Fragil und wertvoll
Seen bieten Lebensraum und Nahrungsquelle für unzählige Tierarten und haben eine hohe Bedeutung im Klimaschutz Laut WWF sind fast die Hälfte der Flüsse und Seen in Spanien nicht gesund
Sie sind unverzichtbar für die Trinkwasserversorgung, leisten einen wichtigen Beitrag im Hochwasserschutz und sie bieten unzähligen Arten einen Lebensraum. Seen, Lagunen und Feuchtgebiete stecken voller Leben. Sie sind ökologische Schätze und Erholungsgebiete für Menschen.
Sie sind unverzichtbar für die Trinkwasserversorgung, leisten einen wichtigen Beitrag im Hochwasserschutz und sie bieten unzähligen Arten einen Lebensraum. Seen, Lagunen und Feuchtgebiete stecken voller Leben. Sie sind ökologische Schätze und nicht zuletzt auch Erholungsgebiete für Menschen. Der WWF schätzt: Ihr ökonomischer Wert liegt weltweit bei 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Aus einem Bericht der Vereinten Nationen geht hervor: Weltweit gibt es mindestens 12,8 Millionen Quadratkilometer Feuchtgebiete. Doch mit sinkender Tendenz. Allein im Verlauf des 20. Jahrhunderts reduzierte sich ihre Fläche um etwa 50 Prozent. Den humedales wird buchstäblich das Wasser abgegraben, indem Flüsse begradigt und aufgestaut werden. Damit schwinden immer mehr natürliche Überflutungsflächen. Europa macht da keine Ausnahme. Allein in den 1980er Jahren wurden zwei Drittel der Feuchtgebiete trockengelegt.
Doch wie ist es um die Süßwasserseen in Spanien bestellt? Nach einem Bericht der geografischen Abteilung der Universidad Complutense (UCM) nehmen diese Gewässer nur eine verhältnismäßig geringe Fläche ein, wenngleich es landesweit etwa 2.500 Stillgewässer gibt. Doch sind die meisten von ihnen von geringer Ausdehnung und viele davon nicht das ganze Jahr über mit Wasser gefüllt, sondern gelten als temporäre Klein- und Kleinstgewässer. Stillgewässer sind wichtige Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, aber sie sind vergängliche Biotope, die mit der Zeit altern und allmählich verlanden. Durch Ablagerungen von anorganischem und organischem Material erhöht sich der Gewässerboden. Dies führt zu einer Vegetationsabfolge von Wasser zu Land und gilt ebenso für kleine Weiher wie auch für große Seen. Im Laufe der Erdgeschichte haben sich vielfach dort wo einmal große Seengebiete lagen, fruchtbare Ebenen entwickelt.
Wenn der Sommer bevorsteht, stellt sich für viele die Frage: Meer oder Berge? Die Qual der Wahl ist groß, denn Spanien bietet beides. Im Landesinnern gibt es Naturräume von faszinierender Schönheit. Eine Vielzahl an Seen und Stauseen eignet sich für ein erfrischendes Bad und bietet eine breite Palette zur Ausübung von Wassersportarten.
Die spanische Region mit den meisten Süßwassergebieten ist die Extremadura, wo vor allem die Stauseen von Cíjara, Orellana, La Serena oder García de Sola hoch im Kurs von Erholungssuchenden stehen. Aber auch Regionen wie Madrid, Navarra oder KastilienLeón bieten große Wasserflächen. Anstelle von Salzkrusten spürt man dort die frische Bergluft auf der Haut, und statt auf Palmen blickt man auf Wälder und Berge. In der Sierra de Guadarrama zum Beispiel liegen eine Autostunde von Madrid entfernt Stauseen wie der Valmayor, El Atazar oder San Juan, die wegen ihrer verschiede
nen Wassersportmöglichkeiten sehr beliebt sind. Zahlreiche Möglichkeiten, sich in Süßwasserfluten zu stürzen, gibt es in KastilienLeón. Besonders hoch im Kurs: der See von Sanabria (Zamora), wo jeweils im Sommer internationale Paddelwettkämpfe veranstaltet werden, der Burguillo-Stausee (Ávila), dessen Ufer man von Bord eines Ausflugsschiffs aus kennenlernen kann, oder der südliche Teil des Ebro-Stausees (Burgos), ein beliebtes Gebiet für Kitesurfer oder Kanufahrer.
Doch um die Gesundheit vieler stiller Gewässer ist es nicht gut bestellt. Einer Europa-Studie zufolge erfüllen demnach nur 40 Prozent der europäischen Flüsse und Seen den von der EU festgelegten Standard. Ähnlich sieht es in Spanien aus. Aus einem Bericht des WWF geht hervor: Fast die Hälfte aller stillen Gewässer sind nicht intakt und deshalb nicht für die menschliche Nutzung geeignet.
Seen als Auffanglager
Einer der Gründe, warum die Umweltforscherin Itziar Colodro aus Dénia sagt: „Ich tendiere mehr zu einem Bad im Fluss als in einem See. Seen sind als stehende Gewässer wesentlich anfälliger für Verunreinigungen als Flüsse, in denen ein ständiger Wasseraustausch stattfindet.“Stille Gewässer seien durch verschiedene Einflüsse bedroht. „Aus Flüssen und Bächen gelangen Müll, Ableitungen und Schadstoffe aus der Landwirtschaft in die Seen und der Wind trägt ebenfalls Abfälle und Schmutz in die stehenden Gewässer“, erklärt Colodro. Öle und Fette, die durch Witterungseinflüsse vom Straßenasphalt in die Gewässer gelangten, setzten Seen ebenfalls sehr zu.
„Amphibien wie etwa der Froschlurch, aber auch Reptilien sowie Wasserläufer sind übrigens ein Indiz für gute Wasserqualität“, erklärt die Umweltexpertin. Und fügt scherzend hinzu: „Aber wer will schon diesen Wassertieren beim Baden begegnen? Man kann sich auch an Wasserlinsen orientieren, die ebenfalls ein Hinweis auf geringe Schadstoffbelastung sind.“
Dies sei in der Font Salada in Oliva der Fall, deren schwefelhaltiges Wasser heilende Wirkstoffe haben soll. Die „Wunderquelle“befindet sich in dem rund 1.250 Hektar großen Naturpark Marjal, der sich über die Gemeindegebiete Oliva und Pego im Norden der Provinz Alicante erstreckt. Das weitläufige Sumpfgebiet war vor langer Zeit eine Meereslagune. Noch heute wird es ständig durch die Flüsse Racons und Bullent mit frischem Wasser versorgt, und bietet aufgrund seiner sauberen Gewässer unzähligen Pflanzen- und Tierarten einen intakten Lebensraum. Das Naherholungsgebiet zieht vor allem Menschen an, die an die Heilkraft des Wassers der Font Salada glauben. Es soll die Durchblutung fördern und Ekzeme heilen. Die Wassertemperatur beträgt konstant das ganze Jahr über 25 Grad, weshalb sich in der Quelle auch außerhalb der Sommermonate hartgesottene Badegäste tummeln. Allen voran ausländische Besucher, die um diesen „Geheimtipp“, der längst keiner mehr ist, wissen.
Kämpfer gegen Klimawandel
Sorgen bereiten der Umweltforscherin vor allem die schwindenden Flächen der Feuchtgebiete in der Region Valencia. „Wasser bedeutet Leben“, sagt sie. „Jeder noch so kleine Tümpel ist wichtig. Wasserlandschaften, in welcher Form auch immer, bieten nicht nur unzähligen Tieren Lebensraum und Nahrungsquelle. Sie haben auch eine hohe Bedeutung im Klima- und Hochwasserschutz.“. Diese Biotope seien neben ihrer Artenvielfalt nützlich für den Menschen. „Moore haben die Fähigkeit, gewaltige Mengen an Kohlendioxid aufzunehmen und zu speichern“, erklärt die Umweltforscherin. „Mehr noch als Wälder. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Reduzierung des Treibhauseffektes und sind ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel.“
Sümpfe und Moore seien außerdem aufgrund ihrer Beschaffenheit in der Lage, große Mengen an Wasser aufzunehmen und stellten somit einen natürlichen Hochwasserschutz dar. In Trockenzeiten geben sie das gespeicherte Wasser wieder langsam an das Umfeld ab und verhindern damit, dass das Land austrocknet.
Feuchtgebiete schwinden
Doch Wasserlandschaften wie etwa die Albufera bei Valencia oder das Delta del Ebro in Katalonien, die sich durch eine große Artenvielfalt hervorheben, drohen zu schwinden. Klimawandel sowie Umweltverschmutzung, aber auch der ausufernde Städtebau in Küstenregionen und Flussmündungen sowie die Wasser verschwendende Landwirtschaft bleiben nicht ohne Folgen: Einem Bericht des Sekretariats der Ramsar-Konvention, einem der ältesten internationalen Naturschutzabkommen von 1971 zufolge, sind diese beiden besonders artenreichen Feuchtgebiete in den vergangenen 45 Jahren nicht unerheblich geschrumpft.
Ramsar heißt die Stadt im Iran, in der die Konvention ausgehandelt wurde. Zirka 170 Länder haben sich verpflichtet, Feuchtgebie
te zu schützen. Weltweit stehen knapp 2.300 Gebiete mit mehr als 215 Millionen Hektar unter Schutz, während Spanien mit 74 ausgewiesenen Schutzgebieten an der Konvention beteiligt ist. Dennoch gingen von 1970 bis 2015 auf dem Erdball etwa 35 Prozent der Feuchtgebiete verloren.
„Mehr als 25 Prozent der Pflanzen und Tiere, die in Feuchtgebieten heimisch sind, könnten aussterben“, heißt es in dem Bericht weiter. „Dieser Trend muss dringend umgekehrt werden, wenn wir die Zukunft der Feuchtgebiete und letztendlich auch unser eigenes Überleben sichern wollen“, sagte Martha Rojas Urrego, Generalsekretärin der Konvention.
Ausgetrocknete Flussbetten, leere Stauseen und verdorrte Felder prägen das Bild vieler Mittelmeerlandschaften. Der Klimawandel mit seinen immer häufigeren und längeren Dürreperioden, aber auch eine in vielen Landesteilen unmäßige Bebauung und eine verfehlte Landwirtschaftspolitik setzen den für Mensch und Tier gleichermaßen wichtigen Feuchtgebieten zu. Verstärkt wird die Situation durch den wachsenden Abfluss von Düngemitteln. Nach Schätzungen der EU ist der Einsatz in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen. Dadurch wachsen in den Feuchtgebieten artfremde Pflanzen so rasant, dass sie anderen Pflanzen und Tieren Sauerstoff nehmen.
Bedrohte Ökosysteme
Aber auch der Bau von Staudämmen verändert den ursprünglichen Wasserhaushalt der Flüsse mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Wasserlandschaften. Dies weiß auch die Umweltforscherin Itziar Colodro, die das Delta del Ebro als besonders fragil bezeichnet. „Der Ebro ist voller Staudämme“, sagt die Spanierin. „Dadurch gelangen kaum noch Sedimente in das Feuchtgebiet. Dauerhaft führt das zur Regression.“
Die schwindenden Seenlandschaften stellen auch eine Bedrohung für Zugvögel dar, für die Süßwassergebiete in Spanien lebenswichtige Rastplätze und Nahrungsquellen auf ihrer langen und beschwerlichen Reise sind.
Sie bieten in den Wintermonaten landesweit mehr als eineinhalb Millionen Vögeln einen Lebensraum darunter bedrohten Arten wie die Marmelente oder das Kammblässhuhn. Zu den bedeutendsten spanischen Vogelschutzgebieten zählen das Delta del Ebro, die Albufera und der Nationalpark Doñana. Laut der Ornithologenvereinigung SEO/BirdLife bieten allein diese Gebiete 25 Prozent der Wasservögel, die hierzulande überwintern, einen Lebensraum.
Doch seien diese Biotope hauptsächlich durch den Menschen bedroht. Als Hauptgründe nennt SEO die Einleitung von Schadstoffen, die Überlastung des Grundwasservorkommens sowie die Ableitungen von Wasser für die Landwirtschaft. Ein schlechtes Management der Wasservorräte verschärfe die Situation weiter. 60 von 74 analysierten Ökosystemen seien bereits bedroht.