Immer weniger „leisten“sich Kinder
Spaniens Bevölkerung schrumpft und altert – Viele stellen Wunsch zurück
Madrid – ck. Spanien ist das Land mit der höchsten Lebenserwartung und einem hohem Geburtenrückgang. Dass das lange gutgehen kann, ist unwahrscheinlich, und die neuesten Daten des Nationalen Statistikinstituts (INE) für das erste Halbjahr 2019 bescheinigen den schwindenden Nachwuchs im Eiltempo.
170.074 Geburten in den ersten sechs Monaten sind weniger als je gezählt, und Statistiken liegen seit 1941 vor. 2018 wurden insgesamt 373.000 Babys geboren, zehn Jahre zuvor waren es noch 520.000. Die Geburten im ersten Halbjahr 2019 gingen noch einmal um 6,2 Prozent gegenüber dem ersten Semester 2018 zurück.
Im selben Zeitraum starben in diesem Jahr 215.478 Menschen, das Land verliert also Bevölkerung und das seit 2015, so das INE. Galicien, Kastilien-León und Valencia sind die Regionen mit dem höchsten Bevölkerungsschwund. Allein in Valencia sind 5.287 mehr Personen gestorben als geboren wurden.
Einer der Gründe für den Geburtenschwund ist die wirtschaftliche Lage in Spanien und das Fehlen familienfördernder Politik. Junge Leute wohnen bei den Eltern, weil sie zu wenig verdienen oder begrenzte Arbeitsverträge haben und Wohnungen zu teuer sind, sie zögern die Familiengründung hinaus, und bei Frauen ist es dann oft zu spät für ein Kind oder zwei.
Jede vierte Frau, die ihren Kinderwunsch auf ein Baby reduzierte, tat das um des Berufes Willen. Manch eine hätte, um ihre Arbeit nicht zu
Problem ist auch das Fehlen familienfördernder Politik
verlieren, mehr an den Babysitter gezahlt als sie verdiente.
Demographen führen einen natürlichen Grund an: Nach dem Ende der Baby-Boom-Generation mit einer Million weniger Frauen sei es nur natürlich, dass weniger Kinder geboren würden als vor zehn Jahren. Aber es ist auch offensichtlich, dass pro Familie weniger Kinder das Licht der Welt erblicken. Während 1975 die meisten Mütter 25 Jahre alt waren, lag das Durchschnittsalter für Erstgebärende 2018 bei 31 Jahren. Bei den Männern ist es ähnlich. 95 Prozent der unter 30-Jährigen sind laut INE heute noch nicht Vater.
Die Entwicklung sei in ganz Europa ähnlich, aber in anderen
Ländern würden trotzdem noch mehr Kinder geboren als in Spanien, so die Professorin für Angewandte Wirtschaft an der Universität Complutense in Madrid. Ab 35 Jahren sinkt die Fruchtbarkeit. In diesem Alter mag ein Grund ein finanzieller sein: Die Kosten für künstliche Befruchtung sind hoch.
Es ist höchste Zeit, dass Spanien auf eine Wirtschafts- und Sozialpolitik setzt, die Familien fördert. Nur zwölf Prozent der Frauen ohne Kinder geben an, keine gewollt zu haben, so „El País“.