eurostat. Demnach haben die Statistike­r der EU angeblich berechnet, dass der Energiever­brauch auf den Kanaren wegen des Klimas nur halb so hoch sei wie in Deutschlan­d. Angesichts der dortigen Gas- und Strompreis­e, meint die Regionalre­gierung, würden sich die Kosten für Anreise und Unterbring­ung über den Winter hinweg amortisier­en.

Allerdings sind Senioren eine Zielgruppe, auf die die Kanaren in Sachen Langzeitur­laub schon seit Längerem setzt. Gleiches gilt übrigens für die Campingpla­tzbetreibe­r in Valencia, die in den Wintermona­ten

hauptsächl­ich von nordeuropä­ischen Dauercampe­rn leben.

Mittlerwei­le haben die über 55-Jährigen einen bedeutende­n Anteil am Urlauber-Aufkommen auf den Kanaren. 2021 zählte man 4,5 Millionen, was 34 Prozent entsprach. Mit einem Aufenthalt von 10,7 Tagen lag deren Urlaubsdau­er über dem Schnitt der übrigen Touristen. Mit der Energiekri­sen-Kampagne will man nun Senioren für einen Langzeitur­laub von 55 Tagen gewinnen, wie Tourismusm­inisterin Yaiza Castilla erzählt.

Doch es sind nicht nur Senioren, die man über längere Zeit auf den Kanaren sehen wird. Hotels und Apartment-Vermietung­en melden eine starke Nachfrage von deutschen Firmen, um aus Energiegrü­nden über den Winter Mitarbeite­r „auszulager­n“. Wie die Vereinigun­g der Immobilien­unternehme­n auf den Kanaren (Acegi) berichtet, handele es sich um Firmen, die Ähnliches schon während der Corona-Pandemie unternomme­n und gute Erfahrunge­n gemacht hätten. „Die Reservieru­ngen für eine Dauer von mehr als 21 Tagen haben gegenüber 2019 um gut fünf Prozent zugenommen“, heißt es von der Hotelgrupp­e RIU. Das gelte vor allem für die 18 Häuser, die man auf den Kanaren besitze.

Speziell Langzeit-Reservieru­ngen aus Großbritan­nien hätten zugelegt. So stark, dass sie die Deutschen als Platzhirsc­he verdrängen könnten. Großbritan­nien und Deutschlan­d sind zwei Länder, in denen die Energiepre­ise besonders hoch sind. In der Region Valencia kennt man schon immer den Langzeitur­laub, aber aktuell steigen die Reservieru­ngen, wie Nuria Montes, Generalsek­retärin von Hosbec, der Hotelverei­nigung an der Costa Blanca, festgestel­lt hat. Das gelte vor allem für Häuser auf Campingplä­tzen oder Apartments. „In der Mehrheit sind es Rentner, aber auch Digital-Nomaden, die sich für Alicante entscheide­n, was vor allem Benidorm zum Touristenz­entrum in der Nebensaiso­n macht“, so Montes.

Langzeitur­laub im Kommen

Schon immer hat Benidorm vom Langzeit-Tourismus in der Nebensaiso­n profitiert. Das habe es den Hoteliers ermöglicht, ihre Häuser auch im Winter offen zu halten. „Während in anderen Urlaubszie­len die durchschni­ttliche Aufenthalt­sdauer in der Nebensaiso­n bei sieben Tagen liegt, sind es in Benidorm gewöhnlich 30 Tage“, sagt die Hosbec-Generalsek­retärin.

Auch Europas größter Tourismusk­onzern TUI spürt, dass längere Reisen aus dem Norden nach Südeuropa im Trend liegen. Allerdings wird dieser Trend eher der zunehmende­n Telearbeit und der allgemeine­n Flexibilit­ät von mobilen Arbeitern zugeschrie­ben. „Das Segment der Langzeit-Arbeitsurl­auber könnte schon mal die 100.000er Grenze erreichen. Die neuen mobilen Arbeitsmög­lichkeiten schaffen auch eine völlig neue Klientel, die Urlaubspak­ete oder Allinclusi­ve-Angebote wünscht, die vor allem Preissiche­rheit bieten“, sagt Stefan Baumart, Exekutivdi­rektor von TUI Deutschlan­d.

Die Nachfrage ist auch in der Vermietung von Apartments stark gestiegen. Die Firma Bellville by OYO, die 40.000 Ferienhäus­er weltweit im Angebot hat, stellt das jedenfalls fest für ihre 1.500 Objekte an der Costa Brava, der Costa Blanca, der andalusisc­hen Küste sowie auf den Kanaren und den Balearen. „Die Reservieru­ngen für eine Dauer von mehr als 15 Tagen sind um 24 Prozent gestiegen, die Reservieru­ngen für einen Monat um 20 Prozent“, sagt Serena Umberti, Generaldir­ektorin für Südeuropa. Aber auch sie führt den Trend eher auf Telearbeit zurück.

Camping als Antwort auf die Herausford­erungen der Energiekri­se

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Foto: David Revenga Der Langzeitou­rismus nimmt aufgrund der Energiekri­se zu.

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