Mit Hut und Stiel
Nach vielen Durstjahren erwarten Pilzsammler eine gute Saison – Ein Überblick über Speisepilze und deren giftige Kollegen
Alicante – lk/ann. Endlich mal wieder eine gute Saison. Darüber freuen sich Pilzsammler nach den üppigen Regenfällen auch im Süden Spaniens. In den vier Jahren davor hatte die Trockenheit viele Pilzfreunde gezwungen, für ihr Hobby in regenreichere Gegenden wie Teruel und Cuenca auszuschwärmen. Denn: Damit die Pilze ordentlich wachsen können, brauchen sie einen sehr feuchten Boden. Dazu muss es zuvor einige Tage in Folge geregnet haben. Danach brauchen sie noch rund 21 Tage, um aus dem Boden zu sprießen. Der Níscalo (Edel-Reizker) allerdings lässt sich Zeit, er zeigt seinen Hut erst nach 40 Tagen.
Bei niedrigen Temperaturen ohne starke Schwankungen, ohne Frost, wenig Sonne und Wind gedeihen Pilze am besten. Ihren Höhepunkt erreicht die Pilzsaison in Valencia, Murcia und Andalusien in diesem Jahr Anfang November.
Welcher gehört auf den Teller?
Speisepilze können gegart oder gekocht eine Delikatesse sein, jedoch gibt es nach wie vor eifrige Sammler, die giftige von ungiftigen Exemplaren nicht unterscheiden können. Wer einen Pilz nicht eindeutig bestimmen kann, sollte ihn auf keinen Fall essen. Einer der am häufigsten vorkommenden Giftpilze in Spanien ist der Amanita muscaria (Fliegenpilz). Er hat psychotrope Eigenschaften, sein Verzehr kann zu schweren Vergiftungen führen.
In Castellón haben die starken Regenfälle Mitte Oktober zu einer wahren Fülle des hochgiftigen Lepiota brunneoincarnata (Fleischrötlicher Giftschirmling) geführt. Vor allem im Gebiet Pinar del Grao hat die Mykologische Vereinigung von Castellón (Asmicas) viele Exemplare gesichtet. Sie warnt Sammler dringend vor dem Giftpilz, dessen Amatoxine schon in geringen Mengen organschädigend wirken können, ein Verzehr kann in wenigen Stunden zum Tod führen.
Hochgiftig ist auch der Amanita phalloides (Grüner Knollenblätterpilz). In Spanien sind die meisten Pilzvergiftungen auf den Genuss des Grünen Knollenblätterpilzes zurückzuführen. Sein Gift kann einen Menschen in nur wenigen Stunden töten. Auch der Boletus satanás (Satans-Röhrling) ist hochgiftig. Wer ihn isst, bekommt oft Magenschmerzen, Fieber und muss erbrechen. Der Cortinarius (Blaustiel-Schleimfuß) gehört genauso wenig auf den Teller wie seine anderen ungenießbaren Kollegen. Er ist extrem giftig, sodass Vergiftungserscheinungen sogar noch eine Woche nach dem Verzehr auftreten können.
In einigen Gegenden können unterschiedliche Pilzarten vorkommen, die sich sehr ähnlich sind. Speisepilze, die man aus gewohnten Gefilden gut kennt, können hierzulande giftige Doppelgänger besitzen.
Als Speisepilze werden Pilze bezeichnet, die für den Menschen genießbar sind. Sie sind kalorien-
arm, da sie kaum Fett oder Kohlehydrate enthalten. Wegen ihres Eiweiß-, Vitamin- und Mineralstoffgehalts sind sie für die menschliche Ernährung sehr interessant. Im Unterschied zu Pflanzen besteht bei Pilzen das stützende Zellgerüst aus Chitin, weshalb sie teilweise schwer verdaulich sind.
Kochen, braten oder trocknen
Alle Speisepilze können nach ausreichendem Garen genossen werden. Einige Arten, wie der Amanita pantherina (Pantherpilz), sind roh giftig und wieder andere können in Kombination mit Alkohol zu Beschwerden führen.
Speisepilze sollten stets frisch verarbeitet werden, da sich ihr Eiweiß schnell zersetzt und sie dadurch unbekömmlich oder gar giftig werden können. Der Verzehr von verdorbenen oder ungenügend erhitzten Speisepilzen kann zu einer Pilzvergiftung führen. Diese „unechten Pilzvergiftungen“sind weitaus häufiger als echte, durch Giftpilze verursachte. Werden die Pilze jedoch im Kühlschrank aufbewahrt, wird die Zersetzung des Eiweißes verlangsamt.
Man sollte aber beachten, dass die Inhaltsstoffe von Wildpilzen oft noch nicht ausreichend erforscht sind und nicht eindeutig ist, ob bei der Lagerung und beim Aufwärmen ungenießbare Inhaltsstoffe entstehen. Auch können einige Pilze in Kombination mit Alkohol zu Gesundheitsproblemen führen.
In Spanien sorgen Pilze wie der Champiñón silvestre (WiesenChampignon), Amanita casarea (Kaiserling), der Boletus edulis (Gemeiner Steinpilz) oder der Lactarius deliciousus (Edel-Reizker), der hierzulande auch Níscalo oder Rovelló genannt wird, für besondere Geschmacksnoten.
Dabei reichen die Aromen von würzig und scharf bis zu mild-aromatisch oder fad. Je nach Art des Pilzes, bietet es sich an, ihn zu braten, zu kochen oder zuerst zu trocknen. Speisepilze können eingeweicht oder gemahlen als Zutat oder Gewürz dienen.
Ein wahrer Experte beim Zubereiten schmackhafter Pilzgerichte ist der Koch Iván Sastre. Er ist Mitinhaber des Hotels Bandolero in Júzcar (Málaga), wo er auch hinter dem Herd steht. Sastre vertritt die Philosophie „Gastronomía Kilómetro 0“, was bedeutet, dass er auf lokale Produkte setzt.
Pilzfans gibt Sastre folgende Tipps: Um zu vermeiden, dass Pilze bei der Zubereitung schleimig werden, sollten Huthaut und Lamellen zuvor entfernt oder die Pilze erst getrocknet werden. Nach gründlichem Säubern und Blanchieren lassen sich alle Speisepilze einfrieren. Getrocknet können sich Pilze bis zu einigen Jahren halten, besonders dafür geeignet sind Steinpilze.
Beim Pilzesammeln ist die richtige Ausrüstung das A und O. Da Pilze druckempfindlich sind und bei zu viel Feuchtigkeit schnell verderben, sollten sie stets in geräumigen Behältern wie Körben gesammelt werden. Ein scharfes Messer wird zum Ernten und Putzen benötigt.
Zum Reinigen ist eine spezielle Pilzbürste ideal. Auch ein praxisorientiertes Pilzbestimmungsbuch sollte mitgenommen werden, um so Speisepilze von giftigen oder ungenießbaren unterscheiden zu können. In einigen Pilzen, die bis vor kurzem als hervorragende Speisepilze galten, sind in letzter Zeit giftige Inhaltsstoffe gefunden worden. Deshalb sollte man immer auf die aktuellsten Informationen zurückgreifen.
Es empfiehlt sich, Papier und Stift dabei zu haben, um sich die GPS-Daten der guten Standorte notieren zu können. Man sollte vermeiden, Pilze an Straßenrändern zu sammeln, da sie von Schwermetallen belastet sein können.
Nur junge Exemplare
Es lohnt sich, nur junge oder weitgehend unversehrte Pilze zu sammeln. Ältere Exemplare sind häufig von Maden befallen, haben einen schlechteren Geschmack und zerfallen sehr schnell. Zu junge Fruchtkörper hingegen lässt man lieber stehen, da hier ein hohes Verwechslungsrisiko besteht. Sobald die Pilze gesammelt sind, ist es wichtig, dass sie sofort gereinigt werden. So sollten Stielansatz, madige Stellen, Schnecken, Blätter, Erde und Nadeln und eventuell auch Huthaut und Lamellen beziehungsweise Röhren entfernt werden.
Kann ein Pilz nicht eindeutig bestimmt werden, sollte er herausgedreht werden, möglichst ohne das im Boden befindliche Myzel, die fadenförmigen Zellen des Pilzes, zu zerstören. Auch der Stielansatz kann wichtige Hinweise auf die Art geben.
Pilze müssen nicht unbedingt mit einem scharfen Messer abgeschnitten werden. Doch es ist ratsam, sie vorsichtig aus dem Boden zu drehen. Unerfahrene Pilzsammler sollten nach dem Sammeln einen Experten bitten, die Pilze zu beurteilen.