Quadratur der Kreise
Wenig Spielraum für linkes Duo in Wirtschaftspolitik – Weitere Mindestlohnerhöhung angekündigt
Madrid – mar. Auf 60 Prozent des Medianeinkommens will der amtierende Regierungschef Pedro Sánchez den Mindestlohn in Spanien anheben, wenn eine von ihm geführte Koalitionsregierung mit Podemos zustande komme, teilte er letzten Freitag mit. Das entspräche in etwa 1.200 Euro monatlich, derzeit sind es 900 Euro. Zunächst soll es eine Anhebung um elf Prozent auf 1.000 Euro geben, die 1.200 Euro seien Zielmarke für das Ende der Legislatur.
Bereits vor einem Jahr hatte die Regierung Sánchez den Mindestlohn von 750 auf 900 Euro in einem historischen Rekordschnitt angehoben. An den realen Lebensbedingungen änderte die Erhöhung wenig bis gar nichts. Der Generalsekretär der Gewerkschaft CC.OO., Unai Sordo, erklärt, warum: Arbeitgeber, vor allem in der Land- und Bauwirtschaft, hätten die Erhöhungen über Reduzierungen der bisherigen Zusatzzahlungen abgefangen, in der Gastronomie würde weiter mit Teilzeit- und befristeten Verträgen geschummelt und „13.000 Menschen, vor allem Frauen, die in der Hauswirtschaft tätig sind, wurden in die Schwarzwirtschaft gedrängt.“
Laut Gewerkschaft würden immer mehr Tarifvereinbarungen nicht eingehalten, trotz Inspektionen und trotz der standardisierten Arbeitszeiterfassung. „Wir müssen zum sozialen Dialog zurückkehren“, mahnt Sordo, Kontrollen hätten wenig Sinn, wenn diesen keine wirksamen Sanktionen folgten. Er warnt Sánchez davor, zu glauben, „er könne mit Podemos die Sozial- und Arbeitspolitik alleine aushandeln“.
Querschüsse gab es auch aus Katalonien, dort will man eine stärkere Erhöhung des Mindestlohns, weil man produktiver und das Leben hier teurer sei als im Rest des Landes. Podemos drängt Sánchez, die Arbeitsmarktreformen der PP rückgängig zu machen, um die prekäre Situation eines wachsenden Anteils der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern. Es könne nicht sein, dass die unteren Einkommensschichten 90 Prozent ihrer Gehälter nur für Wohnen und Grundnahrungsmittel aufwenden müssten – die höchste Quote in ganz Westeuropa.
Doch auf der anderen Seite steht die Realität des neoliberalen Weltmarktes und der Einhaltung der EU-Stabilitätskriterien, die den Handlungsspielraum von Sánchez stark einschränken. Während die EU sich mit einem korrigierten
Budgetentwurf zunächst zufrieden gibt, kritisiert die spanische Zentralbank das Anwachsen der öffentlichen Ausgaben und ein Haushaltsdefizit, das wie im Vorjahr bei 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen werde. Seit Beginn der Krise sei es das erste
„Wir müssen zum sozialen Dialog zurückkehren“
Mal, dass das Defizit nicht sinken werde, obwohl der Staat, auch Dank der Mindestlohnerhöhungen, fünf Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen kann.
Die Banco de España warnt vor einem Haushaltsloch von bis zu 30 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre, auch durch Rentenanpassungen, die wegen der steigenden Inflation höher ausfallen werden als 2019. Zwar nimmt die Bank das Wort „Rezession“noch nicht in den Mund, sieht aber neben hausgemachten strukturellen Risiken mit Sorge auch auf den Weltmarkt, den Zollkrieg, den Brexit und auf den erforderlichen ökologischen Umbau – in dem andere Experten einen potenziellen Wachstumsmotor sehen.
Laut den Zentralbankern wird sich das Wachstum der Wirtschaftsleistung in den kommenden drei Jahren verlangsamen und permanent, wenn auch nur um Zehntelpunkte, auf 1,4 bis 1,6 Prozent jährlich abschwächen, gleiches gelte für den privaten Konsum. Immerhin erwartet man einen weiteren Rückgang der im EU-Vergleich hohen Arbeitslosigkeit von derzeit 14,3 auf 12,5 Prozent bis 2022.