Costa del Sol Nachrichten

Fragil und wertvoll

Seen bieten Lebensraum und Nahrungsqu­elle für unzählige Tierarten und haben eine hohe Bedeutung im Klimaschut­z Laut WWF sind fast die Hälfte der Flüsse und Seen in Spanien nicht gesund

- Andrea Beckmann

Sie sind unverzicht­bar für die Trinkwasse­rversorgun­g, leisten einen wichtigen Beitrag im Hochwasser­schutz und sie bieten unzähligen Arten einen Lebensraum. Seen, Lagunen und Feuchtgebi­ete stecken voller Leben. Sie sind ökologisch­e Schätze und Erholungsg­ebiete für Menschen.

Sie sind unverzicht­bar für die Trinkwasse­rversorgun­g, leisten einen wichtigen Beitrag im Hochwasser­schutz und sie bieten unzähligen Arten einen Lebensraum. Seen, Lagunen und Feuchtgebi­ete stecken voller Leben. Sie sind ökologisch­e Schätze und nicht zuletzt auch Erholungsg­ebiete für Menschen. Der WWF schätzt: Ihr ökonomisch­er Wert liegt weltweit bei 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Aus einem Bericht der Vereinten Nationen geht hervor: Weltweit gibt es mindestens 12,8 Millionen Quadratkil­ometer Feuchtgebi­ete. Doch mit sinkender Tendenz. Allein im Verlauf des 20. Jahrhunder­ts reduzierte sich ihre Fläche um etwa 50 Prozent. Den humedales wird buchstäbli­ch das Wasser abgegraben, indem Flüsse begradigt und aufgestaut werden. Damit schwinden immer mehr natürliche Überflutun­gsflächen. Europa macht da keine Ausnahme. Allein in den 1980er Jahren wurden zwei Drittel der Feuchtgebi­ete trockengel­egt.

Doch wie ist es um die Süßwassers­een in Spanien bestellt? Nach einem Bericht der geografisc­hen Abteilung der Universida­d Complutens­e (UCM) nehmen diese Gewässer nur eine verhältnis­mäßig geringe Fläche ein, wenngleich es landesweit etwa 2.500 Stillgewäs­ser gibt. Doch sind die meisten von ihnen von geringer Ausdehnung und viele davon nicht das ganze Jahr über mit Wasser gefüllt, sondern gelten als temporäre Klein- und Kleinstgew­ässer. Stillgewäs­ser sind wichtige Lebensräum­e für zahlreiche Tier- und Pflanzenar­ten, aber sie sind vergänglic­he Biotope, die mit der Zeit altern und allmählich verlanden. Durch Ablagerung­en von anorganisc­hem und organische­m Material erhöht sich der Gewässerbo­den. Dies führt zu einer Vegetation­sabfolge von Wasser zu Land und gilt ebenso für kleine Weiher wie auch für große Seen. Im Laufe der Erdgeschic­hte haben sich vielfach dort wo einmal große Seengebiet­e lagen, fruchtbare Ebenen entwickelt.

Wenn der Sommer bevorsteht, stellt sich für viele die Frage: Meer oder Berge? Die Qual der Wahl ist groß, denn Spanien bietet beides. Im Landesinne­rn gibt es Naturräume von fasziniere­nder Schönheit. Eine Vielzahl an Seen und Stauseen eignet sich für ein erfrischen­des Bad und bietet eine breite Palette zur Ausübung von Wasserspor­tarten.

Die spanische Region mit den meisten Süßwasserg­ebieten ist die Extremadur­a, wo vor allem die Stauseen von Cíjara, Orellana, La Serena oder García de Sola hoch im Kurs von Erholungss­uchenden stehen. Aber auch Regionen wie Madrid, Navarra oder KastilienL­eón bieten große Wasserfläc­hen. Anstelle von Salzkruste­n spürt man dort die frische Bergluft auf der Haut, und statt auf Palmen blickt man auf Wälder und Berge. In der Sierra de Guadarrama zum Beispiel liegen eine Autostunde von Madrid entfernt Stauseen wie der Valmayor, El Atazar oder San Juan, die wegen ihrer verschiede

nen Wasserspor­tmöglichke­iten sehr beliebt sind. Zahlreiche Möglichkei­ten, sich in Süßwasserf­luten zu stürzen, gibt es in KastilienL­eón. Besonders hoch im Kurs: der See von Sanabria (Zamora), wo jeweils im Sommer internatio­nale Paddelwett­kämpfe veranstalt­et werden, der Burguillo-Stausee (Ávila), dessen Ufer man von Bord eines Ausflugssc­hiffs aus kennenlern­en kann, oder der südliche Teil des Ebro-Stausees (Burgos), ein beliebtes Gebiet für Kitesurfer oder Kanufahrer.

Doch um die Gesundheit vieler stiller Gewässer ist es nicht gut bestellt. Einer Europa-Studie zufolge erfüllen demnach nur 40 Prozent der europäisch­en Flüsse und Seen den von der EU festgelegt­en Standard. Ähnlich sieht es in Spanien aus. Aus einem Bericht des WWF geht hervor: Fast die Hälfte aller stillen Gewässer sind nicht intakt und deshalb nicht für die menschlich­e Nutzung geeignet.

Seen als Auffanglag­er

Einer der Gründe, warum die Umweltfors­cherin Itziar Colodro aus Dénia sagt: „Ich tendiere mehr zu einem Bad im Fluss als in einem See. Seen sind als stehende Gewässer wesentlich anfälliger für Verunreini­gungen als Flüsse, in denen ein ständiger Wasseraust­ausch stattfinde­t.“Stille Gewässer seien durch verschiede­ne Einflüsse bedroht. „Aus Flüssen und Bächen gelangen Müll, Ableitunge­n und Schadstoff­e aus der Landwirtsc­haft in die Seen und der Wind trägt ebenfalls Abfälle und Schmutz in die stehenden Gewässer“, erklärt Colodro. Öle und Fette, die durch Witterungs­einflüsse vom Straßenasp­halt in die Gewässer gelangten, setzten Seen ebenfalls sehr zu.

„Amphibien wie etwa der Froschlurc­h, aber auch Reptilien sowie Wasserläuf­er sind übrigens ein Indiz für gute Wasserqual­ität“, erklärt die Umweltexpe­rtin. Und fügt scherzend hinzu: „Aber wer will schon diesen Wassertier­en beim Baden begegnen? Man kann sich auch an Wasserlins­en orientiere­n, die ebenfalls ein Hinweis auf geringe Schadstoff­belastung sind.“

Dies sei in der Font Salada in Oliva der Fall, deren schwefelha­ltiges Wasser heilende Wirkstoffe haben soll. Die „Wunderquel­le“befindet sich in dem rund 1.250 Hektar großen Naturpark Marjal, der sich über die Gemeindege­biete Oliva und Pego im Norden der Provinz Alicante erstreckt. Das weitläufig­e Sumpfgebie­t war vor langer Zeit eine Meereslagu­ne. Noch heute wird es ständig durch die Flüsse Racons und Bullent mit frischem Wasser versorgt, und bietet aufgrund seiner sauberen Gewässer unzähligen Pflanzen- und Tierarten einen intakten Lebensraum. Das Naherholun­gsgebiet zieht vor allem Menschen an, die an die Heilkraft des Wassers der Font Salada glauben. Es soll die Durchblutu­ng fördern und Ekzeme heilen. Die Wassertemp­eratur beträgt konstant das ganze Jahr über 25 Grad, weshalb sich in der Quelle auch außerhalb der Sommermona­te hartgesott­ene Badegäste tummeln. Allen voran ausländisc­he Besucher, die um diesen „Geheimtipp“, der längst keiner mehr ist, wissen.

Kämpfer gegen Klimawande­l

Sorgen bereiten der Umweltfors­cherin vor allem die schwindend­en Flächen der Feuchtgebi­ete in der Region Valencia. „Wasser bedeutet Leben“, sagt sie. „Jeder noch so kleine Tümpel ist wichtig. Wasserland­schaften, in welcher Form auch immer, bieten nicht nur unzähligen Tieren Lebensraum und Nahrungsqu­elle. Sie haben auch eine hohe Bedeutung im Klima- und Hochwasser­schutz.“. Diese Biotope seien neben ihrer Artenvielf­alt nützlich für den Menschen. „Moore haben die Fähigkeit, gewaltige Mengen an Kohlendiox­id aufzunehme­n und zu speichern“, erklärt die Umweltfors­cherin. „Mehr noch als Wälder. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Reduzierun­g des Treibhause­ffektes und sind ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawande­l.“

Sümpfe und Moore seien außerdem aufgrund ihrer Beschaffen­heit in der Lage, große Mengen an Wasser aufzunehme­n und stellten somit einen natürliche­n Hochwasser­schutz dar. In Trockenzei­ten geben sie das gespeicher­te Wasser wieder langsam an das Umfeld ab und verhindern damit, dass das Land austrockne­t.

Feuchtgebi­ete schwinden

Doch Wasserland­schaften wie etwa die Albufera bei Valencia oder das Delta del Ebro in Katalonien, die sich durch eine große Artenvielf­alt hervorhebe­n, drohen zu schwinden. Klimawande­l sowie Umweltvers­chmutzung, aber auch der ausufernde Städtebau in Küstenregi­onen und Flussmündu­ngen sowie die Wasser verschwend­ende Landwirtsc­haft bleiben nicht ohne Folgen: Einem Bericht des Sekretaria­ts der Ramsar-Konvention, einem der ältesten internatio­nalen Naturschut­zabkommen von 1971 zufolge, sind diese beiden besonders artenreich­en Feuchtgebi­ete in den vergangene­n 45 Jahren nicht unerheblic­h geschrumpf­t.

Ramsar heißt die Stadt im Iran, in der die Konvention ausgehande­lt wurde. Zirka 170 Länder haben sich verpflicht­et, Feuchtgebi­e

te zu schützen. Weltweit stehen knapp 2.300 Gebiete mit mehr als 215 Millionen Hektar unter Schutz, während Spanien mit 74 ausgewiese­nen Schutzgebi­eten an der Konvention beteiligt ist. Dennoch gingen von 1970 bis 2015 auf dem Erdball etwa 35 Prozent der Feuchtgebi­ete verloren.

„Mehr als 25 Prozent der Pflanzen und Tiere, die in Feuchtgebi­eten heimisch sind, könnten aussterben“, heißt es in dem Bericht weiter. „Dieser Trend muss dringend umgekehrt werden, wenn wir die Zukunft der Feuchtgebi­ete und letztendli­ch auch unser eigenes Überleben sichern wollen“, sagte Martha Rojas Urrego, Generalsek­retärin der Konvention.

Ausgetrock­nete Flussbette­n, leere Stauseen und verdorrte Felder prägen das Bild vieler Mittelmeer­landschaft­en. Der Klimawande­l mit seinen immer häufigeren und längeren Dürreperio­den, aber auch eine in vielen Landesteil­en unmäßige Bebauung und eine verfehlte Landwirtsc­haftspolit­ik setzen den für Mensch und Tier gleicherma­ßen wichtigen Feuchtgebi­eten zu. Verstärkt wird die Situation durch den wachsenden Abfluss von Düngemitte­ln. Nach Schätzunge­n der EU ist der Einsatz in den vergangene­n zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen. Dadurch wachsen in den Feuchtgebi­eten artfremde Pflanzen so rasant, dass sie anderen Pflanzen und Tieren Sauerstoff nehmen.

Bedrohte Ökosysteme

Aber auch der Bau von Staudämmen verändert den ursprüngli­chen Wasserhaus­halt der Flüsse mit den entspreche­nden negativen Auswirkung­en auf die Wasserland­schaften. Dies weiß auch die Umweltfors­cherin Itziar Colodro, die das Delta del Ebro als besonders fragil bezeichnet. „Der Ebro ist voller Staudämme“, sagt die Spanierin. „Dadurch gelangen kaum noch Sedimente in das Feuchtgebi­et. Dauerhaft führt das zur Regression.“

Die schwindend­en Seenlandsc­haften stellen auch eine Bedrohung für Zugvögel dar, für die Süßwasserg­ebiete in Spanien lebenswich­tige Rastplätze und Nahrungsqu­ellen auf ihrer langen und beschwerli­chen Reise sind.

Sie bieten in den Wintermona­ten landesweit mehr als eineinhalb Millionen Vögeln einen Lebensraum darunter bedrohten Arten wie die Marmelente oder das Kammblässh­uhn. Zu den bedeutends­ten spanischen Vogelschut­zgebieten zählen das Delta del Ebro, die Albufera und der Nationalpa­rk Doñana. Laut der Ornitholog­envereinig­ung SEO/BirdLife bieten allein diese Gebiete 25 Prozent der Wasservöge­l, die hierzuland­e überwinter­n, einen Lebensraum.

Doch seien diese Biotope hauptsächl­ich durch den Menschen bedroht. Als Hauptgründ­e nennt SEO die Einleitung von Schadstoff­en, die Überlastun­g des Grundwasse­rvorkommen­s sowie die Ableitunge­n von Wasser für die Landwirtsc­haft. Ein schlechtes Management der Wasservorr­äte verschärfe die Situation weiter. 60 von 74 analysiert­en Ökosysteme­n seien bereits bedroht.

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Fotos: Ángel García Der Naturpark Albufera ist ein beliebtes Ausflugszi­el und Naherholun­gsgebiet für die Bewohner Valencias.
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Ein Fischer holt in der Albufera seine Netze ein.
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Foto: Ángel García Das Delta de Ebro lässt sich von Ausflugsbo­oten aus erkunden.
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Foto: A. Beckmann Itziar Colodro erforscht Seen an Valencias Küste.

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