Regierung unschuldig
Gericht spricht Regierung von Verantwortung für Genehmigung der Demo am Weltfrauentag frei
Kein Strafverfahren: Gericht hält 8-M-Kundgebungen zu Beginn der Corona-Krise für legitim
Madrid – sk. Jede Katastrophe hat ihre Symbole und Bilder, die das kollektive Gedächtnis prägen. Diesbezüglich markierte kein Ereignis so prägnant den Anfang der Corona-Pandemie in Spanien wie die Demonstration am Weltfrauentag am 8. März, also sechs Tage vor Ausruf des Notstands. Ein Gericht musste entscheiden, ob die Regierung mit der Genehmigung von Massenevents wie diesem eine Verantwortung am Ausbruch und dem Ausmaß der Corona-Krise trägt.
Das Amtsgericht Madrid hat den sogenannten „caso de 8-M“vorläufig zu den Akten gelegt. Die zuständige Richterin Carmen Rodríguez-Medel fand in den Ermittlungsakten über die Demo zum Weltfrauentag nicht genug Indizien, die eine Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Regierungsdelegierten der Region Madrid, José Manuel Franco (PSOE), rechtfertigen würden.
Wohl aber kreidete die Richterin dem sozialistischen Politiker seine Passivität an und schloss nicht aus, dass die Angelegenheit noch anderweitig ein juristisches Nachspiel etwa wegen Fahrlässigkeit haben könnte. Das Gesundheitsministerium erfasste zum 8. März bereits 589 Infizierte und 17 Covid-19-Opfer in Spanien. Davon stammten 202 Infizierte und acht Opfer aus Madrid
Derzeit halten bei einer Umfrage unter Lesern der Zeitung „La Vanguardia“68 Prozent der Befragten es einen Fehler, die Demonstration zu genehmigen. Die Richterin befand aber , dass in dem untersuchten Zeitraum vom 5. bis 14. März der Regierungsdelegierte über „kein fachlich gesichertes Wissen über Risiken für die Gesundheit der Personen, die Demonstrationen und Massenveranstaltungen beiwohnen“, verfügte.
Somit machte er sich nicht der Rechtsbeugung oder des Amtsmissbrauchs schuldig. Abgesehen davon, dass vor Ausruf des Notstands am 14. März erstens das Grundrecht der Versammlungsfreiheit galt und die Gesundheitspolitik auf Länderebene angesiedelt war, nicht bei der Zentralregierung, deren Vertreter Franco ist.
Corona wird am 11. März, drei Tage nach der Demo, zur Pandemie erklärt
Die Weltgesundheitsorganisation erklärte am 11. März, also drei Tage nach der Demo, die SarsCov-2-Infektionen zu einer Pandemie. In der ersten Märzhälfte fanden auch andere Großveranstaltungen wie etwa Parteitage wie der von Vox oder Fußballspiele statt – unter anderem die berüchtigten
Champions-League-Spiele zwischen Atlético Madrid und Liverpool sowie zwischen Valencia und Bergamo.
Die Richterin zitierte auch Studien, gemäß denen die Großveranstaltungen im März die Ansteckungsgefahr erhöht haben. Allerdings könne man aus medizinischer Sicht keine Kausalbeziehung von Ursache und Wirkung aufstellen, wie etwa die einer Demo-Teilnahme mit der Infizierung mit dem Coronavirus. „Die Ansteckung kann sich bei einer Begegnung in einem Aufzug oder bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel genauso ereignen wie bei der Teilnahme an der Demonstration. Der Ort lässt sich nicht bestimmen“, begründete die Richterin.
Der Regierungdelegierte José Manuel Franco nahm selbst an der Demo teil und das in Begleitung seiner Tochter, einer Ärztin. Am 8.
März wollte man sicherlich ein politisches Zeichen für den Wandel setzen. Man darf nicht vergessen, wie der Prozess gegen die Gruppenvergewaltigung der Manada das Land aufgerüttelt und seiner gravierenden Defizite bezüglich der Gleichberechtigung vor Augen geführt hatte.
Demo als politisches Zeichen
Diese ideologische Komponente nutzt die Opposition gerne als Steilvorlage, um der Regierung zu unterstellen, sie habe mit der Duldung der Demonstration am 8. März die Ausbreitung des Coronavirus in Kauf genommen. Diesen Tenor schlägt auch der umstrittene Bericht der Guardia Civil für die Ermittlungen zu diesem Fall ein. Deren Führungsspitze in Madrid setzte Innenminister Fernando Grande-Marlaska ab und geriet ebenfalls ins Visier der Opposition.