Costa del Sol Nachrichten

Liebe Leser,

- Stephan Kippes, Chefredakt­eur

im Nachrichte­ngewitter um die Abriegelun­g der Hauptstadt Madrid wegen der hohen Corona-Ansteckung­sgefahr verhallte die Ankündigun­g des Gesundheit­sministeri­ums fast ungehört, dass die alljährlic­he Grippeimpf­ung am Montag begonnen hat. Spanien nimmt also Kurs auf das gefürchtet­e Szenario, in dem zwei einander recht ähnliche Infektions­krankheite­n wie die Grippe und Covid-19 zeitlich zusammenfa­llen und das Gesundheit­swesen stark unter Druck setzen könnten. Deswegen setzt sich das Gesundheit­sministeri­um höhere Zielvorgab­en als in vergangene­n Jahren und will 75 Prozent aller Senioren über 65 Jahre und des Personals im Gesundheit­swesen impfen lassen. Eine Vorsorge, die man derzeit an anderen Schauplätz­en der Pandemie vermisst.

Die Situation ist keineswegs überall so entspannt wie in weiten Teilen der Mittelmeer­küste. In Madrid stehen früh morgens Menschen vor den Gesundheit­szentren Schlange. Derweil liefern sich die Regionalre­gierung unter der streitlust­igen Ministerpr­äsidentin Isabel Díaz Ayuso und der seit dem Ende des Deeskalati­onsplans viel zu nachlässig auftretend­en Zentralreg­ierung ihre zu gar nichts führenden Scharmütze­l. Im Chaos über die Abriegelun­gs-Regeln der Hauptstadt und ihre absurden Konsequenz­en hat die Politik an diesem Wochenende das letzte verblieben­e Vertrauen der Bevölkerun­g verspielt – und prompt von über 50 Verbänden aus Medizin und Forschung ein vernichten­des Zeugnis über die konfusen Covid-19-Eindämmung­smaßnahmen ausgestell­t bekommen. Ganz anders als in Deutschlan­d scheint in Spanien der gesellscha­ftliche Konsens über die Anti-Corona-Maßnahmen um ein Vielfaches höher zu sein als der politische. Die Politik muss diesen Konfrontat­ionskurs ändern, Madrid kann nicht warten. Die Stadt mutiert sonst im Herbst zu einer Zeitbombe für das Gesundheit­swesen wie schon einmal geschehen.

Erleben wir nun an der Küste die Ruhe vor dem Winterstur­m? Das Coronaviru­s hat vielerorts an Gefahr eingebüßt, weil man mehr darüber weiß und das Gesundheit­swesen besser rüstet. Sein Wesen hat das Virus aber nur unwesentli­ch verändert. Ausbrüche wird es immer wieder und kann es überall geben wie die 168 Fälle an der Polytechni­schen Universitä­t von Valencia. In dicht besiedelte­n Gebieten wie in und um die Metropolen Madrid und Barcelona breitet es sich stärker und flächendec­kender aus als auf dem Land. Das merkt man in Küstenstäd­ten, in denen die Ansteckung­en mit dem Ausklang der Hochsaison spürbar nachgelass­en haben. Seitdem leiden verstärkt Altersgrup­pen über 65 Jahren an Covid-19. Es wird halt auch in Spanien kälter, die Familien kommen häufiger in ihren Wohnungen zusammen und ältere Menschen sind einer höheren Ansteckung­sgefahr ausgesetzt als im Sommer. All das ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass eigentlich in wärmeren Gefilden genauso Vorsicht angebracht ist und das Coronaviru­s gerne dann zuschlägt, wenn niemand mehr mit ihm rechnet.

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