Auf dem Abstellgleis
Spanien setzt auf Hochgeschwindigkeitszug AVE und vernachlässigt Regionalverkehr
Madrid – sk. Lange Zeit stierten die Augen der Öffentlichkeit nur auf den Hochgeschwindigkeitszug AVE. Was im konventionellen Schienenverkehr geschah, wollte niemand mehr sehen, die veralteten Bahnen und ihre Trassen, die Ausfälle und Unfälle. Erst als sich in der Extremadura die Zwischenfälle häuften, Zuggäste aus Badajoz mit fünfstündigen Verspätungen in Madrid ankamen oder sich die Nacht mitten in der Pampa in einem havarierten Zug um die Ohren schlagen mussten, empörte sich Spanien ob des Zustands des so vernachlässigten Regionalund Nahverkehrs.
Der Haushaltsentwurf der Regierung Sánchez sieht Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Euro für die Schiene vor. Nicht nur der AVE, sondern vor allem der öffentliche Nahverkehr auf der Schiene, die Cercanías, sollen davon profitieren. 2,24 Milliarden Euro sind vorgesehen, 160 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Haushalt der Regierung hat aber mit manchen der maroden Zügen eins gemeinsam: Er kommt womöglich nicht an seinem Ziel an.
Das Aufkommen des Automobils läutete bereits den Niedergang des Regional- und Nahverkehrs ein. Seitdem steigt, wer etwas auf sich hält, nicht mehr in eine Regionalbahn. So findet man ähnliche Zustände wie in der Extremadura entlang vieler Verbindungen vor allem durch dünn besiedelte, ländliche Gebiete. Moderne doppelspurige Trassen mit elektrischen Oberleitungen sucht man dort vielerorts vergebens. Die Bahn von Alcoy und Xàtiva etwa gilt als hoffnungslos veraltet, vor 50 Jahren konnte man noch von Alcoy
Man kann mit dem AVE nach Requena fahren, aber es gibt keinen Zug zum Flughafen Alicante
nach Gandía an den Strand fahren, heute geht das nicht mehr. Man kann auch nicht zum Flughafen von Alicante mit der Bahn fahren, geschweige denn von Alicante aus nach Andalusien, weil zwischen Murcia und Granada kein Zug verkehrt. Einer der wenigen Fortschritte stellt die Linie von Alicante nach Villena mit den neuen Zügen dar.
Von A nach B kommen Reisende in Spanien nur schwer mit der Bahn, paradoxerweise kann man mit dem teuren Hochgeschwindigkeitszug AVE fast quer durchs ganze Land fahren. Das Schienennetz misst 2.660 Kilometer, bindet nach Investitionen von 50 Milliarden Euro fast zwei Drittel der Bevölkerung an das Dreh- und Angelkreuz Madrid an. Nur China verfügt über ein vergleichbares Hochgeschwindigkeitsnetz. Bei der Entwicklung des AVE blieb die konventionelle Bahn auf der Strecke. „Wir dürfen unsere Augen vor den Arbeiten am konventionellen Schienennetz nicht schließen“, sagte sogar Adif-Chefin Isabel Pardo de Vera, zuständig für den AVE.
Seit 2008 flossen über 31 Milliarden in den AVE, aber nur sechs ins konventionelle Schienennetz. Und das, obwohl Studien dem AVE auf einigen Strecken „geringe Rentabilität“bescheinigen und bestimmte Abschnitte „aus sozialwirtschaftlichen Gründen als unrentabel“einstufen.