Schmalzige Weihnachten
Estepa und Antequera sind die Zentren der Mantecado-Produktion in Spanien
Antequera – mar. Zucker, Mehl und Schweineschmalz ist das Trio infernale, aus dem mantecados gemacht werden. Die Legende besagt, dass irgendwann im 16. Jahrhundert südlich von Sevilla ein Weizenüberschuss bestand, und die Gefahr, dass mit dem feuchten Winter das Getreide verdirbt. Kurzerhand vermengten Bäcker das Mehl mit Zucker und Schmalz, buken es und siehe da, die „mantecados“, die „Schweineschmalzigen“waren geboren, als nahrhafte, bis zum Anschlag süße, unendlich haltbare „Leckerei“, die manche schlicht für einen schlechten Scherz oder, wegen ihrer zementartigen Konsistenz, für Spachtelmasse halten, die nur noch angerührt werden muss.
Süße Schinkenprobe
Es gibt aber auch andere historische Versionen. Eine spricht davon, dass Mandeln, Pistazien und Honig zu teuer wurden und die Schmalzgebäcke schlicht ein billiger Ersatz für Turrón und andere maurische Leckereien darstellen. Auch könnte es sich bei den Schweineschmalzbömbchen um die süße Variante der „Schinkenprobe“handeln, mit der man genau zu dieser Zeit tatsächlich feststellen ließ, ob ein converso, also ein zwangsweise zum Christen beglückter muslimischer oder jüdischer Spanier noch seinen alten Regeln folgt, die Schwein verbieten.
Wie auch immer sie entstanden, die „polvorones“, wie die bröseligsten mantecado-Brocken heißen, gehören seitdem an und unter jeden Weihnachtsbaum in Spanien und waren in Zeiten der Not nicht selten auch eiserne Kalorien-Reserve. Estepa
und Antequera kultivierten Vielfalt und Marken, hunderte saisonale Arbeitsplätze hängen an den Mantecado-Fabriken, die kurz nach dem Sommer mit der Produktion beginnen. Doch 2022 läuft der Absatz extrem schleppend, es sei zu
lange zu warm geblieben, klagen die Pulver-Bäcker, denn erst, wenn es kalt wird, bekommen die Spanier Lust auf die Häppchen mit gefühlten 3.000 Kalorien pro Kubikzentimeter. Auch würde die Inflation und die Energiekrise der Branche zusetzen. Wegen der allgemeinen Teuerung zögerten Käufer, für in Rotwein, Sherry, Anis oder Kakao getränkte, in Mandeln und Pistazien gewälzte Marken-Mantecados mehr Geld auszugeben als für das industrielle Einheitspulver der Supermärkte. Zudem sei die Stromrechnung in dem energieintensiven Prozess himmelschreiend, ebenso die Preise der Grundstoffe.
Absatz stockt wegen Wärme
Um die 25 bis 30 Prozent erhöhten einige Hersteller die Preise, das ist das Vierfache der Inflation und noch immer das Doppelte der Teuerung bei Lebensmitteln. So stellt sich mancher selbst ein Bein. 350 Tonnen will allein das Traditionsunternehmen „La Antequerana“in diesem Jahr absetzen, 5.300 Tonnen wollen die Hersteller in Antequera nördlich von Málaga insgesamt ausliefern, zwei Dutzend Betriebe gibt es hier. Noch bedeutender ist diese Industrie in Estepa, der Ort in der Provinz Sevilla reklamiert, die eigentliche Mantecado-Hauptstadt zu sein.
Doch in diesem Jahr werden ein Drittel Menschen weniger in den Fabriken und Manufakturen beschäftigt, nur rund 400, statt der 621 im Vorjahr. Auch in einigen der vielen Klöster der Gegend stellen Nonnen mantecados her und verkaufen sie, „um ihre Stromrechnungen und die Heizung zu bezahlen“, wie neulich dramatisch die Lokalpresse berichtete, weil die Bistümer ihre Nonnen weitgehend sich selbst überlassen. Die Einwohner kaufen darum aus solidarischen Gründen die Süßigkeiten direkt an den Klostertüren. Weil Weihnachten ist.