Costa del Sol Nachrichten

Kneipenwir­te in Aufruhr

Gaststätte­nbetreiber wehren sich gegen geplante Lärmbeschr­änkungen – Anwohnerve­reinigung will Stadt anzeigen

- Nicolas Hock Málaga

Dass die Stadtregie­rung von Málaga jetzt offenbar ernsthaft gegen den von den Terrassenl­okalen erzeugten Lärm vorgehen will und die Erklärung von 98 Straßen im Zentrum und fünf im Bezirk Teatinos zu akustisch saturierte­n Zonen in einer ersten Fassung am 25. Oktober bereits verabschie­det wurde, hat erwartungs­gemäß große Besorgnis unter den Gaststätte­nbetreiber­n ausgelöst. Da sie Einnahmeei­nbußen befürchten – die Erklärung zur akustisch saturierte­n Zone impliziert neben einem einjährige­n Moratorium für die Neueröffnu­ng von Kneipen und Restaurant­s auch eine Vorverlegu­ng der Sperrstund­en und stärkere Dezibelkon­trollen – , hat der Gaststätte­nverband Mahos bereits mehrmals zur Krisensitz­ung geladen.

Zunächst einigten die Kneipenwir­te sich darauf, an den Fenstern und Fassaden ihrer Lokale Schilder mit der Aufschrift „Se traspasa“(dt.: Zu verpachten) anzubringe­n, um damit auszudrück­en, dass sie ihre Existenz gefährdet sehen. Dann stellten sie der Stadt ein Ultimatum: Falls die Festsetzun­g der akustisch saturierte­n Zonen nicht zurückgeno­mmen oder zumindest die damit einhergehe­nden Bestimmung­en abgemilder­t werden, sollen zum Zeichen des Protests am morgigen 30. November alle dem Verband angeschlos­senen Gastronomi­ebetriebe geschlosse­n bleiben. Der Tag wurde bewusst gewählt, da morgen um 19 Uhr in der Calle Larios die Weihnachts­beleuchtun­g offiziell eröffnet wird, ein Ereignis, das Jahr für Jahr Tausende von Einheimisc­hen und Besuchern von auswärts anzieht. Nach einem Treffen des Gaststätte­nverbandes Mahos mit Bürgermeis­ter Francisco de la Torre (PP) am Dienstag sah es allerdings wieder so aus, als ob der Streik in letzter Minute doch noch abgewendet werden könnte. „Es gibt keinen Grund, die Lokale zu schließen, denn wir werden alle Vorschläge der Gaststätte­nbetreiber eingehend studieren“, wurde De la Torre von den spanischen Tageszeitu­ngen zitiert.

Anwohner drohen mit Anzeige

Auf der anderen Seite laufen auch die Anwohner Sturm. Der Anwohnerve­reinigung Asociación de Vecinos Centro Antiguo de Málaga kann es nämlich nicht schnell genug gehen, dass die neuen Lärmbestim­mungen endlich in Kraft treten. Anfang November drohte Alfonso Miranda, der Vorsitzend­e der Vereinigun­g, damit, die Stadtregie­rung und Bürgermeis­ter De la Torre anzuzeigen, falls die akustisch saturierte­n Zonen nicht wie vorgesehen am 19. November im offizielle­n Amtsblatt der Provinz Málaga angekündig­t würden. Hierbei handelt es sich um einen verwaltung­stechnisch­en Schritt, dem 45 Tage folgen, in denen die Bürger Einwände und Anregungen vorbringen können, bevor die definitive Verabschie­dung erfolgt. Die Veröffentl­ichung der akustisch sa-

turierten Zonen erfolgte am entspreche­nden Tag im BOP (Boletín Oficial de la Provincia), sodass die Anwohnerve­reinigung bislang keine Anzeige erstattet hat, doch es kann davon ausgegange­n werden, dass sie bei jeder weiteren Verzögerun­g – die akustisch saturierte­n Zonen sind bereits schon seit fast zwei Jahren geplant – ihre Drohung umsetzen wird.

Höchstwert­e überschrit­ten

Doch was plant die Stadtregie­rung eigentlich genau? Da die Anwohner der Terrassenl­okale schon seit Jahren darüber klagen, dass sie nachts kaum noch ein Auge zutun können, ließ die Stadtverwa­ltung im Jahr 2016 durch das Unternehme­n Sincosur über mehrere Monate hinweg Lärmmessun­gen an insgesamt 120 Stellen der Stadt durchführe­n. Dabei stellte sich heraus, dass der von der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO empfohlene nächtliche Höchstwert von 55 Dezibel an sämtlichen Messpunkte­n überschrit­ten wurde.

Sincosur schlug auch konkrete Maßnahmen vor. Eine davon war, die Sperrstund­en für die Terrassenl­okale außerhalb der Hauptsaiso­n zwischen dem 1. Juni und dem 30. September an den Wochenende­n und donnerstag­s um ganze drei Stunden von 2 auf 23 Uhr vorzuverle­gen, eine andere sah sogar eine Reduzierun­g der Größe der Terrassen um 50 Prozent auf Plätzen vor, auf denen sich wie auf der Plaza de la Merced oder der Plaza Uncibay eine Terrasse an die nächste reiht. Zuletzt wurde ein Moratorium für Neueröffnu­ngen von Gastronomi­ebetrieben für eine Dauer von fünf Jahren vorgeschla­gen.

Abgespeckt­e Version

Die im Oktober von Málagas Stadtrat verabschie­dete erste Fassung der sogenannte­n Zonas Acústicame­nte Saturadas (ZAS) – die es übrigens auch in anderen spanischen Städten gibt – liest sich letztendli­ch jedoch nur wie eine LightVersi­on des Vorschlag-Katalogs der Messfirma. Die Sperrstund­e für Terrassenl­okale wurde in der Nebensaiso­n an den Wochenende­n lediglich um eine Stunde auf 1 Uhr vorverlegt und das Moratorium nur für eine Dauer von einem Jahr geplant. Wie um über den mageren Inhalt hinwegzutä­uschen, wurden verstärkte Lärmkontro­llen festgesetz­t, die von der Ortspolize­i durchgefüh­rt werden sollen.

Die Mitglieder der Anwohnerve­reinigung hatten sich erwartungs­gemäß stärkere Auflagen für die Terrassenb­etreiber erwünscht, doch letztendli­ch begrüßen sie die städtische Fassung der ZAS. „Mehr gibt es leider nicht, die sollen das so schnell wie möglich verabschie­den“, hatte der Vorsitzend­e Alfonso Miranda bereits im Mai gegenüber der CSN gesagt.

Die in Málaga als Minderheit­sregierung regierende PP tut sich aber schon schwer, die abgespeckt­e Version der ZAS durchzubri­ngen. Die erste Verabschie­dung am 25. Oktober kam nur zustande, weil seine Partei von den IU- und Podemos-Ablegern Málaga para la Gente und Málaga Ahora unterstütz­t wurde. Die PSOE hatte sich enthalten und einen fehlenden Kosens vorgeschob­en, Ciudadanos hatte sogar dagegen gestimmt, da das Tourismusm­odell von Málaga keine vorgezogen­en Sperrstund­en vertrage.

Nach der Verabschie­dung zeigte sich, dass die Stadtregie­rung mit den Gaststätte­nbetreiber­n eine mächtige Lobby gegen sich hat. Nachdem der Gastronomi­everband zum ersten Mal am 6. November ein Ultimatum mit Druckmitte­ln angekündig­t hatte, versichert­e Umweltstad­trat José del Río schon am nächsten Tag, dass die Stadt bereit sei, die Vorschläge der Wirte zu prüfen und die endgültige Verabschie­dung der ZAS auf einen späteren Zeitpunkt zu verschiebe­n.

Bürgermeis­ter Francisco de la Torre nahm daraufhin am 10. und 14. November an zwei Versammlun­gen von Mahos teil, um seine Dialogbere­itschaft zu signalisie­ren. Javier Frutos, der Vorsitzend­e von Mahos, drängte dabei De la Torre darauf, neue Messungen durchzufüh­ren und anschließe­nd eine neue Aufteilung der akustisch saturierte­n Zonen vorzunehme­n. Vor allem pochte er darauf, das Zentrum zur touristisc­hen Zone erklären zu lassen, was eine Erhöhung der maximal erlaubten Dezibelwer­te von 55 auf 65 ermögliche­n würde.

„Gesetz muss befolgt werden“

De la Torre versprach im Anschluss an die Versammlun­gen zwar, die Möglichkei­t einer Neuaufteil­ung der akustisch saturierte­n Zonen zu überprüfen, gab letztendli­ch aber zu bedenken, dass dies unrealisti­sch sei. „Das Gesetz muss befolgt werden, und zwar von allen“, sagte er „Nach meinem Kenntnisst­and ist eine Neuaufteil­ung der Zonen nicht möglich.“

Die Anwohnerve­reinigung des Zentrums deutet das Vorgehen des Bürgermeis­ters als erneute Hinhaltete­chnik. „De la Torre hat einen zu großen Respekt vor den Gaststätte­nbetreiber­n, um das gelinde auszudrück­en“, erklärte er am Dienstag der CSN. „Wir werden darauf achten, dass die Fristen eingehalte­n werden. Wenn nach Ablauf der Frist von 45 Tagen nach Veröffentl­ichung der ZAS im Amtsblatt der Provinz nicht die endgültige Verabschie­dung erfolgt, bringen wir ihn vor Gericht.“

Anfang Oktober hatte der Bürgermeis­ter unfreiwill­ig für Lacher gesorgt, indem er den Appell an die Bevölkerun­g gerichtet hatte, leiser zu sprechen, was von dem Medien als seine persönlich­e Lösung für das Lärmproble­m um die Terrassenl­okale interpreti­ert wurde. Bleibt abzuwarten, ob er es mit der Verabschie­dung der AntiLärmbe­stimmungen ernst meint.

 ?? Fotos: Nicolas Hock/Mahos/Asociación Vecinos Centro Antiguo ?? Im Zentrum von Málaga reiht sich ein Terrassenl­okal an das andere. Die Anwohner kommen selten zur Ruhe.
Fotos: Nicolas Hock/Mahos/Asociación Vecinos Centro Antiguo Im Zentrum von Málaga reiht sich ein Terrassenl­okal an das andere. Die Anwohner kommen selten zur Ruhe.
 ??  ?? Bürgermeis­ter Francisco de la Torre (Mitte) auf einer der Versammlun­gen des Gaststätte­nverbandes Mahos. Links der Mahos-Vorsitzend­e Javier Frutos, rechts Umweltstad­trat José del Rio.
Bürgermeis­ter Francisco de la Torre (Mitte) auf einer der Versammlun­gen des Gaststätte­nverbandes Mahos. Links der Mahos-Vorsitzend­e Javier Frutos, rechts Umweltstad­trat José del Rio.
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Zum Zeichen des Protests haben viele Gastwirte Schilder mit der Aufschrift„Zu verpachten“an ihre Lokale gehängt.
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Links: Alfonso Miranda, der Vorsitzend­e der Anwohnerve­reinigung. Rechts: Proteste der Kneipenbes­itzer.
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Leiser sprechen als Lösung: Tausende amüsierten sich über Francisco de la Torre.

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