Nicht nur im Bund gesund
Möhren sind wahre Vitaminbomben und eines der vielseitigsten Gemüse
Sie hat nie den Ruhm einer Artischocke, zarter Bohnenkerne oder des Spargels erlangt. Und ihre Auftritte als Beilage auf den Speisekarten sind spärlich. Ihr sind keine Feste, Verkostungen oder Degustationsmenüs gewidmet. Und doch ist sie eines jener Gemüse, das in keinem Kühlschrank fehlen darf, das bei vielen Salaten, Suppen, Saucen oder Schmorgerichten auftritt: die Möhre.
In Südeuropa und Asien kann man häufig noch die wilden Vertreter der Daucus carota finden, was nahe legt, dass ihr Ursprung in beiden Kontinenten liegt. Der älteste Nachweis stammt jedenfalls aus Afghanistan, aber auch im Mittelmeerraum ist sie seit wenigstens zweitausend Jahren vertreten.
Maurisches Erbe
Die alten Griechen schätzten die Karotte ebenso wie die Römer, bei denen sie immer eine Rolle in der Ernährung spielte. In den berühmten Rezepten des Apicius empfehlen sich zahlreiche Zubereitungsarten, die mit vielen ihrer Bestandteile von den heutigen gar nicht so weit abweichen: gebraten mit Garum-Sauce und Wein; mit Salz, Olivenöl und Essig; gekocht mit Wein oder zum Beispiel mit Kümmel – wie Möhren heute noch in Nordafrika auf den Tisch kommen. Die Araber waren es auch, die die Möhren über Andalusien nach Spanien einführten.
Die andalusischen Möhren waren weiß, gelblich oder purpurrot – und übrigens im Mittelalter nicht besonders geschätzt. Die Blaublütigen hatten es nicht so mit dem Unterirdischen und fanden die Gelben Rüben schmutzig und unästhetisch. Sie bevorzugten Nahrungsmittel des Erdelements Luft und besonders auch Eier. Ein gewisser Florentin Thierriat behauptet in seinem „Discours de la préférence de la noblesse“aus dem 16. Jahrhundert gar: „Wir essen mehr Rebhühner und delikate Sachen als sie (die Nichtadligen), und das beflügelt unsere Intelligenz und unsere Sinne.“
Was er nicht wusste, war, wie gesund das Gemüse ist und dass sich das gemeine Volk mit den Rüben weitaus besser ernährte als seinesgleichen mit Pasteten.
Doch die Abneigung gegen Möhren und Konsorten sollte sich bald ändern. Die Pflanzen und Wurzeln kamen durch den italienischen Einfluss in Frankreich in Mode, und Adlige wie Bürgerliche begannen Obst und Gemüse zu kultivieren. Kein Geringerer als Luis XIV. befahl, in Versailles einen Garten mit dem raffiniertesten Gemüse anzulegen.
Vitaminbomben
Die Möhre aus der Familie der Doldengewächse ist ein ausgesprochen gesundes Gemüse, reich an wertvollen Mineralstoffen wie dem Spurenelement Selen, das unser Immunsystem stärkt, und Vitaminen sowie Ballaststoffen. Doch am Wichtigsten ist das Beta-Karotin. Kein anderes Nahrungsmittel kann ähnlich viel von diesem Provitamin A aufweisen, das unser Körper zu Vitamin A umwandelt. Es ist gut für Augen, Haut, Nägel und Haare. In größeren Mengen genossen, wie oft bei Babys der Fall, kann sich die Haut gelblich färben.
Dieses Antioxidans neutralisiert die freien Radikale und schützt dadurch vor Zellschädigung – vornehmlich Verursacher von Krebs und auch Arterienverkalkung. Am wirksamsten ist es, wenn wir das Gemüse roh verzehren. Doch damit das fettlösliche Vitamin A voll zum Einsatz kommt, sollte immer etwas Öl, Butter oder Sahne dabei sein.
Einkauf und Lagerung
Möhren gibt es das ganze Jahr über auf dem Markt. Im Frühling allerdings werden die jungen, süßen Bundmöhren mit ihrem – hoffentlich – frischen Grün angeboten. Dies gilt es rasch zu entfernen, weil es der Wurzel Feuchtigkeit entzieht. Bundmöhren sind nicht sehr lange lagerfähig und deshalb schnell zu verbrauchen.
Von schlaff aussehenden Exemplaren lassen wir beim Einkauf grundsätzlich die Finger, ebenso wenn sie in Plastik verpackt sind. Doch am besten ließe sich die Qualität anhand des inneren Kerns der Möhre, ihrem „Herz“, bestimmen. Dieses soll klein sein und in etwa dieselbe Farbe haben wie die Schale.
Grundsätzlich gilt: Je kräftiger orange die Möhre, desto mehr Beta-Karotin enthält sie. Ihre Farbe bekam sie allerdings erst im 19. Jahrhundert durch Züchtungsversuche der Holländer.
Übrigens: Ob Möhre, Karotte, Mohrrübe, Gelbe Rübe oder schweizerisch Rüebli – alle sind botanisch Sorten der Daucus carota. In Spanien werden sie nach ihrer Größe unterschieden.
Aufbewahrt werden soll das Gemüse nicht zusammen mit Obst wie Apfel, Pfirsich, Bananen, Melonen, weil sich die gasförmige Substanz Äthylen bilden kann, das die Möhren bitter macht.
Fitness-Drinks
Pikant: 2 mittelgroße Karotten aus dem Kühlschrank, 1 kleine Salatgurke, 1 kleine Tomate in den Entsafter geben, mit ein paar gehackten Blättern Basilikum (albahaca) garnieren.
Süße Variante: 1 Orange, 1 Möhre, 1/2 Mango, mit gehackter Zitronenmelisse (hierbaluisa) garniert servieren.
Möhren-Avocado-Salat
Für 4 Pers.: 500 g mittelgroße Möhren, 2 gestrichene TL Kreuzkümmelsamen (comino), 1 bis 2 kleine getrocknete Chilischoten, zerkrümelt (chile), Meersalz (sal marina) und frisch gemahlener schwarzer Pfeffer, 2 Knoblauchzehen (ajo, geschält), 4 Zweige frischer Thymian (tomillo, die Blätter sind abgezupft), natives Olivenöl extra (aceite de oliva virgen extra), Rotweinessig (vinagre de vino tin- to), 1 unbehandelte Orange (naranja, halbiert), 1 unbehandelte halbierte Zitrone (limón), 3 reife Avocados (aguacates), 4 Scheiben Ciabatta-Brot, 1 cm dick, 2 Hände voll Wintersalat wie Ruccola oder Radicchio, gewaschen und trockengeschleudert, 2 Schalen Kresse (berro), 150 g saure Sahne (nata agria), 4 EL verschiedene Samen (semillas, z.B. Sonnenblumen, Kürbis, Sesam etc.), geröstet
Backofen auf 180 Grad vorheizen. Die Möhren in kochendem Salzwasser zehn Minuten garen, bis sie fast weich sind, dann abtropfen lassen und auf ein Backblech legen.
Solange sie noch dampfend heiß sind, aromatisieren. Dazu Kreuzkümmel und Chili mit Salz und Pfeffer im Mörser zerstoßen. Knoblauch und Thymianblätter zufügen und ebenfalls zerreiben, bis eine Art Paste entstanden ist. So viel Olivenöl hinzufügen, dass die Paste gut bedeckt ist, dann einen kräftigen Schuss Essig zugießen. Umrühren und die noch dampfend heißen Möhren auf dem Blech mit der Paste überziehen.
Die Orangen- und Zitronenhälften mit der Schnittfläche nach unten auf das Blech setzen. Sie werden gemeinsam mit den Möhren gebacken, ihr Saft kann später als Grundlage für das Dressing dienen. Die Möhren 25 bis 30 Mi- nuten im Ofen goldbraun backen.
Inzwischen die Avocados halbieren, schälen und entsteinen, dann längs in Spalten schneiden und in eine große Schüssel legen. Die Möhren aus dem Backofen nehmen und zu den Avocados geben. Mit einer Küchenzange den Saft aus Orange und Zitrone in eine Schüssel pressen und die gleiche Menge natives Olivenöl extra sowie einen Spritzer Rotweinessig hinzufügen. Das Dressing salzen und pfeffern, dann über die Möhren und Avocados gießen. Den Salat durchheben und abschmecken. Ciabattascheiben in einer Grillpfanne rösten oder toasten. Das geröstete Brot in kleine Stücke reißen und zu dem Möhren-Avocado-Salat geben. Salatblätter und Kresse unterheben. Den Salat auf einer großen Platte oder Tellern anrichten. Einen schönen Klecks saure Sahne daraufgeben, die gerösteten Samen darüberstreuen und das Ganze noch mit etwas Olivenöl beträufeln.
Möhrensuppe mit Kokosmilch
Für 4 Pers.: 500 g Möhren (zanahorias, 50 g Frühlingszwiebeln (cebollas tiernas), 1 EL Pflanzenöl (aceite vegetal), 1 EL Curry, 800 ml Geflügelfond (caldo de ave), 300 ml ungesüßte Kokosmilch (leche de coco), Salz, frisch gemahlener weißer Pfeffer (pimienta blanca), eine Prise Cayenne (cayena), Zitronensaft (zumo de limón); zum Garnieren 12 Babymöhren (zanahorias baby), 80 ml halb steif geschlagene Sahne (nata montada), Petersilieblättchen (perejil)
Möhren würfeln, Frühlingszwiebeln putzen, waschen und grob hacken, dann in Öl anschwitzen. Die Möhren kurz mit angehen lassen und den Curry einrühren. Den Geflügelfond angießen, das Ganze zum Kochen bringen. Hitze verringern, Möhren zugedeckt garen, anschließend pürieren.
Kokosmilch glatt rühren, unter die Möhrenmasse ziehen. Mit Salz, Pfeffer, Cayenne und etwas Zitronensaft abschmecken und noch kurz köcheln lassen.
Auf vorgewärmte Teller verteilen. Die Sahne in einen Spritzbeutel mit Lochtülle füllen und auf jede Portion eine dekorative Schlangenlinie spritzen. Mit Babymöhren und Petersilie garnieren und sofort servieren.