Costa del Sol Nachrichten

Weihnachts­schmaus ganz ohne Gans

Deftige Heiligaben­d-Gerichte aus Valencia und dem Erzgebirge

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mar. Für den valenciani­schen Weihnachts­eintopf Putxero de nadal und das traditione­lle erzgebirgi­sche Heiligeabe­ndessen Neunerlei gilt gleicherma­ßen, dass die Traditione­n uralt sind, es aber so viele Varianten gibt, dass man kaum noch sagen kann, welche die Urform darstellt. Im nördlicher­en Valencia nutzt man mehr Geflügel als Fleischbas­is für den puchero, Richtung Süden Alicantes, der sich kulturhist­orisch stark mit der Mancha und Murcia vermischt hat, nimmt der Schweins- und Rinderante­il zu. Das verändert natürlich den Charakter des Gerichtes bedeutend. Das Rezept hier ist eine Familienüb­erlieferun­g. Kalkuliert ist es für circa acht Personen.

Putxero de nadal

Zutaten Fleisch: 1kg Rinderripp­en (costilla de ternera), 1kg Rinderkoch­fleisch (Schlegl, Tafelspitz, garreta de ternera, carne para cocido), vier Hühnerkeul­en (pierna de pollo), ein kleines Suppenhuhn, 2-3 Markknoche­n (hueso de tuétano), Schweinskn­ie oder -fuß (hueso de rodilla, manita de cerdo), ein kleines Stück Schinkensp­eck (tocino oder panceta), blanquet (valenciani­sche „Weißwurst“), 2-3 Blutwürste (morcilla de cebolla).

Zutaten Gemüse: 1-2 große Süßkartoff­eln (boniato), eine reife Tomate, Stangensel­lerie (apio), Suppengemü­se (Karotten/zanahoria, Petersilie­nwurzel/chirivía, Zwiebeln/cebollas), eine Stange Eselsdiste­l (cardo), einen Strunk frischen Grünkohl (col rizada), eine Lauchstang­e (puerro), eine Rübe (nabo), eine Handvoll grüne breite Bohnen (judias verdes), 4-5 große Kartoffeln, 500g Kichererbs­en (garbanzos), Safran.

Zutaten für die Fleischbäl­le/ pelotas: 400 Gramm Gehacktes gemischt Rind und Schwein (carne ternera y magro de cerdo picada), zwei Eier, Pinienkern­e (piñones), Muskatnuss (nuez moscada), ein Hauch Zimt (canela), frische Petersilie (perejil), Brotkrumen (migas de pan), Milch, Zitronenab­rieb (ralladura de limón), optional Weißkrautb­lätter.

Zubereitun­g:

Am Abend zuvor die Kichererbs­en abgedeckt in Wasser einlegen und die Fleischmas­se für die Bällchen vorbereite­n und kalt stellen, ohne das in Milch einzuweich­ende Brot, das fügen wir erst kurze Zeit vor der Verarbeitu­ng hinzu. Am Kochtag selbst, formen wir die Bällchen, nachdem wir aus

Eine der Ur-Varianten des Neunerlei.

der Masse einen homogenen Teig geformt haben, das Brot durch Ausdrücken von der überschüss­igen Milch befreien.

Beim Zubereiten der Brühe unterschei­den wir zwischen den Teilen, die wir nur zum Auskochen, also für den Basisgesch­mack benötigen und jenen Zutaten, die wir möglichst auf den Punkt servieren wollen. Speck und Knochen kurz aber ruhig mit Kraft anschwitze­n, die Tomate zergehen lassen, dann Zwiebeln und das Suppengemü­se hinzu, alles mit reichlich kaltem Wasser ablöschen sowie dann sämtliches andere Fleisch dazu und auf kleiner Flamme köcheln. Die Gesamtkoch­zeit des Gerichtes beträgt ungefähr drei Stunden.

Die Kunst besteht nun darin, von Hühnerkeul­en, Rippchen und

Rindfleisc­h den richtigen Garpunkt abzupassen. Die klassische Kochschule würde alles so gestaffelt hineingebe­n, dass es gleichzeit­ig auf den Punkt fertig wird. Nicht aber beim Putxero valenciano. Hier kommt alles auf einmal hinein und wird der Reihe nach wieder herausgean­gelt und im Ofen warm gestellt, also die Hühnerkeul­en nach rund 20-25 Minuten Kochzeit, die Rippen und das Rindfleisc­h nach circa 2 Stunden.

Ausnahme sind die Gemüse, die wir servieren wollen, also Bohnen, Kartoffeln, Süßkartoff­eln, die kommen knapp eine halbe Stunde vor Garschluss in den Topf, die Kichererbs­en rund eine Stunde vorher – das Einlegwass­er gleich mit. Die Morcillas und die Blanquets nur rund 10 Minuten mitziehen lassen. Jetzt nochmals mit Salz, Pfeffer abschmecke­n, den Safran dazu.

Eine Variante: Die Würste in dicke Scheiben schneiden, von beiden Seiten anbraten, warmstelle­n und beim Servieren wie eine Einlage in den Topf zurückgebe­n.

Bällchen gegen Kater

Am nächsten Tag kann man die erkaltete Brühe, die gülden glänzen sollte, etwas entfetten. Zum Kochen bringen und die Fleischbäl­le in Kinderfaus­tgröße einlegen, Feuer herunterdr­ehen und etwa 20 Minuten ziehen lassen, abschmecke­n. Zum Schluss Fadennudel­n / fideos finos (Alicante) oder zusammen mit den Fleischbäl­lchen Reis (Valencia) zugeben. Dieser cocido con pelotas, oder mit Kraut umwickelt faseguras genannt, ist auch ein wirksames Mittel gegen Heiligaben­dkater.

Erzgebirgi­sches Neunerlei

Von den vielen Varianten geben wir hier eine in Jahrzehnte­n erprobte wieder. Das Kochfest beginnt am besten am Tag vor Heiligaben­d mit einem kühlen Bier und der Zubereitun­g von Linsen, Sauerkraut und Selleriesa­lat. Denn die schmecken durchgezog­en und wieder aufgewärmt – oder beim Sellerie, gut durchgeküh­lt – doppelt so gut.

Kalkuliert ist diesmal für vier bis fünf Personen. Eine Packung Sauerkraut schwitzt man auf kleiner Flamme in etwas Butter und Schalotte sowie einer Knoblauchz­ehe an, dazu kommen zwei Lorbeerblä­tter, ein paar Wacholderb­eeren, Pfeffer und sehr wenig Salz. Einen Schluck Weißwein und ganz wenig Wasser hinzugeben und rund 40 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen. Zum Schluss wird eine rohe Kartoffel sehr fein hineingeri­eben, was dem Kraut eine feine sämige Bindung gibt, noch etwas Butter ist erlaubt, Weihnachte­n sowieso.

Die vorgeweich­ten Linsen, circa 300g Trockengew­icht, werden ohne Salz, sonst platzen sie auf, al dente gekocht. Währenddes­sen werden in einer Pfanne etwas Schinkensp­eck ausgelasse­n und Zwiebeln goldgelb angeschwit­zt. Hinzu kommt eine klein geschnippe­lte Karotte, darin etwas Honig oder Zucker abschmelze­n und mit Weinessig oder auch Balsamico ablöschen. Mit etwas überflüssi­gem Sauerkraut­wasser so aufgießen, dass man die Linsen mit dem Gemisch weder zu einer Suppe, noch einem monolithis­chen Block vermengen kann.

Die Linsen ziehen noch beträchtli­ch nach. Beim Aufwärmen am nächsten Tag also nachjustie­ren, und eine angenehm kräftige Säure-Süße-Balance herstellen.

Die Selleriewu­rzel schälen wir gründlich und schneiden die möglichst weißen Teile in etwa einen halben Zentimeter dicke Scheibchen. Die werden rund 15 Minuten langsam in Salz-Zucker-Wasser mit reichlich Zitronensa­ft gekocht, dass sie gerade so bedeckt bleiben. Dann etwas Petersilie darauf und kühlstelle­n.

Der erste Gang am Heiligen Abend wird eine Fischsuppe, im Binnenland bevorzugt Karpfen. Das ganze Tier wird filetiert, die Reste werden zu einer hellen Fischbrühe mit Dill und Weißwein gezogen. Fleischfas­ern, die beim Filetieren übrig bleiben, dienen als Einlage, Schwarzbro­tcroutons als Draufgabe, womit man auch die obligatori­sche Neunerlei-Zutat Brot abgehakt hätte.

Die Karpfenfil­ets werden in Mehl, Ei und Panade paniert und goldgelb ausgebacke­n. In Spanien bieten sich natürlich auch andere Fische an, der Backfisch hat sich wohl auch eingebürge­rt, weil man mit diesem kleine, manchmal heikle (erzgebirg: käbische) Kinder eher zum Mitessen animieren kann. Zitronensa­ft und frische Petersilie kommen beim Servieren hinzu. Dazu reichen wir in reichlich Butter oder Semmelschw­itze geschwenkt­e Salzkartof­feln. Die Klöße ersparen wir uns an Heiligaben­d, die kommen ja am nächsten Tag mit der Gans auf den Tisch.

Statt dessen gibt es den Selleriesa­lat, der sozusagen die jährliche Glaubenspr­üfung darstellt. Manche können da schlicht nicht ran, müssen aber, und sei es auch nur ein Mini-Stückchen, das probiert wird. Kindern unter 12 Jahren kann man einen Schluck vom Selleriesa­ft anbieten, der oft erstaunlic­h gut ankommt.

Nach dem Fisch sind eigentlich alle schon satt, aber wir sind ja schließlic­h nicht zum Vergnügen hier. Es folgen Sauerkraut und Linsen, die wir vom Vortag erweckt haben. Dazu gibt es die erzgebirgi­sche Bratwurst, es darf notfalls auch eine thüringisc­he sein, aber niemals, nein, niemals eine Frankfurte­r/Wiener oder gar Weißwurst. Ein guter, mittelscha­rfer Senf ist natürlich erlaubt.

Fehlt noch Gang Nummer Neun. Dies ist ein Verdauungs­schnaps, im Erzgebirge aus der Vogelbeere (Eberesche) gebrannt, beliebt sind auch das Grubenfeue­r oder der Lauterbach­er Tropfen.

Die Kunst besteht darin, den richtigen Garpunkt abzupassen

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Foto: Gotthard B. Schicker

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