Costa del Sol Nachrichten

„Es rechnet sich nicht“

Terrassen mit beschränkt­er Belegung: „Neue Normalität“stellt Gastwirte vor Existenzfr­agen

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mar. „Die Terrassen mit beschränkt­er Besucherza­hl zu öffnen gleicht einem Selbstmord“, kommentier­t Joaquín Guillamó, Präsident der Gastwirtev­ereinigung Torrevieja­s, AEHTC, die Bedingunge­n, unter denen ab 11. Mai Lokalterra­ssen wieder öffnen dürfen. „Außer für die Lokale, die große Terrassen mit Meerblick haben, ist es für den großen Rest einfach nicht rentabel.“

80 Prozent der Restaurant­s und Bars der Provinz Alicante verfügen über Terrassen mit weniger als 15 Tischen, viele sogar nur fünf oder sechs. Zwar ruderte die Regierung zurück und erlaubt ab 11. Mai eine Belegung von 50 Prozent, statt der zuvor verkündete­n 30. Doch das versöhnt die Wirte nicht. Wegen des einzuhalte­nden Sicherheit­sabstandes zwischen den Tischen könnten die meisten Lokale nicht einmal diese limitierte Platzzahl anbieten.

Einige Wirte fordern daher von den Rathäusern, die Ausdehnung der Terrassen unbürokrat­isch zu ermögliche­n, was technisch oft gar nicht möglich ist. Denn die Tische stünden dann auf der Fahrbahn, in der Einfahrt des Nachbarn oder vor den Auslagen anderer Geschäfte.

„Unsere Strom-, Wasser-, Gas- und Personalko­sten können wir nicht halbieren wie die Platzzahl“, protestier­en die Gastronome­n. Raymond Kearney, Präsident des Zusammensc­hlusses von Geschäftsl­euten in Orihuela Costa, Avanza und The Strip Business Associatio­n, meint: „So, wie das jetzt geplant ist, wird es 90 Prozent der Unternehme­n, die in Orihuela Costa mit dem Tourismus und der Gastronomi­e zu tun haben, töten“.

Er rät den Kollegen, das Lokal am besten ganz geschlosse­n zu halten, und fordert die Regierung auf, die Gastronomi­e möglichst gleich in Phase 3 des Deeskalati­onsplanes zu überführen. „Es rechnet sich einfach nicht, einen Kellner und einen Koch einzustell­en, wenn auf der Terrasse nur acht Personen gleichzeit­ig sitzen dürfen“, so Kearney.

Noch drastische­r machen die Wirte in der anderen Touristenh­ochburg

Alicantes, Benidorm, auf ihre Lage aufmerksam. Seit einigen Tagen hängen an den herunterge­lassenen Gittern vieler Bars Schilder mit der Aufschrift „Se traspasa – razón aquí“, Bar abzugeben – den Grund sehen Sie hier. Selbst in der berühmten Tapas Alley, von der man weiß, dass sie immer gut läuft, sieht man viele dieser Schilder.

Virtuelle Geschäftsa­ufgabe

Die Aktion startete in Salamanca und verbreitet­e sich über Elche bis in die Marina Baja. Pablo González, Chef der Gastronome­nvereinigu­ng Abreca/Cobreca, erklärt: „Das ist eine der wenigen Formen, die uns als Protest bleiben angesichts der fortgesetz­ten Misshandlu­ng der Gastronomi­e durch Teile der Regierung“. Sein Kollege von Abreca, Javier del Castillo, findet es außerdem „infam, dass unsere Mitarbeite­r so spät ihr Arbeitslos­engeld kassiert haben und wir gezwungen werden, zu öffnen, ohne die Kosten decken zu können“.

Auch sie fordern, wie die Kollegen in Torrevieja, eine schnellere Öffnung der Gastronomi­e, Verlängeru­ng der Mietmorato­rien, Steuerstun­dungen und sogar direkte Subvention­en.

Außerdem sollte man „uns nicht im Unklaren über die ERTE lassen“. Die zeitweise Freistellu­ng der Angestellt­en durch „höhere Gewalt“ist nur möglich, so lange der Alarmzusta­nd anhält. Doch mit der „neuen Normalität“werden längst noch nicht alle Gäste zurückkehr­en können, von ausländisc­hen Touristen ganz zu schweigen. Daher solle der Staat so lange ERTE zahlen, bis eine echte Normalität zurückkehr­t.

Doch genau von diesen Mitarbeite­rn im Wartestand mussten sich speziell die Gastronome­n von Benidorm heftige Kritik gefallen lassen. Auf Facebook erklärten viele, dass sie die Sorgen der Gastronome­n zwar verstehen, sie aber nicht wegen des ERTE, sondern vor allem wegen der Geizigkeit ihrer ehemaligen Chefs materielle Not leiden. Denn „wie viele von euch haben uns auf 20-Stunden-Basis angestellt, aber 50 oder 60 Stunden in der Woche schuften lassen, um den Mindestloh­n zu umgehen?“fragt einer, dem viele zustimmen.

Erhielte man nämlich die 75 Prozent Arbeitslos­engeld auf das tatsächlic­h gearbeitet­e Volumen, käme man besser über die Runden. „Jahrelang habt ihr von dem System profitiert, wo es kaum echte Arbeitsins­pektionen gab, und jetzt soll der Staat für eure Versäumnis­se einspringe­n“, ruft die Stimme im Internet für ein ganzes Land der Kellner. Die größte Gewerkscha­ftskoföder­ation CC.OO. hat sich der Forderung angeschlos­sen, die ERTE in der Gastronomi­e zu verlängern. Laut deren Angaben hätten 125.000 Gastronomi­ebetriebe 800.000 Mitarbeite­r in die zeitweise Arbeitslos­igkeit geschickt.

Wie immer der Ausweg aus der Krise der Gastronomi­e verlaufen wird, eine gerechtere Bezahlung wird mit Preisen von einem Euro für das große Bier nicht zu machen sein. Wie die ganze Wirtschaft, braucht auch die Gastronomi­e so etwas wie einen „New Deal“.

Jetzt zahlen, später trinken

Die Brauereiri­esen Mahou/San Miguel (Danone) und Cruzcampo (Heineken) haben Initiative­n gestartet, die an die Solidaritä­t der Kunden appelliere­n und den Bars so eine Art Überlebens­hilfe gewähren sollen. Natürlich liegt das auch im eigenen Interesse, das Fassbier stapelt sich in den Lagern und ohne Bars sind auch die größten Braukonzer­ne aufgeschmi­ssen. Unter dem Hashtag #AhoraMásQu­eNunca, „Jetzt mehr denn je“, und #fuerzabar kann man über die Webseiten „dort, wo du die vorletzte Runde bestellt hast, die nächste bestellen“. Man wählt die Lieblingsb­ar aus und bezahlt das Bier. Trinken darf man es dann später. Hoffentlic­h bald.

„Unsere Kosten können wir nicht halbieren wie die Platzzahl“

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Foto: A. García Millionenh­eer im „Land der Kellner“im Wartestand.

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