Morde begeistern Spanien:
Spanisch-deutsche Koproduktion verfilmt ersten Baztán-Thriller von Planeta-Preisträgerin Dolores Redondo
Thriller von Dolores Redondo wird verfilmt
Zwischen den nebelverhangenen, fast mystisch anmutenden Wäldern liegen sie wie Statuen aus weißem Marmor am Ufer des Flusses Baztán: drei junge Mädchen, erdrosselt, entblößt, die Hände in jungfräulicher Unschuld zum Himmel gerichtet, auf ihrem Intimbereich ein typisches Gebäckstück aus Navarra drapiert.
Dieses grausame Szenario begeistert derzeit ganz Spanien. Was so unvorstellbar klingt, ist der Anfang des Bestsellers „El guardián invisible“(Das Echo dunkler Tage) der spanischen Autorin Dolores Redondo, der jetzt verfilmt wurde und seit Anfang März die spanischen Kinos stürmt.
Und das Schrecken nimmt kein Ende. Die Bewohner von Elizondo, der kleinen Gemeinde in der nordspanischen Region Navarra, sind schockiert. Schon bald mun- keln sie, der Basajaun – ein haariges Biest aus der baskischen Mythologie – treibe in den Wäldern sein Unwesen. Inspectora Amaia Salazar von der Kriminalpolizei Pamplona dagegen sucht nach einem menschlichen Serienmörder, der Meister des Spurenverwischens ist. Für Salazar, die in dem Dorf am Fuße der Pyrenäen aufgewachsen ist, beginnt ein Kampf an zwei Seiten: Schon bald entdeckt sie, dass ihre Familie mit in den Fall verwickelt ist. Und so muss sie nicht nur so schnell wie möglich einen Serienmörder finden, ehe dieser erneut zuschlagen kann, sondern sich zugleich mit ihrer ungeliebten, vergessen geglaubten Vergangenheit beschäftigen.
Seit Dolores Redondo den ersten Teil ihrer als Baztán-Trilogie bekannten Buchreihe vor vier Jahren veröffentlich hat, kennt man die Gemeinde Elizondo im Norden Navarras nahezu überall auf der Welt. Jeder der drei Romane lan- dete in Spanien auf Platz eins der Bestsellerlisten, wurde über eine Million Mal verkauft und in über 30 Sprachen übersetzt, darunter zum Beispiel Deutsch, Englisch und Französisch, aber auch Chinesisch, Türkisch oder Vietnamesisch.
Und jetzt wurde der erste Teil der Trilogie verfilmt. Seit Anfang März ist „El guardián invisible“in den spanischen Kinos zu sehen. Der Film entstand als spanischdeutsche Koproduktion der spani- schen Produktionsfirmen Nostromo Pictures und Atresmedia Cine in Zusammenarbeit mit dem ZDF und arte sowie dem deutschen Produzenten Peter Nadermann. Nadermann, der schon für die Adaption der Millenium-Reihe des schwedischen Autors Stieg Larsson verantwortlich ist, soll sich die Filmrechte direkt nach der Veröffentlichung des Buches gesichert haben. Regisseur des Films ist Fernando González Molina, der bereits die erfolgreichen spanischen Kinoproduktionen „Palmen im Schnee“und „Drei Meter über dem Himmel“gedreht hat.
Dass die Autorin sich ausgerechnet die kleine Gemeinde im nordspanischen Navarra ausgesucht hat, ist kein Zufall. Sie selbst wurde 1969 in der baskischen Küstenstadt San Sebastián geboren und wohnt mittlerweile seit einigen Jahren in der Nachbarregion Navarra, ebenjener, die Schauplatz ihrer Krimireihe um Inspectora Salazar ist. „Es ist eine spannende Gegend und einer der Orte mit der magischsten Tradition Europas. Während der spanischen Inquisition haben dort die meisten Hexenverbrennungen und Prozesse gegen Hexerei stattgefunden. Die Legenden haben dort immer noch sehr viel Kraft und ihre Kultur ist sehr interessant“, erklärt Redondo auf ihrer Webseite.
Und so wird das Baztán-Tal mit seiner kleinen Hauptstadt Elizondo im Film immer wieder in Szene gerückt. Großaufnahmen
Bereits eine Millionen Mal verkauft und in über 30 Sprachen übersetzt
der altertümlichen Fachwerk-Häuser, die malerisch am Fluss Baztán liegen, wechseln sich ab mit Panoramaszenen der verregneten Landschaft des Baztán-Tales.
Dunkle Wälder, in denen die Nebelwolken sich nicht verziehen wollen, und immer wieder Starkregen, so präsentiert sich die Region Navarra. Aber gerade der sich nicht lichtende Nebel, der zwischen den Bergen und über dem Tal schwebt, als gehöre er zur Landschaft wie der Fluss Baztán, sorgt für die mystisch-geheimnisvolle Atmosphäre. Auch der Fluss spielt eine große Rolle im Film, schließlich inszeniert der Mörder seine Toten immer wieder an eben diesem. Und so schwenkt die Kamera stetig den Flusslauf des Baztán entlang.
Doch auch die alten Traditionen kommen nicht zu kurz. Das beste Beispiel ist Amaias Familie selbst. Ihre Schwestern leiten noch immer den Backbetrieb der Eltern, während Amaia selbst den Sprung in die moderne Welt geschafft hat, als Kommissarin. Dem gegenüber steht Amaias Tante, die als großer Fan der alten Legenden und TarotKarten die alteingesessenen abergläubischen Einwohner auf eine liebenswerte Art verkörpert wie niemand anders.
Für die historischen Teile des Romans hat Redondo nach eigenen Aussagen viel recherchiert, um die Legenden ihrer Heimat mit einbinden zu können. Auch die detaillierte Wiedergabe der Gegend ist ihr wichtig. Im Film setzen die Produzenten aber nicht nur auf den Drehort in Navarra, sondern auch auf Schauspieler aus dem Norden Spaniens. Marta Etura – sie spielt Inspectora Amaia – stammt wie die Autorin aus der baskischen Küstenstadt San Sebastián. Itziar Aizpuru, die Amaias Tante verkörpert, kommt ebenfalls aus dem Baskenland. Weitere Schauspieler sind Francesc Orella, Elvira Mínguez und Carlos Librado („Nene“).
Wie wichtig der Film für die Region ist, zeigte sich auf der Filmpremiere. Diese fand im Baluarte statt, der Kongress- und Veranstaltungshalle von Pamplona, der Hauptstadt von Navarra und Wahlheimat von Kommissarin Salazar. Bei der Premiere stellte Regisseur Fernando González Molina die entscheidende Rolle heraus, die der Region im Film zuteil wird. „Das Tal von Baztán verwandelt sich im Film in einen wichtigen Protagonisten.“
Das haben auch die Bewohner von Elizondo erkannt. Seit der Veröffentlichung des ersten Romans 2013 bieten Juan Mari Ondikol und Beatriz Ruiz de Larrinaga geführte Touren an, die auf den Spuren von Amaia Salazar wandeln. Die Touren führen über die im Film mehrfach gezeigte Brücke Muniartea zum Haus von Amaias Familie, dem Polizeirevier, dem Friedhof und dem Familienbetrieb, aber natürlich auch zum Flussufer des Baztán, wo die Leichen gefunden wurden. Gleich beim Kinostart Anfang März hatte der Film für Schlagzeilen gesorgt. Die baskische Schauspielerin Miren Gaztañaga, die in dem Film eine kleine Rolle hat, hatte sich in einem Interview des humoristischen Programms „Euskalduna naiz, eta zu?“(Ich bin baskisch, und du?) des baskischen Fernsehsenders ETB abfällig über Spanier geäußert und diese als „kulturell zurückgeblieben“bezeichnet. Daraufhin wurde über den Nachrichtendienst WhatsApp zum Boykott des Films aufgerufen und der Mörder und somit auch das Ende verraten. Nichtsdestotrotz haben bereits am ersten Wochenende über 1,2 Millionen Spanier den Film in den Kinos gesehen. Zugelassen ist er ab 16 Jahren.
In Spanien wird die Autorin, die ein großer Fan von Autoren wie Agatha Christie und P. D. James, aber auch Juan Rulfo ist, als „spanische Agatha Christie“bezeichnet. Für ihren zuletzt erschienenen Roman „Todo este te daré“(All das werde ich dir geben) erhielt sie im Oktober 2016 den Planeta-Preis, die am höchsten dotierte Auszeichnung für Literatur in spanischer Sprache.
Dass sie einmal eine so erfolgreiche Trilogie wie die BaztánReihe schreiben würde, danach sah es am Anfang ihrer Karriere gar nicht aus. Redondo studierte zunächst Jura, wechselte dann in die Gastronomie und führte einige Jahre ein Restaurant. Dann fing sie an, Kinderbücher zu schreiben, bevor sie schließlich zur Literatur für hartgesottenere Leser kam.
Auch wenn ihr letzter Roman aus der Baztán-Reihe tanzt, können sich die Fans auf weitere Kriminalfälle mit der Kommissarin aus Pamplona freuen. „Etwas Wunderbares ist geschehen: Meine Leser wollen mehr Fälle unter der Leitung von Amaia Salazar. Das ist ein großes Ding, weil auch ich mehr Fälle mit Amaia Salazar schreiben will! Ich habe auch schon mit der Recherche für ihren nächsten Fall begonnen“, freut sich die Autorin auf ihrer Webseite, auch wenn sie sich jetzt erst einmal anderen Geschichten widmen will, die schon seit einiger Zeit in ihrem Kopf schwirren. „Es werden auch Krimis, aber aus einer anderen Perspektive“, verrät die Autorin schonmal.
Über 1,2 Millionen Spanier sahen den Film am ersten Wochenende