Jugend zwischen Krise und Podemos
Junge Leute haben politische Ideale, schlechtbezahlte Jobs und Vorliebe für Soziale Netzwerke
Madrid – ck. Die Millennials ticken anders, titelte das Handelsblatt, weil die Generation der nach 1982 geborenen und im neuen Jahrtausend volljährig gewordenen jungen Leute mehr Wert auf Familie und ein gutes Leben denn auf Karriere legt. Die spanische Zeitung „El País“nennt sie „Die Krisengeneration“, weil sie erwachsen wurde, als die Immobilienblase platzte und Finanzmärkte und Wirtschaft krachten.
Acht Millionen Spanier, die heute zwischen 18 und 34 Jahre alt sind, wurden im Wohlstand geboren und mussten sich dann durch eine harte Realität kämpfen. Die Stiftung Procausa spricht von einem Kollektiv mit geplatzten Träumen. Einige haben die Herausforderung nicht angenommen und sind zu Ninis – Leuten, die nicht arbeiten und nicht studieren – geworden. Das hat der Generation auch den Stempel von verwöhnten Narzissten aufgedrückt.
Der Großteil gilt aber als anspruchsvoll, kritisch, und über soziale Netzwerke hochpolitisiert. Indigniert über die Auswirkungen der Wirtschaftskrise haben sie wenig Vertrauen in das bestehende politische System. Sie sind die Aktivisten der 15-M-Bewegung, aus der die linke Protestpartei Podemos hervorgegangen ist.
Umweltschutz, Toleranz und Solidarität sind ihnen wichtig. Sie wollen eine Arbeit, die ihnen Freude macht. Da schon keine hohen Löhne zu erwarten sind, soll es wenigstens keine Maloche sein, so die Kommentare von 24- und 25Jährigen, die „El País“zusammenfasst. Das Leben genießen, ist eine Prämisse. Die Umfrage des Observatorio de la Juventud ergab, dass die Familie, die Freunde, die Qua- lität der Arbeit, das Studium oder Sex wichtiger sind als Geld.
Auch der Kauf einer Wohnung oder eines Autos steht im Gegensatz zur Generation ihrer Eltern für sie nicht im Vordergrund. Entspre- chend haben Car-Sharing-Modelle mit leichter Verzögerung gegenüber Deutschland auch in Spanien Erfolg. Die Ausnahme sind Handys und Laptops, die werden nicht geteilt und sollten auf dem neuesten Stand sein. Sie lesen keine Zei- tung und gucken kaum Fernsehen, aber sie fühlen sich durchs Internet gut informiert.
Über die Hälfte hat studiert und eine gute Ausbildung. Trotzdem finden die meisten jüngeren unter ihnen nur Jobs, die unter ihrem Niveau liegen und schlecht bezahlt sind. 75 Prozent haben Kurzzeitverträge. Deshalb sind viele junge Leute in den vergangenen Jahren ausgewandert.
Laut Statistikamt (INE) lebten 2016 rund 2,3 Millionen Spanier im Ausland. Seit 2008 sind 800.000 Personen ausgewandert. Ein Drittel von ihnen war unter 30. Die Enkel gehen dieselben Wege wie ihre Großeltern, die in den 1960er Jahren auf der Suche nach Arbeit beispielsweise nach Deutschland ausgewandert waren.
Die Chance auszuwandern haben junge Leute aus einfachen Verhältnissen nicht. In den Boomjahren haben Hunderttausende Schule und Ausbildung abgebrochen, um auf dem Bau Geld zu verdienen. Jetzt stehen sie einer Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent gegenüber oder sind über 30 und indigniert.
Die Indignados (Empörten) gaben bei der Parlamentswahl 2015 ihre Stimmen Podemos oder der liberalen Ciudadanos. Im Juni 2016 enthielten sich viele enttäuscht der Stimme. Offenbar haben die neuen Parteien bei ihrem Eintritt ins spanische Parlament ihre Attraktivität eingebüßt.
Umweltschutz, Toleranz, Solidarität sind ihnen wichtig und eine Arbeit, die Freude macht