Sound des Gutgehens
Hombres G, Spaniens Beatles in 80er-Schlabbershirts – Nostalgie-Musical zum 40. Bandgeburtstag
Für einen TV-Augenblick war es zurück, das Spanien der 80er, mit dem fetzigen Pop-Rock und der derben, unzensierten Fröhlichkeit. Am 20. Oktober tobte das ganze Studio der Quizshow „Pasapalabra“, als „Devuélveme a mi chica“von den Hombres G erklang. Publikum und Promis feierten und gröhlten, bis Showgast Ana Morgate dazwischengrätschte und allesamt ins Jahr 2022 zurückbeförderte.
Das Lied sei ja ganz cool, aber eigentlich nicht richtig. Erstens werde das Gegenüber unflätig beschimpft, (als „mamón“, Wichser). Ferner sei „marica“(Schwuchtel) „gar keine Beleidigung“. Und sowieso sei „devuélveme a mi chica“(Gib mir mein Mädchen zurück) nicht korrekt, weil Frauen doch keine Gegenstände sind. Der Song sei „schlecht gealtert“, nickte der gerade noch partyfrohe Moderator die Korrektur ab.
Gemeinsame Leidenschaft
Schlecht gealtert? Für die Hombres G war es nicht gerade der Top-Moment des Jahres, in dem sie doch ihr 40. Jubiläum feiern. Eigentlich überwog 2022 auch das Lob. Sogar eine neue Hombres-GWelle rauschte durch die spanischsprachige Welt. Nicht wegen neuer Songs, sondern wegen der Rückkehr der alten – auf der großen Leinwand.
„Voy a pasármelo bien“, Ich werde es mir gutgehen lassen: Unter dem Hit-Titel eroberte ein Musical die Kinos und zuletzt die Prime-Bildschirme. Ein Gutelaunefilm für die ganze Familie, sicher. Aber auch eine wunderbare Reise in die Ära des fetzig-losgelösten Sounds vom Madrider Quartett.
Naturgemäß dürften Spaniens Ü40er am Spaß am Nostalgiespektakel haben. Doch der clever und liebevoll inszenierte Kontrast zwischen dem 80er-Damals und dem
22er-Heute übt auch starke Reize auf die Jugend oder ausländische Zuschauer aus. Die Story: Im Jahr 1989 finden die zwölfjährigen David und Layla Gefallen aneinander, wobei eine gemeinsame Passion die Hauptrolle spielt – die Hombres G. Intensive Momente erleben die zwei und ihre Freunde.
Doch allzu bald trennen sich die Wege. Erst 2022 erhält der Mitt-40er den Anruf: Layla, nun ein bekannter Filmstar, wird nach Valladolid zurückkehren und will die alte Meute wiedersehen, vor allem aber ihn. Valladolid als Bühne der Hombres-G-Hommage ist ein Volltreffer. Bemerkenswert hübsche und unverbrauchte Ecken der Nordstadt am Fluss Pisuerga entfalten gerade in ihrem 80er Kostüm große visuelle Attraktivität.
In Hinterhöfen, auf Schulwegen, auf den schönen Plätzen und Straßen der Altstadt erklingen die alten Hits wie „Voy a pasármelo bien“oder „Venezia“mit ganz neuem Schwung: Ein idealer Einstieg in die Welt der G-Männer, die sich ’82 so nannten, um einem US-Krimi – „G-Men“(1935) zu huldigen, der damals fast so alt war, wie es die
Hombres-G-Ära für uns heute ist.
Ursprünglich hatten David Summers, Daniel Mezquita und Javier Molina, alte Schulfreunde aus Madrid, ja Punkrocker werden wollen wie die Sex Pistols. Aber als sie mit Gitarrist Rafael Gutiérrez zu Mikros und Instrumenten griffen, konnten sie der Positivität, die ihr Land in den 80ern packte, nicht widerstehen, und auch nicht dem ureigenen Schalk, der die Hombres G für immer auszeichnen würde.
Das Album, das so hieß wie die
„Ich will nur, dass du mit mir tanzt, dein Haar löst, und wenn du willst, auch deinen BH“
Band, brachte 1985 den absoluten Durchbruch, der die vier in einen regelrechten Sog der Extase riss. Bis 1992 brachten die Hombres G fast im Jahrestakt neue Alben heraus, dazu zwei Filme, und füllten Arenen quer durch die Latinowelt. So groß war die Popularität der in poppigen Schlabbershirts rockenden Jungs, dass man sie immer mal wieder, ohne zu übertreiben, als Spaniens Beatles betitelte.
In jene Zeit fällt auch die Story des neuen Musicals. Längst ist die Band voll etabliert, die lustigen bis schlüpfrigen Texte allen bekannt, und natürlich dürfen auch die üblichen Hasser nicht fehlen, was der Film sympathischerweise nicht vorenthält. Hombres G?!, empören sich einige Jugendliche. Das sei Musik für „pijos“, Schnösel! Auch für Machistas? Sicher nicht, betonte
David Summers in diesen Tagen, sich furchtbar über den Hombres-G-Rüffel, den die Quizshow auf Twitter fortführte, aufregend. „Wenn es sie so beleidigt, warum spielen sie es dann?“, klagte der Sänger. Man habe die Songs vor 40 Jahren „aus Spaß“geschrieben, in einer Zeit, in der „wir endlich sagen konnten, was wir wollten, ohne dass die Zensur dazwischenfuhr“.
Die Tabubrüche jener Zeiten sind auch im Film ein wiederkehrendes Motiv. Besonders schön trifft es die Darbietung des frechen „Suéltate el pelo“(Lös’ dein Haar) mit Blockflöten in der mit Kruzifix geschmückten Schulklasse. Nein, ein idealisiertes „pasármelo bien“Bild der 80er bietet der mit großartigen Schauspielern bestückte Familienfilm nicht: Schon im energiegeladenen Anfangspart wird der Tagtraum des Protagonisten durch eine fiese Mobber-Clique gestört, die ihm gewaltsam seine Wertsachen – Walkman, Sonnenbrille – abnimmt.
Ablenkung mit Kassettenklau
Davids geschiedene Eltern haben keine Zeit für seine Bedürfnisse, sodass er unkontrolliert durch die Gegend streift und – da ja noch kein Handy zur Ablenkung zur Verfügung steht – mit seiner neuen Flamme Kassetten im Musikladen (!) klaut. Davids eigener Freundeskreis grenzt partout einen dicklichen Nachbarsjungen aus, und dann ist da noch der eigene Schulkamerad, der erst 2022 als Erwachsener bekunden wird, eigentlich gar nicht – wie all die 80er Jungs um ihn auf Mädchen geachtet zu haben..