Barcelona sammelt sich nach dem Schock
Pfiffe gegen die Spitze des Staates bei der Demo – Zwist der Polizeieinheiten – Terroristen gehörten radikaler Sekte an
Barcelona – ck. Eine halbe Million Menschen hat in Barcelona am Samstag, 27. August, gegen den Terrorismus demonstriert. Was in erster Linie als Manifest der Ablehnung dschihadistischer Gewalt nach den Attentaten zehn Tage zuvor galt, nutzten Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens indes für ihre Belange. Sie begrüßten das spanische Staatsoberhaupt, König Felipe VI., und den Regierungschef Mariano Rajoy mit Pfeifkonzerten.
Katalanische Flaggen, eine Flut von Plakaten – für Frieden, gegen Waffenhandel, gegen Islamophobie – und „König raus“-Rufe taten der Hauptbotschaft jedoch keinen Abbruch: „Ich habe keine Angst“vor islamistischem Terror.
Am Sonntag starb die 51-jährige deutsche Touristin, die am 17. August auf der Rambla überfahren worden war und seitdem im Koma lag. Damit erhöht sich die Zahl der Todesopfer auf 16. Sechs Verletzte befinden sich immer noch in kritischem Zustand.
Der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont hatte in einem Interview mit der „Financial Times“Mariano Rajoy vorgeworfen, aus politischem Kalkül an Sicherheitsmaßnahmen zu sparen. Katalonien wollte die autonomen Polizeieinheiten, die Mossos d‘Esquadra, verstärken und ihre Aufnahme in Europol erreichen. Beides war abgelehnt worden.
Mossos-Chef Josep Lluís Trapero, der die Aktionen zur Zer- schlagung der Terrorzelle geleitet hatte, geht es vor allem um einen verbesserten, auch internationalen Informationsfluss. Dafür müssten Guardia Civil, Nationalpolizei und Mossos enger zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, sagte hingegen der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido. Die Polizei müsse klären, wie es möglich war, dass die Terroristen 120 Gasflaschen zusammentragen konnten oder der wegen Drogenhandel vorbestrafte Abdelbaki El Satty Imam in Ripoll werden konnte.
Was die Kontrolle der Terrorzelle erschwerte, war deren Zugehörigkeit zur Sekte Takfir Wal Hijra (Buße und Auswanderung). Diese ultraradikale salafistische Bewegung im Untergrund zeichnet sich durch perfekte Anpassung aus. Ihre Mitglieder dürfen Schweinefleisch und Alkohol zu sich nehmen, müssen weder Bärte noch traditionelle Kleidung tragen. Der spanische Geheimdienst CNI hatte vor zehn Jahren gewarnt, dass sie sich in Spanien verbreiten. Beim Attentat in Madrid 2004 waren Sekten-Anhänger beteiligt.