Lasst sie Fußball spielen
Auftakt der umstrittenen WM in Katar – Überraschung arabischer Teams
Doha – sk. Man hat die Weltmeisterschaft in Katar in Grund und Boden kritisiert – zurecht wegen der Verletzung von Menschenrechten und der Diskriminierung von Minderheiten. Schaltet man aber mal den abendländischen Tunnelblick ab, aus dem man dieses Event auf dem Scheiterhaufen westlicher Moralvorstellungen lodern sieht, und hält nach den schönen Seiten eines Sportfests von der Kategorie einer Weltmeisterschaft Ausschau, muss man doch klipp und klar sagen: Männer können noch Fußball spielen, zumindest die aus Saudi-Arabien. Was, wenn das die Weltmeisterschaft der afrikanischen und arabischen Länder werden würde – nicht nur aus sportlicher, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht?
So hat die iranische Nationalmannschaft aus Solidarität mit den Protesten und Protestierenden in ihrem Heimatland die Hymne nicht gesungen. Da gehört Mut dazu – verglichen mit einigen europäischen Kapitänen, die sich vor regenbogenfarbenen Armbinden fürchten. Aber in unseren Beschwerden, Klagen und Gejammere kommt halt keine Drag-QueenDiva an uns Europäer ran. Fußball aber ist ein Kontaktsport und nicht diese Persiflage auf den westlichen Kapitalismus, die europäische Männerligen seit Jahren aufführen.
Das beginnt den Argentiniern langsam zu dämmern. „Me quiero morir“– also „Ich will sterben“, schrie ein Kommentator nach dem Spiel gegen Saudi-Arabien ins Fernsehen. Und man sah die ersten Fernsehgeräte in argentinische Vorgärten fliegen. Ein WM-Boykott der weiblichen Fans aus Argentinien scheint jetzt weniger wahrscheinlich als ein baldiger Anstieg der Geburtenrate. War die WM früher nicht mal ein Fest, des Sports und der Völkerverständigung?
Zwei neugeschaffene Teams stehen sich mit Deutschland und Spanien in der Gruppe E gegenüber und treffen am Sonntag, 27. November, um 19 Uhr aufeinander. Aus sportlicher Sicht gibt es kaum einen Favoriten, und es verspricht ein spannendes Spiel zu werden. Dennoch gehen die Spanier mit einem klaren StimmungsVorteil in das Match. Das deutsche Team ist in heikle Debatten über irgendwelche Grundsätze verstrickt, die Rote Furie macht hingegen Fußball-Party.
Luis Enrique lässt seine Sixpacks spielen und bereitet sich auf die Zeit nach seiner Entlassung als Nationaltrainer vor. Der Mann wird ein Streamer als Fußballkommentator in Kanälen der Sozialen Medien. Der Nationalcoach kriegt schon jetzt den Mund nicht mehr zu und seine Spieler sieht man mehr bei gesellschaftlichen Acts als beim Training.
Die Zeitung „El País“zur WM:
„Es gibt jene, die die WM aus dem Augenwinkel angucken, und die, die sie boykottieren, sobald Spanien draußen ist. Einige gucken sie eingewickelt in eine Regenbogenflagge. Wir können die WM von Katar nicht boykottieren, weil wir vorher schon die Teilnahme Russlands boykottiert haben, wenn wir sie also jetzt ignorieren, wird Putin nicht so viel leiden, wie wir das gerne hätten. Wir würden unseren Boykott boykottieren.“