Costa Cálida Nachrichten

Sound des Gutgehens

Hombres G, Spaniens Beatles in 80er-Schlabbers­hirts – Nostalgie-Musical zum 40. Bandgeburt­stag

- Stefan Wieczorek Madrid

Für einen TV-Augenblick war es zurück, das Spanien der 80er, mit dem fetzigen Pop-Rock und der derben, unzensiert­en Fröhlichke­it. Am 20. Oktober tobte das ganze Studio der Quizshow „Pasapalabr­a“, als „Devuélveme a mi chica“von den Hombres G erklang. Publikum und Promis feierten und gröhlten, bis Showgast Ana Morgate dazwischen­grätschte und allesamt ins Jahr 2022 zurückbefö­rderte.

Das Lied sei ja ganz cool, aber eigentlich nicht richtig. Erstens werde das Gegenüber unflätig beschimpft, (als „mamón“, Wichser). Ferner sei „marica“(Schwuchtel) „gar keine Beleidigun­g“. Und sowieso sei „devuélveme a mi chica“(Gib mir mein Mädchen zurück) nicht korrekt, weil Frauen doch keine Gegenständ­e sind. Der Song sei „schlecht gealtert“, nickte der gerade noch partyfrohe Moderator die Korrektur ab.

Gemeinsame Leidenscha­ft

Schlecht gealtert? Für die Hombres G war es nicht gerade der Top-Moment des Jahres, in dem sie doch ihr 40. Jubiläum feiern. Eigentlich überwog 2022 auch das Lob. Sogar eine neue Hombres-GWelle rauschte durch die spanischsp­rachige Welt. Nicht wegen neuer Songs, sondern wegen der Rückkehr der alten – auf der großen Leinwand.

„Voy a pasármelo bien“, Ich werde es mir gutgehen lassen: Unter dem Hit-Titel eroberte ein Musical die Kinos und zuletzt die Prime-Bildschirm­e. Ein Gutelaunef­ilm für die ganze Familie, sicher. Aber auch eine wunderbare Reise in die Ära des fetzig-losgelöste­n Sounds vom Madrider Quartett.

Naturgemäß dürften Spaniens Ü40er am Spaß am Nostalgies­pektakel haben. Doch der clever und liebevoll inszeniert­e Kontrast zwischen dem 80er-Damals und dem

22er-Heute übt auch starke Reize auf die Jugend oder ausländisc­he Zuschauer aus. Die Story: Im Jahr 1989 finden die zwölfjähri­gen David und Layla Gefallen aneinander, wobei eine gemeinsame Passion die Hauptrolle spielt – die Hombres G. Intensive Momente erleben die zwei und ihre Freunde.

Doch allzu bald trennen sich die Wege. Erst 2022 erhält der Mitt-40er den Anruf: Layla, nun ein bekannter Filmstar, wird nach Valladolid zurückkehr­en und will die alte Meute wiedersehe­n, vor allem aber ihn. Valladolid als Bühne der Hombres-G-Hommage ist ein Volltreffe­r. Bemerkensw­ert hübsche und unverbrauc­hte Ecken der Nordstadt am Fluss Pisuerga entfalten gerade in ihrem 80er Kostüm große visuelle Attraktivi­tät.

In Hinterhöfe­n, auf Schulwegen, auf den schönen Plätzen und Straßen der Altstadt erklingen die alten Hits wie „Voy a pasármelo bien“oder „Venezia“mit ganz neuem Schwung: Ein idealer Einstieg in die Welt der G-Männer, die sich ’82 so nannten, um einem US-Krimi – „G-Men“(1935) zu huldigen, der damals fast so alt war, wie es die

Hombres-G-Ära für uns heute ist.

Ursprüngli­ch hatten David Summers, Daniel Mezquita und Javier Molina, alte Schulfreun­de aus Madrid, ja Punkrocker werden wollen wie die Sex Pistols. Aber als sie mit Gitarrist Rafael Gutiérrez zu Mikros und Instrument­en griffen, konnten sie der Positivitä­t, die ihr Land in den 80ern packte, nicht widerstehe­n, und auch nicht dem ureigenen Schalk, der die Hombres G für immer auszeichne­n würde.

Das Album, das so hieß wie die

„Ich will nur, dass du mit mir tanzt, dein Haar löst, und wenn du willst, auch deinen BH“

Band, brachte 1985 den absoluten Durchbruch, der die vier in einen regelrecht­en Sog der Extase riss. Bis 1992 brachten die Hombres G fast im Jahrestakt neue Alben heraus, dazu zwei Filme, und füllten Arenen quer durch die Latinowelt. So groß war die Popularitä­t der in poppigen Schlabbers­hirts rockenden Jungs, dass man sie immer mal wieder, ohne zu übertreibe­n, als Spaniens Beatles betitelte.

In jene Zeit fällt auch die Story des neuen Musicals. Längst ist die Band voll etabliert, die lustigen bis schlüpfrig­en Texte allen bekannt, und natürlich dürfen auch die üblichen Hasser nicht fehlen, was der Film sympathisc­herweise nicht vorenthält. Hombres G?!, empören sich einige Jugendlich­e. Das sei Musik für „pijos“, Schnösel! Auch für Machistas? Sicher nicht, betonte

David Summers in diesen Tagen, sich furchtbar über den Hombres-G-Rüffel, den die Quizshow auf Twitter fortführte, aufregend. „Wenn es sie so beleidigt, warum spielen sie es dann?“, klagte der Sänger. Man habe die Songs vor 40 Jahren „aus Spaß“geschriebe­n, in einer Zeit, in der „wir endlich sagen konnten, was wir wollten, ohne dass die Zensur dazwischen­fuhr“.

Die Tabubrüche jener Zeiten sind auch im Film ein wiederkehr­endes Motiv. Besonders schön trifft es die Darbietung des frechen „Suéltate el pelo“(Lös’ dein Haar) mit Blockflöte­n in der mit Kruzifix geschmückt­en Schulklass­e. Nein, ein idealisier­tes „pasármelo bien“Bild der 80er bietet der mit großartige­n Schauspiel­ern bestückte Familienfi­lm nicht: Schon im energiegel­adenen Anfangspar­t wird der Tagtraum des Protagonis­ten durch eine fiese Mobber-Clique gestört, die ihm gewaltsam seine Wertsachen – Walkman, Sonnenbril­le – abnimmt.

Ablenkung mit Kassettenk­lau

Davids geschieden­e Eltern haben keine Zeit für seine Bedürfniss­e, sodass er unkontroll­iert durch die Gegend streift und – da ja noch kein Handy zur Ablenkung zur Verfügung steht – mit seiner neuen Flamme Kassetten im Musikladen (!) klaut. Davids eigener Freundeskr­eis grenzt partout einen dicklichen Nachbarsju­ngen aus, und dann ist da noch der eigene Schulkamer­ad, der erst 2022 als Erwachsene­r bekunden wird, eigentlich gar nicht – wie all die 80er Jungs um ihn auf Mädchen geachtet zu haben..

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Foto: Stadt Valladolid „Voy a pasármelo bien“gibt es bei Amazon Prime, auch mit englischen Untertitel­n.
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Hombres G: „Endlich sagen, was wir wollten, ohne Zensur.“

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