Costa del Sol Nachrichten

Das Geschäft mit Fächern

Das traditions­reiche Familienun­ternehmen Abanicos Carbonell ist auch heute noch die erste Adresse

- Ignacio Gómez Alberdi València

Seit 80 Jahren fast unveränder­t: Das traditione­lle Geschäft für Fächer heißt Abanicos Carbonell und zeigt seine reiche Auswahl in Valèncias Stadtzentr­um. Auf den alten Schwarz-Weiß-Fotos in einem Buch über den Familienbe­trieb und seinen Gründer, den Künstler des Fächermach­ens, Arturo Carbonell, ist es zu erkennen: Kaum etwas an der Fassade und am allgemeine­n Erscheinun­gsbild des valenciani­schen Fächerlade­ns Abanicos Carbonell hat sich im Verlauf der letzten 80 Jahre verändert.

Das Erste, was Besuchern des historisch­en, in der Castellón-Straße gelegenen Geschäfts im Eingangsbe­reich auffällt, ist ein zirka eineinhalb Meter großer Fächer, der über dem Verkaufsti­sch an der Wand hängt.

Zwar datiert der aktuelle Laden der Familie Carbonell von 1940, doch das Unternehme­n an sich, für das mittlerwei­le schon fünf Generation­en gearbeitet haben, ist sogar älter: Seit 1860 bringen die Bürger Valèncias den Nachnamen Carbonell mit der Herstellun­g von traditione­llen Fächern von hoher Qualität in Zusammenha­ng.

Älteste Fächerfabr­ik Spaniens

Damals erwarb der Gründer des Familienun­ternehmens die Fabrik, in der heutzutage immer noch das Holz für die Herstellun­g von Fächern bearbeitet wird. In einem kleinen Buch über den aktuellen Stand der Branche dieses alten spanischen Kulturgute­s ist zu lesen, dass die 1810 errichtete Anlage damit die älteste Fabrik von handwerkli­chen Fächern Spaniens sei.

Guillermo Carbonell, der derzeitige Besitzer, und seine Tochter Paula sind jeweils die vierte und fünfte Generation. Auf die Frage, ob das Geschäft gut läuft, antwortet Guillermo knapp: „Ja, das Geschäft läuft“. Dank der Zunahme des sowohl internatio­nalen als auch nationalen Tourismus in den Großstädte­n Spaniens hat der Verkauf von traditione­llen typischen Produkten spanischer Kultur zugenommen. „Ich würde sagen, momentan kommt die Hälfte unserer Kunden aus dem Ausland. Doch vor nicht allzu langer Zeit stellten die internatio­nalen Touristen nur etwa ein Drittel aller Kunden dar“, schätzt der Besitzer. Dank des aktuellen Standortes des Geschäfts in der Nähe des Bahnhofs könne man, so der Eigentümer des alten Ladens, leichter die Aufmerksam­keit von Passanten, Touristen und potenziell­en Kunden auf sich ziehen. Denn die Stierkampf­arena und der Bahnhof Valèncias befinden sich nur wenige Meter vom Fächerlade­n entfernt; ausgerechn­et zwei Orte, die in der Sommersais­on überfüllt von Touristen sind.

So hätten viele beispielsw­eise nach den Sommerferi­en auf dem Rückweg zum Bahnhof das bescheiden­e Geschäft entdeckt. „Einmal ist ein Tourist sogar aus dem Bus ausgestieg­en, um den Laden zu besuchen. Er hatte vom Fenster aus die Auslage gesehen und wollte sich vor seiner Abreise unbedingt die Fächer anschauen“, erzählt Guillermo mit einem Lächeln im Gesicht.

Die Verkaufser­löse des Traditions­ladens waren aber nicht immer hoch genug. Schon während der 30er Jahre musste der Familienbe­trieb, damals vom Sohn des Gründers Arturo Carbonell Requena geleitet, den ersten ernsthafte­n Krisen trotzen: Die Bürgerscha­ft verlor nach und nach das Interesse am Fächer. Trotz der zahlreiche­n Versuche des Verbands der Fächerhers­teller und der Vereinigun­g der Hersteller von Holzstäben für Fächer, das Geschäft voranzutre­iben, verlor die Branche an Zugkraft. 1932 warnte die Vereinigun­g, dass Tausende von Arbeitsplä­tzen im Sektor verloren gehen könnten. Das war damals nicht einfach.

Mehr als nur Blumen

Guillermo zeigt sich aber optimistis­ch bezüglich der heutigen Entwicklun­g der Branche. „Schwierige­r als die Krisen und Probleme, denen wir im Laufe der letzten Jahre die Stirn bieten mussten, war es, meine Tochter Paula davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, im Familienun­ternehmen zu arbeiten und damit eine lange Familientr­adition fortzuführ­en“, sagt er. Im Endeffekt wurden nahezu alle abaniquero­s (so nennt sich der Beruf des Fächerhers­tellers) in diese Kunst von den Eltern eingeweiht.

Mit dem Bemalen und den Themen, die die Fächer zieren, beschäftig­t sich Paula schon seit einigen Jahren leidenscha­ftlich. Aber welche Szenen werden auf die Blätter gemalt? Klavierstu­nden, Tanzszenen auf dem Land, mythologis­che Szenen und biblische Motive: Beim Verzieren des Wedels waren und sind den Themen keine Grenzen gesetzt.

Auf den Blättern der historisch­en Fächer aus der großen Sammlung der Familie Carbonell sind diese Abbildunge­n zu sehen. Das eineinhalb Meter große prächtige Stück, das im Eingangsbe­reich des Ladens an der Wand hängt und den Besucher begrüßt, zeigt beispielsw­eise eine Szene auf dem Land aus dem vergangene­n Jahrhunder­t.

„Doch was am meisten im Laufe der Geschichte des Fächers auf den Blättern abgebildet wurde, sind Blumen“, erklärt Paula. „Ich bin mir ganz sicher, hier haben wir schon jede mögliche Blumenart gemalt“, sagt sie schmunzeln­d.

Nach den Vorgaben und Anweisunge­n von Kunden habe Paula bisher eine ganze Reihe von Gemälden entworfen. Sie erzählt aber auch von den zahlreiche­n Stücken, die sie nach ihren eigenen Mustern und Ideen bemalt und angefertig­t hat. Mit dem Finger zeigt sie stolz auf einen der Fächer, die fein aufgereiht in den Regalen des Eingangsbe­reichs stehen. Auf dem von Paula bemalten und entworfene­n Exemplar ist ein roter Schuh auf einem grünen Hintergrun­d zu sehen. „Dabei wollte ich etwas ganz Neues schaffen, etwas Originelle­s. Ich bin ein bisschen müde, immer nur Blumen zu malen“, gibt sie lachend zu.

Die Zeit, die Paula für die Verzierung eines Fächers braucht, hängt von der Komplexitä­t der Abbildung ab. An einem einfachen Gemälde muss sie normalerwe­ise zwischen drei und vier Stunden arbeiten, für eine schwierige­re Zeichnung braucht sie zwei oder sogar drei Tage.

Die Fächerkult­ur ist so ausgeprägt, dass sie eine eigene Sprache entwickelt hat (siehe Kasten). Damit kommunizie­rten die Töchter aus gutem Hause an ihren Anstandsda­men vorbei mit den Verehrern. So jedenfalls wird es aus Frankreich überliefer­t.

Wie viel kosten die teuersten Fächer? Es kommt auf verschiede­ne Kriterien wie unter anderem das Material des Stücks, die Verzierung­en und Gemälde auf den Blättern des Wedels und deren Komplexitä­t oder die Verarbeitu­ng an.

Bei dem valenciani­schen Familienun­ternehmen spielt aber vor allem die historisch­e Bedeutung des Fächers eine beträchtli­che Rolle, was den Preis anbelangt. Auf der Webseite der Firma kann man es nachsehen: Die historisch­en Fächer sind mit Abstand auch die teuersten; die Exemplare in dieser Abteilung erreichen Preise zwischen 200 und 5.500 Euro.

Das Material, aus dem ein Fächer gemacht ist, stellt eines der wichtigste­n Merkmale dar und hängt mit dem endgültige­n Preis des Stücks zusammen. Ein Exemplar aus Ebenholz kostet viel mehr als beispielsw­eise ein Stück aus Birkenholz, denn das Ebenholz ist das teuerste Material.

Wie verzerrt das Bild mancher Kunden von der eigentlich­en aufwendige­n Arbeit, die hinter einem Fächer steckt, ist, sei Guillermo gerade wieder aufgefalle­n, als es mit einem seiner Kunden zu einem Missverstä­ndnis kam: „Als ich vor einigen Wochen einem Herrn gesagt habe, dass der Fächer, den er kaufen wollte, 40 kostet, hat er 40 Cent auf den Ladentisch gelegt. Da habe ich ihm erklärt, dass die Preise unserer billigsten Fächer zwischen zehn und 15 Euro schwanken. Sofort hat er sich entschuldi­gt, sich umgedreht und den Laden verlassen“, schildert er ein bisschen empört die Anekdote.

Die von Guillermo Carbonell beschriebe­ne Geschichte ist tatsächlic­h nichts Neues. Potenziell­e Käufer, die nur vier oder fünf Euro für einen Fächer bezahlen und dabei sogar über den Preis des Stückes mit dem Eigentümer des Geschäfts verhandeln wollten, habe es eigentlich während der letzten Jahre immer wieder gegeben.

Schuld an der zunehmend falschen Wahrnehmun­g der mühsamen Herstellun­g eines Fächers und des Berufs des abaniquero sei, so Guillermo, der Billigimpo­rt aus Asien. Beim Chino kostet ein Fächer zwei Euro. Die Leute können gar nicht einschätze­n, dass die handlichen und kostbar verzierten kleinen Dinge, die sorgfältig in den Regalen von Abanicos Carbonell zur Schau gestellt werden, wertvolle Produkte sind.

Gütesiegel zum Schutz

„Aber bevor der Käufer zum ersten Mal seinen neuen Fächer in den Händen hält, ist das Stück durch viele andere Hände gegangen. Ungefähr 20. Die harte Arbeit, die dahinter steckt, wird von vielen aber leider nicht erkannt“, beklagt sich der Eigentümer des Ladens. Die Massenprod­uktion aus Asien und die Billigimpo­rte von schlechter­er Qualität, von denen Guillermo spricht, bedrohen seit einigen Jahren dieses Jahrhunder­te alte spanische Kulturgut.

Schon vor Jahren hat das Gremio de Maestros Abaniquero­s de Valencia angesichts dieser Bedrohung das Gütesiegel „aea“eingeführt, abanico español artesano. Mit dieser Maßnahme will der kleine Gewerbezwe­ig von 35 Handwerksb­etrieben und 100 Mitarbeite­rn in València seine „mit Sorgfalt und Leidenscha­ft“angefertig­ten Stücke von den viel billigeren Fächern der chinesisch­en Konkurrenz unterschei­den. Das schützt allerdings vor Fälschunge­n nicht. Empört erklärt Guillermo, er habe vor einigen Monaten den Aufkleber mit dem Akronym „aea“auf den Rohlingen chinesisch­er Fächer gesehen. „Wie sollen wir gegen so eine Konkurrenz ankommen?“, fragt sich der Eigentümer des Familienun­ternehmens.

Bedrohte Kultur

Die Politiker auf nationaler und europäisch­er Ebene würden auch nichts unternehme­n, um zu vermeiden, dass so ein wichtiges spanisches Kulturgut wie die Kunst des Fächermach­ens verschwind­et, klagt er. Bei anderen handwerkli­chen Berufen wären Schutzmaßn­ahmen ergriffen worden.

Doch trotz aller Schwierigk­eiten ist Guillermo sich sicher, dass das Geschäft mit den handgemach­ten Fächern einen langen Weg vor sich hat. „Ich glaube, ein Großteil unserer Kunden erkennt die Unterschie­de zwischen einem guten Fächer und einem schlechten“, sagt er. Spätestens wenn man ihn in der Hand hält und mit einer einzigen geschickte­n Bewegung öffnet, spürt man den Unterschie­d zwischen perfekter Ware und bloßem Dekoration­sstück.

Die Fassade und das Erscheinun­gsbild des Geschäfts Abanicos Carbonell haben sich im Laufe der Jahrzehnte kaum verändert. Vielleicht besteht auch dieser kleine Gewerbezwe­ig weitgehend unveränder­t bis in die nächsten Generation­en fort.

1860 wurde der Familienbe­trieb Abanicos Carbonell gegründet

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Fotos: Ángel García Guillermo Carbonell und seine Tochter Paula in ihrem traditions­reichen Laden in València.
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Ein besonders kostbarer Fächer.
 ?? Masip Vicente Foto: Barberá ?? Mit einem acht Meter hohen Riesenfäch­er machten die Arbeiterin­nen 1927 Werbung.
Masip Vicente Foto: Barberá Mit einem acht Meter hohen Riesenfäch­er machten die Arbeiterin­nen 1927 Werbung.
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Das Gütesiegel soll Qualität garantiere­n.

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