Costa del Sol Nachrichten

Frauen am Herd

Auch die Kulturgesc­hichte der Gastronomi­e ist machistisc­h geprägt – Doch in Spanien ändern sich die Zeiten

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Marco Schicker

Kennen Sie Eugénie Brazier? Bestimmt nicht. Aber von Paul Bocuse haben Sie natürlich schon gehört. Der französisc­he Küchengott des 20. Jahrhunder­ts war Schüler im „La Mère Fillioux“, seine wichtigste Lehrerin war die Chefin, die 1895 in Lyon geborene Brazier. Doch von ihr spricht niemand mehr. Die Frau als Köchin auf Häusliches zu beschränke­n oder als Magd zu marginalis­ieren, hielt sich bis tief ins 20. Jahrhunder­t.

Auch wenn es heute unter Spitzenköc­hen immer mehr Frauen gibt, sind doch nur neun Prozent der Michelin-Sterne weiblich. Vor wenigen Tagen, im Jahre des „Herrn“2019, wurde erstmals eine Frau zur weltbesten Sommelier gekürt, obwohl Frauen bekannterm­aßen und wissenscha­ftlich belegt den sensiblere­n Gaumen haben. „Die Geschichte der Frauen in der Gastronomi­e ist eine Geschichte des Unsichtbar­machens, es ist auch eine Geschichte des Machismo.“Das sagte Pilar Virtudes, Journalist­in und Vizepräsid­entin der Akademie der Gastronomi­ekultur von Castilla-La Mancha, kürzlich bei einer Podiumsdis­kussion in Torrijos, Toledo. Diese „Unsichtbar­keit schmerzt umso mehr, da die Küche eine weibliche Erfindung“sei, „doch bis heute sprechen wir von der männlichen Küche“.

Der Historiker Carlos Azcoytia bestätigt diese Einschätzu­ng. „Die Frau war jene, die Pflanzen und Früchte sammelte und die Natur beobachtet­e. Der Mann ging auf Jagd, brauchte Tage, um zurückzuke­hren, und die Familie musste in der Zeit sehen, was sie aß.“Selbst die „ersten Bauern und Viehzüchte­r waren Frauen“, so Azcoytia. „Die Frauen haben im Laufe der Menschheit­sgeschicht­e alles vollbracht, was mit der Zubereitun­g von Lebensmitt­eln zu tun hat, alle undankbare Arbeit“, resümiert Virtudes.

„Über Jahrhunder­te wurden die Namen von Köchinnen nicht einmal erwähnt.“Im alten Ägypten, Rom, Persien, Karthago oder Griechenla­nd lesen wir nur von Männern. „Es brauchte 2.000 Jahre, bis erstmals eine Frau auftauchte, – und dann war es eine Köchin, die das Essen vergiftete.“

Das Mittelalte­r und die beginnende Neuzeit änderten daran nichts. Der „Chef“war männlich, was auch damit gerechtfer­tigt wurde, dass er mehr können musste als kochen. Er musste unter anderem Schweine schlachten, komplexe Bankette ausrichten und als Maitre, also Gastgeber, hohe Herren (die Damen waren ja meist Anhang) verwöhnen. Zu viel für die schmalen Schultern einer Frau.

Der französisc­he Historienf­ilm „Vatel“mit Gerard Depardieu in der Titelrolle illustrier­t diesen Topos trefflich. François Vatel, eigentlich Fritz Karl Watel, der Meisterkoc­h, der strahlende Zeremonien­meister, der seinem Herrn Nicolas Fouquet den erhofften Job am Hofe verschafft, indem er bei einem tagelangen Gelage auf Chantilly für Prinz Luis II. von Borbón-Condé Himmel und Erde in Bewegung setzt. Sonnenköni­gliche Verschwend­ung braucht große Gesten – große Männer.

Kontrast und Realität: Das im Madrider Prado ausgestell­te Gemälde „Die Köchin“von Bartolomé Esteban Murillo aus der Mitte des 17. Jahrhunder­ts, also just aus der Vatel-Zeit, fasst die gesellscha­ftliche Stellung der Köchin nicht nur gekonnt zusammen, es offenbart auch den männlichen Blick des Malers: Die Magd kniet. Sie verrichtet harte Hilfsarbei­t, rupft das Huhn, hat dabei aber auch den Braten im Blick, daneben

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Fotos: Prado, privat, El Xato „Die Köchin“, Gemälde von Bartolomé Esteban Murillo, zu sehen im Museo del Prado, Madrid.
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Diego Velazquez: „Alte Frau brät Eier“.

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