Vergewaltigung oder Missbrauch
Fünf Männer vergehen sich an einem 18-jährigen Mädchen. Die Richter erkennen zwar einen Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung, aber keine Vergewaltigung beziehungsweise sexuelle Aggression. Der Grund liegt im spanischen Strafrecht. Demnach hängt eine Vergewaltigung – violación – mit Gewalt oder Bedrohung zusammen, sexueller Missbrauch oder Nötigung vollzieht sich ohne Gewalt, aber gegen den Willen des Opfers. Erschwerend kann – wie im Manada-Fall bis zu elfmal – die Penetration hinzukommen. Daher die für den Straftatbestand des Missbrauchs gemäß Artikel 181.3 des Código Penal hohe Strafe von neun Jahren.
Für weite Teile der Öffentlichkeit ist der Fall klar, nämlich Vergewaltigung. Den Richtern wird angelastet, dass sie die Situation des Opfers gar nicht berücksichtigen, etwa das bei Gruppenvergewaltigung häufig ausge- prägte Ohnmachtsgefühl. Eigentlich verständlich, dass die Frau so eine gewaltige physische Überlegenheit über sich ergehen ließ.
Andere EU-Länder schützen Opfer besser. In Deutschland etwa spricht der Artikel 177 des Strafgesetzbuchs, der im Zuge der „Nein ist Nein“-Debatte und der Silvester-Übergriffe von 2015/16 verschärft wurde, von sexueller Aggression, falls das Opfer gegen oder ohne Willen zum Sex gezwungen wird. (sk)