Proteste gegen Manada-Urteil
Missbrauch statt Vergewaltigung – Bevölkerung und Justizminister empört über Entscheidung der Richter
Pamplona/Madrid – Keine Vergewaltigung, sondern nur sexueller Missbrauch: Die Richter des Oberlandesgerichts Navarra haben am Donnerstag jeden der fünf Angeklagten im Manada-Prozess zu neun Jahren Haft verurteilt. Seit der Urteilsverkündung reißen die Protestkundgebungen und die Kritik an der Justiz in ganz Spanien nicht ab.
Die Richter hatten im Fall einer mit dem Handy aufgezeichneten Gruppenvergewaltigung einer 18jährigen Frau durch fünf Männer nicht auf Vergewaltigung (sexuelle Aggression) befunden, sondern wiederholten sexuellen Missbrauch geltend gemacht. Die Gegenwehr des Opfers, das in eine Art Schockstarre verfallen war, blieb aus. Die Aggressoren mussten also keine Gewalt anwenden. Ein Richter plädierte gar auf Freispruch, wurde aber überstimmt. Statt der von der Staatsanwaltschaft geforderten 23 Jahre Haft wegen Vergewaltigung kommen die Täter mit neun Jahren davon.
Die Gruppe junger Männer aus Sevilla, darunter ein Polizist und ein Militär, war als „La Manada“(Das Rudel) bekannt und sitzt seit den San-Fermín-Feiern im Juli 2016 in U-Haft. Ihre Anwälte legen gegen das Urteil Berufung ein. Die junge Frau tut das auch.
In der Bevölkerung hat die Klassifizierung der Tat (siehe Hintergrund) durch die zwei Richter und eine Richterin für Empörung gesorgt. Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau sagte auf der dortigen Demo: „Das Urteil spiegelt den Machismo in unserer Gesellschaft wider.“Damit steht sie nicht allein. Maria Dolores de Cospedal, Verteidigungsministerin und Vorsitzende der konservativen Volkspartei (PP), hält es im Namen der Regierung für nötig, die Definition von Vergewaltigung im Strafgesetzbuch zu verschärfen.
Justizminister Rafael Catalá geriet in die Schusslinie der Justiz, weil er die Richter kritisierte und die Gewaltenteilung torpedierte. Catalá hatte dem Obersten Justizrat (CGPJ) empfohlen, den Richter Ricardo González, der auf Freispruch plädierte, weil er die Tat für eine „Gaudi“hält, zu überprüfen, zumal er „ein spezielles Problem“habe. Weitere Erklärungen blieben aus.
Alle Richtervereinigungen und auch die Staatsanwälte fordern Catalás Rücktritt. Der Sprecher der „Richter für die Demokratie“, Ignacio González, warf der Regierung außerdem Populismus vor. Das Strafgesetz muss nicht reformiert werden. Die Richter hätten die fünf Männer durchaus wegen sexueller Aggression (Vergewaltigung) verurteilen können.
Richter González hat seinen Standpunkt auf 237 von 271 Seiten des Urteils erklärt. Zusammengefasst ist er der Meinung, man dürfe „nicht der unberechenbaren Meinung der Öffentlichkeit folgen und muss gegen den Strom schwimmen“. Tatsächlich hatte die Mehrheit der Bevölkerung die fünf Männer schon vor Prozessbeginn für schuldig erklärt.
Proteste gehen weiter
Die Empörung über den Fall – die Männer hatten die Tat aufgezeichnet und per Whatsapp wie eine Glanzleistung verbreitet – war nicht nur in Pamplona von Beginn an groß gewesen. Zum Teil war auch der enorme Zulauf an diesem 8. März, dem Weltfrauentag, in ganz Spanien Zeichen einer sich wandelnden Mentalität: Spanien will nicht länger ein Macho-Land sein. Die Proteste gegen das Urteil gehen weiter.
Ada Colau: „Urteil spiegelt den Machismo in unserer Gesellschaft wider“