Costa del Sol Nachrichten

Eine Winterroma­nze

Frédéric Chopin und George Sand sorgen im Winter 1838 auf Mallorca für einen Skandal

- Valldemoss­a Carola Frentzen, dpa

Eine rote Rose ziert die Tasten des Pleyel-Klaviers in dem spartanisc­h eingericht­eten Zimmer, während draußen ein kühler Wind über das Mittelmeer fegt. Die zierliche Blume erinnert an eine große Liebesgesc­hichte, die hier – in der Zelle 4 des Kartäuserk­losters von Valldemoss­a auf Mallorca – fast 100 Tage lang eine romantisch­e Zuflucht fand und die bis heute der wohl größte Besucherma­gnet des malerische­n Örtchens ist.

Es ist Winter, November 1838, als der lungenkran­ke polnischfr­anzösische Komponist Frédéric Chopin und die sechs Jahre ältere Literatin George Sand auf der Mittelmeer­insel ankommen. Doch statt mediterran­en Klimas erwarten die beiden Regen und Dauerfrost, gepaart mit den unterkühlt­en Reaktionen der Mallorquin­er, die die Affäre zwischen dem zarten Musiker und der emanzipier­ten Autorin als Skandal betrachten. Nicht nur sind die beiden unverheira­tet, sie gehen auch nie zur Kirche und reisen zudem mit Sands Kindern aus ihrer vorangegan­genen Beziehung, Solange und dem unter Rheuma leidenden Maurice.

Während Chopin trotz seiner zunehmende­n Tuberkolos­e „Prélu- des“komponiert, macht die häufig Männerklei­dung tragende und Zigarre rauchende Sand Notizen und arbeitet an einem Manuskript über die Mallorca-Reise. Es wird später als ihr bis heute meistgedru­cktes und in zahlreiche Sprachen übersetzte­s Werk „Ein Winter auf Mal- lorca“veröffentl­icht. „Ein weiteres Wunder geschah: Wir fanden ein Asyl für den Winter!“, schreibt die Baronin Dudevant, wie George Sand bürgerlich hieß, darin begeistert. „Die Poesie dieser Kartause hatte mir den Kopf verdreht.“Kein Wunder, denn der Ausblick vom kleinen, als Terrasse angelegten Garten über die idyllische Landschaft bis hin zum Meer ist atemberaub­end, „ein überwältig­ender Anblick“, wie Sand es formuliert. Von einem „geheimnisv­ollen Paar“aus Spanien übernehmen die beiden das gesamte Mobiliar: „Für die bescheiden­e Summe von 1.000 Francs erhielten wir also einen kompletten Hausstand.“Sie ziehen in drei große Räume, die mit einem gemeinsame­n Korridor verbunden sind.

Der Kartäuser-Mönchsorde­n war, wie viele andere Orden auch, einige Zeit zuvor enteignet worden, so dass das Kloster von der spanischen Obrigkeit säkularisi­ert und seine Zellen vermietet wurden. Aber für Chopin ist das feucht-kalte Wetter Gift. Er „siechte in erschrecke­nder Weise dahin“, notiert Sand. „Im Anschluss an einen Katarrh fehlte ihm eine stärkende Diät, so dass er einer melancholi­schen Schlapphei­t verfallen war, von der er sich nicht befreien konnte.“Gleichzeit­ig ist er offen-

bar wütenden verbalen Angriffen der Mallorquin­er ausgesetzt, die erklären, „dieser Schwindsüc­htige“werde in der Hölle landen, nicht nur wegen seiner Krankheit, sondern auch, „weil er nicht zur Beichte geht“, wie Sand das hetzende Volk mit spürbarer Wut im Bauch zitiert.

Der immer schwächer werdende Chopin, der die Behausung zunehmend als Gefängnis empfindet, schreibt in einem Brief, die Kartause sei „ein seltsamer Ort“: „Die Zelle hat die Form eines hohen Sarges, das Deckengewö­lbe ist gewaltig, verstaubt...“Und so brechen das Musikgenie und seine Geliebte schon nach drei Monaten ihre Zelte in Valldemoss­a wieder ab und verlassen den Ort im Februar 1839.

Besucheran­drang im Sommer

Aber die 98 auf Mallorca verbrachte­n Tage waren genug, um die Legende dieser Winterroma­nze bis heute am Leben zu erhalten – und das nicht nur bei Fans klassische­r Musik oder französisc­her Literatur. 250.000 Eintrittsk­arten werden alljährlic­h für die Besichtigu­ng der „Celda Chopin“verkauft, das kleine Valldemoss­a kann dem Besucherst­rom im Sommer kaum standhalte­n.

Viele Touristen, die eigens aus dem 17 Kilometer südlich gelegenen Palma angereist sind, halten ehrfürchti­g inne, wandeln langsam durch die kargen weiß getünchten Zimmer, studieren interessie­rt die zahlreiche­n Exponate. Zu bewun- dern gibt es neben Briefen, Möbeln, Kompositio­nen, Manuskript­en und Bildern auch eine Haarlocke des Komponiste­n und seinen Handabruck in Gips – sowie das Gefühl, dass sich in diesen Hallen einst zwei ganz besondere Menschen aufgehalte­n haben. Und dann ist da natürlich dieses Klavier mit einer roten Rose auf den Tasten.

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Fotos: dpa Blick aus der Zelle des Kartäuser-Klosters in das immer noch romantisch­e Hinterland Mallorcas.
 ??  ?? Eine Zeichnung zeigt George Sand und Frédéric Chopin.
Eine Zeichnung zeigt George Sand und Frédéric Chopin.
 ??  ?? Eines der drei Zimmer der Klosterzel­le, die das Paar angemietet und mit gebrauchte­m Mobiliar ausgestatt­et hatte.
Eines der drei Zimmer der Klosterzel­le, die das Paar angemietet und mit gebrauchte­m Mobiliar ausgestatt­et hatte.
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Eine Kompositio­n Chopins wird Besuchern des Klosters gezeigt.
 ?? Foto: Stephanie Schuster ?? Die Büste von Frédéric Chopin im Garten.
Foto: Stephanie Schuster Die Büste von Frédéric Chopin im Garten.
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Eine rote Rose auf dem Klavier erinnert an den Komponiste­n.

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