Geteiltes Land
Zweite Corona-Welle ebbt an Küste ab – Hauptstadt Madrid in Quarantäne
Spanien hat die Hauptstadt dichtgemacht. Die Millionen-Metropole steht wegen der hohen Corona-Infektionsgefahr seit Samstag für zwei Wochen unter Quarantäne. Am Montag folgten den 4,7 Millionen Einwohnern Madrids und der neun Kommunen in ihrem Speckgürtel mit León und Palencia zwei weitere namhafte Städte in die Isolation. Die angespannte Lage lässt sich nicht vergleichen mit vielen Regionen an der Mittelmeerküste, wo die zweite Welle an Kraft verliert. Mit einer Inzidenz von 150,84 und einem Anteil von 7,47 Prozent von Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern steht Andalusien gut da. Die Junta hat am Dienstag trotzdem Linares in der Provinz Jáen abgeriegelt.
„Es gibt jetzt mehr Bewegung in der Hauptstadt als gestern“
Madrid – sk. Spanien hat seine Hauptstadt dichtgemacht. Die Millionen-Metropole steht wegen der hohen Coronainfektionsgefahr seit Samstag für zwei Wochen unter Quarantäne, niemand darf rein oder raus. „Absurd“ist das häufigste Wort, das die Menschen im Corona-Hotspot für die PandemieMaßnahmen finden. Am Montag folgten den 4,7 Millionen Einwohnern der Großstadt und der neun Kommunen in ihrem Speckgürtel mit León und Palencia zwei weitere namhafte Städte in die Isolation, weil die 14-Tage-Inzidenz über 500 liegt, zehn Prozent aller CoronaTests positiv ausfallen und die Intensivbetten zu 35 Prozent mit Covid-Patienten belegt sind.
Kaum zu glauben, dass der Marina Alta-Kreis in Spanien liegt. Von Freitag auf Montag meldet das Kreiskrankenhaus nur zehn neue Coronavirusfälle und drei davon in Dénia. Mit 98 Neuinfektionen und einer 14-Tage-Inzidenz von 99,72 neuen SARS-CoV-2Fällen unter 100.000 Einwohnern binnen 14 Tagen belegt Valencia einmal mehr, dass die Region das Coronavirus unter Kontrolle bekommt. Sie steht besser als anderen Gebiete da und liegt unter dem Spanienschnitt von 254 (Spanien zieht die 14-Tage-Inzidenz heran im Gegensatz zu Deutschland, das Reisewarnungen auf Grundlage der 7-Tage-Inzidenz ausspricht).
Mittelmeerraum steht gut da
Madrid erreicht eine Inzidenz von 586,64 und Navarra von 684,03 – was mit zu den höchsten Werten im westlichen Europa zählen dürfte. Auch das kleine Murcia führt mit einer Inzidenz von 341,99 in Hotspots wie Lorca, Jumilla und Totana einen verzweifelten Kampf gegen das Coronavirus. Ansonsten sieht es an der Mittelmeerküste und inzwischen sogar in Katalonien gut aus.
Mit einer Inzidenz von 150,84 und einem Anteil von 7,47 Prozent von Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern zählt auch Andalusien zu den Regionen, die derzeit mit am wenigsten von der zweiten Corona-Welle betroffen sind. Die Junta hat am Dienstag trotzdem Linares in der Provinz Jáen abgeriegelt, nachdem in der 57.000Einwohner-Stadt bei 1.900 Tests 25-mal das Corona festgestellt wurde. Bereits am 30. September stellten die Behörden Casariche in der Provinz Sevilla unter Quarantäne.
Ministerpräsident Ximo Puig will das valencianische Volk am Landesfeiertag am 9. Oktober für die Anstrengungen in der CoronaBekämpfung mit der höchsten Auszeichnung der Region würdigen. Eine Bürgerinitiative namens „Wir sind das Nachtleben“springt auf die Feierwelle auf und fordert eine Wiederbelebung der Kneipenkultur. Noch am Montag verfliegt die Euphorie aber wegen des MassenAusbruchs nach einer Party unter Studenten der Polytechnischen Universität mit bisher 168 Infizierten, der 25.000 junge Menschen zu Heimstudien anstelle von Vorlesungen, Seminaren und Praktika verdonnert – so schnell kann es gehen. Die regionale Gesundheitsministerin Ana Barceló sagt vorsichtshalber die Fallas 2021 und alle Großveranstaltungen ab, solange es keine Schutzimpfung gibt.
Viele Experten warnen derweil vor allzu großem Optimismus. Das Gesundheitsministerium hat am Montag beim Auftakt der Grippeimpfungen die Ziele sehr hoch gesteckt und will 75 Prozent aller Senioren über 65 Jahre sowie des Personals des Gesundheitswesens und 60 Prozent aller schwangeren
Frauen und Personen mit chronischen Leiden vor schweren Grippe-Erkrankungen schützen – nicht zuletzt, um Druck von den Krankenhäusern zu nehmen. Dabei gibt es scheinbar keinen Grund zur Sorge, der Anteil von Covid-19Patienten in den spanischen Krankenhäusern liegt bei 9,36 Prozent und in den Intensivstationen bei 18,32 Prozent. Trotzdem – niemand möchte mehr die Zustände von März und April erleben, keiner möchte sich vorwerfen lassen, die Zügel vorschnell gelockert zu haben wie im Juli und August.
Weit über 5,5 Millionen Spanier nehmen Einschränkungen verschiedener Arten in ihrer Bewegungsfreiheit oder in ihrem Alltag in Kauf, in Ourense müssen soziale Treffen mit Personen aus anderen Haushalten gar angemeldet werden, in Madrid dürfen Bewohner nur in Ausnahmesituationen die Stadt verlassen, wie etwa um den Arzt zu besuchen oder zur Arbeit
zu fahren. Generell wird die Bevölkerung angehalten, soziale Kontakte und Mobilität zu vermeiden. Darunter leidet die Wirtschaft enorm. Bars und Restaurants müssen um 23 Uhr schließen, Besucher dürfen die Hauptstadt nur in Ausnahmefällen betreten. Die Regierung geht von einem wirtschaftlichen Rückgang von 11,2 Prozent und einer Arbeitslosigkeit von 17,1 Prozent zum Jahresende aus. Trotz abermaliger Verschlechterung der Prognosen blickt Wirtschaftsministerin Nadia Calviño (PSOE) am Dienstag optimistisch dem Jahr 2021 entgegen. „Die wirtschaftliche Erholung läuft bereits an.“
Derweil stockt und stottert in Madrid so einiges. Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida (PP) hält diese Art der Abriegelung am Samstag für „Quatsch. Es gibt jetzt mehr Bewegung in der Hauptstadt als gestern“. Das Gesundheitsministerium ersetzte die bis dato von der Region verhängte Absperrung einzelner Viertel mit hohen Fallzahlen durch eine Quarantäne für die ganze Stadt. Die Madrilenen dürfen Madrid nicht verlassen, sich aber wohl in der ganzen Stadt frei bewegen. Am Samstag strömen sie von überallher ins Zentrum – also die Corona-geplagten Südstädter aus einigen der ehemals abgeriegelten Vierteln genauso wie die Hauptstädtern aus besser situierten und weniger von der Pandemie betroffenen Vierteln nördlich der Stadtautobahn M-30. Soziale Grenzen kennt das Virus jetzt jedenfalls keine mehr.
Während sich Land und Region über die richtigen Maßnahmen gegen Corona streiten, verlieren viele Bürger das Vertrauen in die Politik. Auch 55 Verbände aus Wissenschaft und Medizin unterstellten ihr Versäumnisse in der Covid-19-Bekämpfung. „Im Gesundheitswesen befehlt ihr, ohne zu wissen, was ihr tut“, lautet die Petition auf der Online-Plattform change.org, hinter der 170.000 Fachleute stehen. Sie fordern, dass die Politik und die Diskussion bei der Bekämpfung der Pandemie zur Seite treten und der Wissenschaft und Aktion Platz machen, treten für einheitliche Kriterien sowie koordiniertes Vorgehen auf Basis eines nationales Protokolls für das Gesundheitswesen ein. „Wir müssen die politische, professionelle und humane Unbeständigkeit beenden.“
Zahlen für die letzten sieben Tage (Stand 6. Oktober) Andalusien: 59,84 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 78,82). 326 neue Covid-Patienten im Krankenhaus (Vorwoche: 493), 25 auf Intensivstationen (23). 79 Tote (67).
Murcia: 164,07 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 164,07), 152 neue Covid-Patienten im Krankenhaus (Vorwoche: 168), 22 auf Intensivstationen (23), zwei Tote (2).
Valencia: 46,97 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 45,35), 157 neue Covid-Patienten im Krankenhaus (Vorwoche: 144), 6 auf Intensivstationen (13), 16 Tote (25).
Spanien gesamt: 117,97 Fälle pro 100.000 Einwohner (Vorwoche: 127,97), 2.271 neue Covid-Patienten im Krankenhaus (2.271), 161 auf Intensivstationen (179), 484 Tote (443).