Wohin geht es?
Puerto Serrano lockt mit einer eindrucksvollen Geschichte – Ausgangspunkt für Wanderungen auf der Vía Verde de la Sierra
Puerto Serrano in der andalusischen Provinz Cádiz lockt mit einer einzigartigen Geschichte und einer interessanten Nekropole. Naturfreunde können auf der Vía Verde de la Sierra auf einem rund 36 Kilometer langen Wanderweg durch die herrliche Landschaft spazieren.
Eine Frau mit langem schwarzen Zopf stellt ihre Einkaufstüte vorm Bürgermeisterzimmer ab und wartet ungeduldig. Sie muss unbedingt mit dem Bürgermeister sprechen. Es geht um einen Umbau und da gibt es noch einiges zu klären. Zeit hat sie wenig, da sie gleich ihr Enkelkind vom Kindergarten abholen muss. In Puerto Serrano in der Provinz Cádiz ticken die Uhren noch anders. Hier kennt jeder jeden.
Ein Losverkäufer humpelt über den Rathausplatz. Drei greise Männer sitzen auf einer Bank und rauchen. Aus einem der Häuser dringt der Duft nach in Knoblauch gebratenem Gemüse. Miguel Ángel Carrero Nieto ist seit 2015 Bürgermeister dieses rund 7.000 Einwohner zählenden Ortes. Im Volksmund heißen die Einwohner „Polichero/a“. Das Wort kommt von „Bolichero“. Dies waren Personen, die in einem „Boliche“(Meiler) Kohle aus Eichenholz herstellten. Der römische Stamm Marciago hatte sich im heutigen Puerto Serrano angesiedelt. Während der arabischen Epoche nannte sich der Ort Gailir und gehörte zum Gebiet Kora de Morón. Ab dem 8. Jahrhundert übernahmen die in Sevilla ansässigen Almohaden die Herrschaft über Puerto Serrano.
Spuren verschiedener Kulturen
In der Umgebung von Puerto Serrano wurden Reste aus der römischen und arabischen Epoche gefunden, auf einem der Plätze fand man gar eine römische Säule. 1240 wurde der Ort von den Mauren zurückerobert. Angehörige des Ordens der Templer ließen sich ebenfalls hier nieder.
Es sollte aber bis 1615 dauern, bis der Ort gegründet wurde und einige Landwirte das Land bevölkerten. Seit 1805 ist Puerto Serrano unabhängig von Morón. „Ein Großteil arbeitet heute als Tagelöhner“, sagt Carrero Nieto. Industrie gibt es hier keine, so dass viele gezwungen sind, eine Stelle in anderen Orten wie Montellano, Coripe oder Villamartin anzunehmen. Wenn er über seinen Ort spricht, dann schwingt Enthusiasmus in seiner Stimme mit.
In der Altstadt kann der Kunstinteressierte die barocke Pfarrkirche Santa María Magdalena mit einem beeindruckenden Retabel, die Wallfahrtskapelle zu Ehren der Heiligen Magdalena, der Schutzpatronin des Ortes, und das Gebäude „Molino de Siré“besichtigen. Dieses ist Teil eines früheren, im 18. Jahrhundert erbauten Karmeliterklosters. Die Kapelle der Magdalena wurde auf den Resten einer arabischen Moschee errichtet. Von hier aus lässt sich der wundervolle Blick auf den Ort genießen. Zahlreiche archäologische Ausgrabungen sind Zeugnis davon, dass es während der Altsteinzeit bereits menschliche Siedlungen in Puerto Serrano gegeben hat. Diese haben in der römischen Epoche und unter der Herrschaft der Mauren fortbestanden. Zu den bedeutendsten Fundorten gehören Fuente de Ramos und El Almendral wie auch die ehemaligen Römersiedlungen Cerro Castelar und Marciagos.
Carrero Nieto hält mit seinem Wagen an einer Weide. Eine Kuh kaut gelangweilt, Krähen setzten sich mit lautem Gezeter auf den Acker. Der Bürgermeister deutet hinter sich: „Hier finden Sie anthropomorphe Gräber aus der Bronzezeit.“Die nachfolgenden Völker wie Römer und Araber haben diese strategischen Punkte später auch genutzt. Die ersten Siedlungen gab es ihm zufolge entlang den Ufern des Flusses Guadalete. Zunächst lebten die Siedler von Ackerbau und Viehzucht. Im Abschnitt von Mollinete, Puerto Serrano bis Coripe standen 13 Mühlen zur Gewinnung von Mehl.
Von Puerto Serrano aus können Naturfreunde auf der Vía Verde de la Sierra 38 Kilometer wandern
Nekropole mit Grabkammern
Fuente de Ramo dagegen ist eine Nekropole, die knapp zwei Kilometer vom Ort entfernt liegt. Sie setzt sich aus sechs Gräbern zusammen, wobei lediglich vier sichtbar sind.
Die Grabkammern sind in Kalkstein gehauen. Sie verfügen über einen Eingang, eine runde Grabkammer sowie seitliche Nischen. Historiker vermuten, dass sie aus der Bronzezeit 1900 bis 1600 v. Chr. stammen. Auffällig ist, dass es auch heidnische Grabstätten, sogenannte Hypogäen, in Fuente de Ramo zu sehen gibt. Ein
Hypogäum ist ein unterirdischer, mit einem Gewölbe versehener Grabbau. Der Begriff wird in erster Linie für heidnische Anlagen als Abgrenzung zu den christlich definierten Katakomben verwendet.
Mit dem Kopf Richtung Mekka
Aus der Zeit der Mauren etwa aus der Zeit zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert stammen die 35 ovalen, in Stein gehauenen Gräber. Die Füße der Toten waren nach Norden und der Kopf in Richtung Mekka ausgerichtet. Auf dem Grundstück der Nekropole liegt ein Haus in Ruinen. Hier sollte ursprünglich ein Museum samt Cafeteria entstehen. Durch die Wirtschaftskrise gab es keine Gelder mehr, das Projekt wurde auf Eis gelegt und bis heute nicht wieder angeschoben. „Mir schwebt vor, das Gebäude zu sanieren“, sagt Carrero Nieto.
Etwa 20 Kilometer nordöstlich von Puerto Serrano liegt außerdem das Dorf Pozo Amargo mit seinen Burgruinen. Es grenzt an die Provinz Sevilla und verfügt über die Kapelle Nuestra Señora de la Asunción und eine Therme aus dem 19. Jahrhundert.
Wandern auf der Vía Verde
Von Puerto Serrano aus können Naturfreunde auf der Vía Verde de la Sierra rund 36 Kilometer bis nach Olvera wandern oder radfahren. Reiten ist zwar auch erlaubt, Carrero Nieto empfiehlt dies aber nicht, da es in den Tunneln schon zu einigen Unfällen gekommen sei. Auf der Strecke gibt es Viadukte und rund 30 Tunnel, der längste ist 990 Meter lang.
Die Vía Verde de la Sierra schlängelt sich durch das Tal des Flusses Guadalete und gehört zum Netz der Vías Verdes de España der Stiftung der spanischen Eisenbahnstiftung. Es ist die einzige Vía Verde in Andalusien, die die andalusische Landesregierung als touristisch interessant deklariert hat. „Zwischen 200.000 und 300.000 Personen besuchen die Vía Verde de la Sierra jedes Jahr“, so Carrero Nieto. Sie wird von den beiden Höhlen El Palilla und Los Murciélagos gesäumt, die ebenfalls einen Besuch wert sind. Der seltene Lentisco de Las aletas (Mastixstrauch) ist in dieser Gegend zu finden. Dieser Wanderweg wurde auf der alten Zugstrecke von Jerez de la Frontera nach Almargen errichtet. Die Schienen wurden zwischen 1920 und 1930 gelegt, doch ohne dass je ein Zug auf ihnen gefahren ist.
Für den Transport von Wein
Allein die Strecke zwischen Jerez de la Frontera und Arcos de la Frontera wurde in Betrieb genommen. Von 1970 bis 2001 verkehrten hier nur noch mit Lebensmitteln beladene Güterzüge.
„Geplant war, auf der 120 Kilometer langen Strecke Wein von Jerez de la Frontera nach Málaga zu transportieren“, erklärt Carrero
Nieto. Die Strecke führt unter anderem an Villamartín, Puerto Serrano, Coripe, Montellano und Olvera vorbei. „Zurzeit wird erwogen, eine Verbindung zwischen Puerto Serrano und Arcos de la Frontera zu schaffen“, erklärt der Bürgermeister. Eventuell soll auch bald eine weitere Vía Verde folgen, die Arcos de la Frontera mit Jerez de la Frontera verbindet.
Wenn der PSOE-Bürgermeister am Sonntag nicht wiedergewählt wird, dann klettert er eben wieder als Umweltbeauftragter auf die Felsen entlang der Vía Verde de la Sierra, um die frisch geschlüpften Gänsegeier zu beringen.