Moderne Form der Sklaverei
Prozessauftakt – Deliveroo und Glovo am Pranger – Riders sehen sich als Scheinselbstständige
Madrid – sk. Die Schlinge zieht sich langsam um den Hals der Plattformen zu, für die Fahrradboten Essen unter sehr prekären Bedingungen ausliefern. Die Arbeitsaufsicht hat den Lieferservice Deliveroo angezeigt und beschuldigt, in Madrid 500 Scheinselbstständige zu beschäftigen. Und der tödliche Unfall eines nicht gemeldeten Fahrradboten des Konkurrenten Glovo in Barcelona hat endgültig die Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit auf die 7.000 Riders gelenkt, die für zwei bis vier Euro pro Fahrt Essen ausliefern.
Die Auslieferungsplattformen Deliveroo und Glovo behaupten, ihre Boten stünden in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrer Plattform. Die Riders könnten arbeiten, wann sie wollen und für wen sie wollen. Ferner könnten sie Aufträge ablehnen und würden keine Verantwortung für die Ware übernehmen. Genau das zweifeln die Riders an, die sich selbst als Angestellte ohne Rechte sehen.
Die Argumente der Plattformen nimmt die Seguridad Social ihnen längst nicht mehr ab und fordert Beitragszahlungen von 1,2 Millionen Euro ein. Deliveroo erwecke nur den Schein einer Selbstständigkeit, so die Sozialversicherung. Schließlich lege die Plattform allein Konditionen, Preise und Tarife fest, die Boten stünden in gar keiner Beziehung zu ihren Kunden. Die zentrale Frage im Prozess zirkuliert darum, inwieweit die Ablehnung eines Auftrags sich negativ für den Rider auswirkt.
Wahrlich machen die Apps und ihre Algorithmen es den Boten nicht leicht, Angebote auszuschlagen ohne finanziellen Schaden davonzutragen. Tut er es, sinkt er nämlich im Ranking. Dann verschlechtert sich sein Zugang zu Aufträgen. Die Zahl der erfüllten Lieferungen in einer bestimmten Zeitspanne wiederum wirkt sich positiv auf das Ranking aus. Um Verlässlichkeit zu mimen, vermieten die Riders bei Unpässlichkeit ihre Accounts bisweilen unter – mit Vorliebe an Einwanderer ohne Papiere, die auch für die Hälfte des Tarifs ausfahren. Ein solcher falscher Glovo-Rider war der kürzlich verunglückte in Barcelona.
Dessen Schicksal hat viele Fahrradboten auf die Barrikaden gebracht, die von einer modernen Form der Sklaverei sprechen. Die Gewerkschaft UGT hat nun auch den Konkurrenten Deliveroo angezeigt, weil sie dort sieben illegale Einwanderer erwischte, die Accounts regulärer Riders nutzten und als Sub-Rider ausfuhren. Kritiker sehen in dem Streit um Deliveroo und Glovo Parallelen zu dem Konflikt zwischen Taxis und Plattformen für Mietwagen mit Chauffeur (VTO). „Konsumenten sind sich oft nicht bewusst darüber, dass sie einen Service in Anspruch nehmen, der direkt in die Misere führt“, sagt Tito Álvarez, der für die Rechte der Taxifahrer eintrat.
Seguridad Social fordert Beitragszahlungen von 1,2 Millionen Euro