Die „Märtyrer“aus Barcelona
Bevölkerung will keine Abspaltung – Regionalregierung braucht Verbot des Referendums
Barcelona/Madrid – ck. Die Mehrheit der Katalanen will mehr Eigenständigkeit der Region, aber keine Loslösung von Spanien. So zeigt es das Ergebnis einer Umfrage, die die Zeitung „El País“in Auftrag gegeben hat. Das deckt sich teilweise sogar mit Berichten des katalanischen Umfrageinstituts, die im Auftrag der Regierung von Carles Puigdemont erstellt wurden – und mit der Mehrheit der Wählerstimmen bei der vergangenen Landtagswahl. Die Zahl der Gegner der Unabhängigkeit wird besonders groß, wenn diese mit einem Austritt aus der EU einhergeht.
Puigdemont ist aber nicht allein in der Regierung und der Druck der radikalen Separatisten von CUP und ERC tut seine Wirkung. So wird am Referendum über die Unabhängigkeit für Ende September festgehalten, auch wenn dieses einseitig und nicht legal sein wird.
Unterdessen hat Regierungschef Mariano Rajoy mit seiner Stellvertreterin und Katalonienbeauftragten Soraya Sáenz de Santamaría Schritte zur Annäherung unternommen, auf einen grünen Zweig Richtung Lösung kommt seine Regierung aber nicht. Die Gerichte – das spanische Verfassungsgericht, aber auch das Oberlandesgericht in Barcelona – ahnden jeden Schritt der Sezessionisten für ein künftiges Referendum, so wie sie es auch bei der vergangene Bürgerbefragung getan haben. Die Gerichtsurteile erhöhen den Märtyrercharakter einiger katalanischer Politiker.
Es mehren sich deshalb die Stimmen, die ein legales Referendum in Katalonien begrüßen – in der Umfrage unterstützen 44 Prozent der Befragten diese Möglichkeit –, allerdings untersagt das die spanische Verfassung. Die müsste reformiert werden, was die konservative Regierung Rajoy ablehnt. Zudem bräuchte es Zeit.
Unter Zeitdruck gerät aber auch Puigdemont. Mindestens sechs Monate politischer und logistischer Vorbereitung halten Experten für notwendig. Es bleiben höchstens fünf. „El País“unterstellt im Leitartikel, Puigdemont wolle das Referendum gar nicht abhalten, sondern erreichen, dass es verboten wird. Eben wegen des Märtyrercharakters.
Einen Tiefschlag erhielt Puigdemont zudem aus den USA. Seine Werbetour Anfang April muss als gescheitert gelten. Der frühere Präsident Jimmy Carter unterstützt ein unabhängiges Katalonien nicht. Die Kosten für die Reise blieben nicht unkommentiert. Der Sprecher von Ciudadanos forderte Auf- schluss. Puigdemont mahnte zur Einheit, wenigstens innerhalb seines Bündnisses Junts pel Sí. Zwischen den Linksrepublikanern ERC und der neuen Convergència PDeCat kracht es derzeit ständig.
Während ERC die Umfrage in „El País“abtut, interpretieren die Sozialisten (PSC) das Ergebnis hoffnungsvoller. Organisationssekretär Salvador Illa sagte, die Bevölkerung in Katalonien wolle einen dritten Weg, der aus Dialog, Verhandeln und Paktieren zwischen spanischer und katalanischer Regierung besteht.