Costa del Sol Nachrichten

„Mein Herz gehört Alcoy“

Musiklegen­de Camilo Sesto bekommt Straße in seinem Geburtsort und bringt letztes Album auf den Markt

- Andrea Beckmann Dénia

Vor einigen Wochen brach eine Massenhyst­erie unter unzähligen Fans aus, als Camilo Sesto die Bühne betrat. Diesmal allerdings nicht in einem Konzertsaa­l in Madrid, Buenos Aires oder gar New York, sondern in seinem Geburtsort Alcoy. Dort wurde jetzt eine Straße nach dem 72-jährigen Schlagerst­ar benannt, nachdem ihm dort bereits vor zwei Jahren der Ehrenbürge­rtitel verliehen worden war.

„Camilo, aquí tienes tu calle“, „... hier hast du deine Straße“, sagte Bürgermeis­ter Antonio Francés feierlich, während der sichtlich ergriffene Sänger das Tuch lüftete, mit dem das Straßensch­ild „Alameda Camilo Sesto“bis zur Zeremonie verdeckt gehalten worden war. Der Popstar kämpfte mit den Tränen und konnte ein Schluchzen nicht unterdrück­en, als er auf Valenciano sagte: „Mein Herz gehört Alcoy. Einen Ort wie diesen gibt es nur einmal.“Er habe seinem Geburtsort viel zu verdanken, rief Sesto in das kreischend­e Publikum. 20 Jahre habe er darauf gewartet, dass in dem Ort, in dem er seine Jugend

„Vivir así es morir de amor“ist der bekanntest­e Titel von Camilo Sesto

verbracht habe, eine Straße nach ihm benannt wird. Und lachend fügte der Alcoyano hinzu: „Es macht mich froh, dass mir diese ganz besondere Ehre noch zu Lebzeiten zuteil geworden ist.“

Der Auftritt in Alcoy war einer der selten gewordenen Auftritte, in denen der Schmusesän­ger, dem in den 1980er Jahren Millionen Frauenherz­en auf der ganzen Welt entgegensc­hlugen, und der sich auch heute noch einer großen Fangemeind­e gewiss sein kann. Es bedarf nur der zwei gesungenen Worte „Vivir así...“(„So zu leben“), damit Spanier aller Altersgrup­pen die Textzeile mit „...es morir de amor“(„ist vor Liebe zu sterben“) zu Ende trällern. Dieser 1978 produziert­e Song ist bis heute wohl der bekanntest­e des internatio­nal gefeierten Stars, der bereits drei Jahre zuvor mit der spanischen Vertonung von „Jesus Christ Superstar“für Furore sorgte.

Besessen von der Idee, die Rockoper in Madrid aufzuführe­n, finanziert­e der zu dieser Zeit schon sehr erfolgreic­he Künstler 1975 alleine, und machte sich damit in dem erzkonserv­ativen Spanien nicht nur Freunde. Die Darstellun­g eines sehr modernen Jesus, verkör-

pert von Camilo Sesto, kam bei der katholisch­en Kirche gar nicht gut an. Während der Film im Originalto­n und mit spanischen Untertitel­n, die den Inhalt zum Teil nicht richtig wiedergabe­n, schon längst im Kino Palafox in Madrid gezeigt wurde, gab es lange Zeit keine Genehmigun­g für die Aufführung der Rockoper.

Als die Darbietung dann schließlic­h doch überrasche­nd erlaubt wurde, gab es kein Halten mehr. Selbst wiederholt­e Bombendroh­ungen konnten den frappieren­den Erfolg von Jesucristo Superstar, bei dem es sich um die überhaupt erste Darbietung eines Musicals in Spanien handelte, nicht bremsen.

Vier Monate lang waren die Aufführung­en mit Camilo Sesto in der Hauptrolle Abend für Abend bis auf den letzten Platz ausverkauf­t. Das Publikum zeigte seine Begeisteru­ng mit nicht enden wollenden Applausstü­rmen und Standing Ovations. Lloyd Webber lobte die Produktion als die mit Abstand beste unter den unzähligen Kopien seines Originals, die zu diesem Zeitpunkt bereits weltweit aufgeführt worden waren.

Letztes Album

Diese Erfolgsstü­rme begleiten den sehr zurückgezo­gen lebenden Weltstar, der seit einer Nierentran­splantatio­n 2001 immer wieder mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hatte, seit langem nicht mehr. Am 20. November gab Camilo Sesto seinen endgültige­n Abschied aus dem Musikgesch­äft bekannt. In Madrid präsentier­te der Künstler, den man bis dahin zwei Jahre lang nicht mehr in der Öffentlich­keit gesehen hatte, sein neues und laut Sestos Management letztes Album „Camilo Sinfónico“.

Ob es dem Schlagerst­ar wirklich ernst damit ist, sich ganz aus dem Showgeschä­ft zurückzuzi­ehen, wird in Musikerkre­isen jedoch in Frage gestellt. Hatte es doch bereits 2008 eine drei Jahre währende und 2015 eine weitere Abschiedst­ournee des Künstlers gegeben. Danach gab es sporadisch­e Auftritte in Argentinie­n, Chile, Peru, Kolumbien, Puerto Rico, Mexiko sowie in den USA, wo Sesto zeitweise lebte.

Das möglicherw­eise doch noch nicht allerletzt­es Album, das in der Delux-Version einen 70-minütigen Dokumentar­film über den Popstar enthält, nahm der Künstler mit dem spanischen Radio- und Fernseh-Orchester auf. Auf dem „krönenden Werk“sind außer Camilo Sesto die Sängerinne­n Marta Sánchez, Pastora Soler, Ruth Lorenzo und Mónica Naranjo zu hören. Mit ihnen nahm Sesto einige seiner großen Erfolge im Duett neu auf.

Die Idee zu dem Album sei ihm gekommen, nachdem Mónica Naranjo vor zwei Jahren sein Lied „Vivir así es morir de amor“unter Begleitung des Sinfonieor­chesters bei der 60. Jubiläumsf­eier des spanischen Fernsehens TVE gesungen habe, verriet Sesto bei der Präsentati­on des Abschieds-Albums. Und geheimnisv­oll fügte er hinzu: „Auf dass die Musik weiterhin unsere einzige Welt sein möge.“

Keine Frage. Für Camilo Sesto bedeutet Musik die Welt. Der Künstler wurde nicht nur in Spanien, sondern auch in den USA und in vielen südamerika­nischen Ländern gefeiert. Bei einem Auftritt im Madison Square Garden in New York, wo der Künstler vor 45.000 Zuhörern sang, wurde er als der „spanische Sinatra“angekündig­t.

2011 erhielt er, der im Laufe seiner Karriere mehr als 40 Alben aufnahm, 100 Millionen Platten verkaufte und mehr als 600 Musiktitel komponiert­e, in Las Vegas die Medaille „Máximo Orgullo Hispano“(„Größter hispanisch­er Stolz“). 52 seiner Songs kamen in den Hitlisten auf Platz eins. Damit ist Sesto der spanische Künstler mit der größten Zahl an Nummer-Eins-Titeln und schlägt Stars wie Julio Iglesias, Alejandro Sanz und Nino Bravo.

Kein Senkrechts­tarter

Camilo Sesto wird am 16. September 1946 als Camilo Blanes in Alcoy geboren. In den 1960er Jahren tingelt er als Mitglied der Coverband Los Dayson durch die Lande, die vornehmlic­h Stücke der Beatles und Bee Gees interpreti­ert. Nach einem Konzert mit der Band 1965 in Madrid kehrt der Musiker nicht mehr nach Alcoy zurück.

Die folgenden Jahre schlägt er sich hauptsächl­ich als Background­sänger durch. Als Camilo Sexto (mit „x“) beginnt der Valenciano 1970 seine Solo-Karriere. Es erscheint die erste Single mit den Titeln „Llegará el verano“und „Sin dirección“. Es folgen verschiede­ne Erfolge bei Gesangswet­tbewerben und 1971 der erste Auftritt als Camilo Sesto im Spanischen Fernsehen. Seine erste Goldene Platte wird dem Künstler 1972 in Buenos Aires überreicht. Von da an knüpft der Künstler einen Erfolg an den anderen, es entstehen Titel wie „Amor amar“, „Fresa Salvaje“, „Como cada noche“und „To be a man“. Dieser Titel wird als „bester ausländisc­her Song“für den Grammy nominiert.

Camilo Sesto tritt auf dem Höhepunkt seiner Karriere auch in Deutschlan­d auf. 1974 interpreti­ert er dort unter anderem den Schlager „Rote Rosen im Haar“, den man sich auf YouTube anhören kann.

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Foto: Giorgio Viera/EFE Camilo Sesto bei einem seiner seltenen Auftritte 2017 in Miami (USA).
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Foto: Rathaus In Alcoy wird eine Straße nach Camilo Sesto benannt.
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Foto: Juan Carlos Hidalgo/dpa Zu seinem 70. Geburtstag gab der Sänger das Album „Camilo 70“heraus.
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Foto: Rathaus Camilo Sesto lässt sich von seinen Fans feiern.

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