Die alltägliche chemische Bombe
CBN-Mitarbeiter und BUND-Experte Manuel Fernández deckt Chemieskandal auf
Berlin – sk. Kosmetik, Lebensmittel, Medikamente, Spielzeug, Plastik – all diese Dinge des täglichen Lebens enthalten Chemikalien. Diese Stoffe müssen gemäß der Reach-Verordnung der EU entsprechend registriert und auf ihr Gefährdungspotential hin überprüft worden sein. Monatelang hat BUND-Experte und CBN-Mitarbeiter Manuel Fernández die Codes untersucht, unter denen verschiedene Inhaltsstoffe aufgeführt sind. Die Informationen dazu stellten ihm das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und das European Environmental Bureau (EEB) mit wenig Begeisterung letztendlich zur Verfügung.
Aus den Rechercheergebnissen ergibt sich ein dringend notwendiger Handlungsbedarf: Großunternehmen verstoßen gegen das EUChemikalienrecht und gefährden damit Mensch und Umwelt. Mindestens 41 Chemikalien, die 654 europäische Unternehmen im Handel vertreiben, verfügen nicht über ausreichende Garantien, was den Schutz von Gesundheit und Umwelt betrifft. Die Rede ist von Mengen im Bereich von mehreren Millionen Tonnen jährlich. Und das entpuppte sich nur als die Spitze des Eisbergs, denn keineswegs alle zur Verfügung gestellten Codes konnten konkreten Stoffen zugeordnet werden. Gut möglich also, dass weit mehr Stoffe nicht ordentlich überprüft wurden.
„Unternehmen sind nach der Reach-Richtlinie gesetzlich dazu verpflichtet, nachzuweisen, dass ihre Stoffe keine Gefahr für Menschen und Umwelt darstellen“, sagt Manuel Fernández. Das seit 2017 geltende EU-Chemikalienrecht nimmt Unternehmen in die Pflicht, die Sicherheitsrisiken vor der Kommerzialisierung zu überprüfen. Prinzipiell ein großer Fortschritt. Früher mussten die Produkte erst vom Markt genommen werden, nachdem ihre Gefährlichkeit nachgewiesen worden war. Nicht selten am menschlichen Probanden. Dennoch hält Fernández das Reach für verbesserbar, wirft der EU allzu große Toleranz mit der Chemieindustrie vor. „Als Verbraucher wissen wir nicht, ob die Produkte, die wir kaufen, sicher sind“, sagt Fernández.
Einige der 41 Substanzen stehen im Verdacht, sich negativ auf die Fruchtbarkeit auszuwirken, andere, Juckreiz in den Augen auszulösen oder etwa Schwindelgefühle beziehungsweise Schlaflosigkeit hervorzurufen. Hinzu kommt, dass alle möglichen Gesundheitsprobleme
von Krebs bis hin zu Diabetes regelmäßig bei Untersuchungen und Studien mit toxischen Stoffen in Verbindung gebracht werden. Grund genug also, um Verbraucher aufzuklären.
Den bisherigen Überprüfungsmechanismus hält Fernández für unzureichend, da er dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip nicht gerecht wird. Fünf der zehn größten Chemieunternehmen der Welt gehören zu den säumigen Firmen, so BASF, Dow Chemicals, SABIC, Ineos und ExxonMobil. Weitere bekannte Namen in Deutschland sind das Pharmaunternehmen Merck, die Bayer AG, KiK Textilien, Woolworth sowie die Energieriesen RWE und Vattenfall.
Der Verband der Deutschen Chemieindustrie zeigte sich wenig amused darüber, dass BUND die Firmen veröffentlichte und unterstrich, dass die Industrie bei der Registrierung mitwirke. Allerdings sei es nicht unkompliziert, die Informationen zur Verfügung zu stellen. Fenández akzeptiert diese Erkläurung nicht: „Die Informationen sollten seit Jahren zugänglich sein. Es sind Millionen von Tonnen an Substanzen, die in allen möglichen Produkten stecken und von denen wir bis jetzt nichts wissen. Da ist eine ordentliche Evaluierung der Risiken dringend notwendig“, fordert der Chemiker.
Einige der 41 Substanzen stehen in Verbindung mit Nebenwirkungen