Schnitzel statt Schinken
Fleischfabrikant Tönnies plant nach Skandalen in Deutschland Schlachthof in Teruel – Rathaus freut sich über Arbeitsplätze
Teruel steht für Schinken. Die Provinz in der Region Aragón ist berühmt für ihren Jamón de Teruel mit eigenem, geschützten Herkunftssiegel und zeigt das auch gerne. Wer sich über die Autobahn der Provinz nähert, wird mit riesigen Schinken-Skulpturen begrüßt. Bald könnten sich allerdings Schweine-Schnitzel dazugesellen: Der deutsche Fleischfabrikant Tönnies will sich mit einem Schlachthof hier niederlassen.
Spanischen Medienberichten zufolge plant das Unternehmen den Bau einer Fleischfabrik im Industriegebiet der Gemeinde Calamocha. Dort sollen 1.000 Arbeitsplätze entstehen, hat das Umweltinstitut von Aragón, Inaga, bekanntgegeben. Der SchweineSchlachtbetrieb soll demnach einer der größten Arbeitgeber der Provinz Teruel werden. Baubeginn für die Fabrik soll noch in diesem Jahr sein, die Fertigstellung des Werks ist für 2024 geplant.
Größter Schweineschlachter
Tönnies steht für Massenproduktion, das Unternehmen mit Zentrale in Rheda-Wiedenbrück ist Deutschlands größter Schlachtbetrieb für Schweine. Zuletzt hatte der Fleischfabrikant wegen vermehrter Coronavirus-Fälle unter den Angestellten im Kreis Gütersloh für Aufsehen gesorgt. Immer mehr, größtenteils osteuropäische Zeitarbeiter, äußerten sich gegenüber den Medien, berichteten von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und Unterkünften. Die Corona-Ausbrüche mündeten in einem Skandal um Billigfleisch und Ausbeutung von Arbeitskräften, ganze Wohnblock-Siedlungen standen zeitweise unter Quarantäne, für den Kreis Gütersloh gab es Einschränkungen.
Das Unternehmen reagierte schließlich und kündigte Ende Juni an, die Werkverträge „in allen
Kernbereichen der Fleischgewinnung“abzuschaffen. Kritiker sehen in dem geplanten Schlachthof in Spanien eine Flucht nach vorne, um den bald strengeren Regeln in Deutschland zu entfliehen. Die Verhandlungen zum Werk dürften aber schon wesentlich länger andauern und begonnen haben, als „Coronavirus“noch nicht zum allgemeinen Wortschatz gehörte.
Wie die Arbeitsbedingungen letztlich in dem geplanten Werk in Spanien aussehen werden, bleibt abzuwarten. Billige Massenproduktion, fragwürdige Arbeitsbedingungen und Zeitarbeitsfirmen, die gezielt Immigranten einstellen, sind auch hier ein Thema. Und es hat auch in Spanien Corona-Ausbrüche in der Lebensmittelindustrie gegeben, sei es in Schlachthöfen wie in Rafelbunyol oder eben auch in Aragón, oder unter den Feldarbeitern in Murcia und Almería.
Im Industriegebiet von Calamocha plant Tönnies nun einen riesigen, hochmodernen Schlachthof mit automatisiertem, teilweise von Robotern unterstütztem Betrieb. 625 Schweine sollen in der Fabrik in Spanien laut der Zeitung „Heraldo“künftig pro Stunde geschlachtet werden, 10.000 Tiere am Tag, 2,4 Millionen im Jahr.
In einem Stall sollen sich bis zu 1.000 Schweine nach dem LkwTransport und vor der Schlachtung „erholen“. Neben dem Schlachtbetrieb ist auch eine Abteilung zur Verarbeitung von Schweinefleischprodukten geplant.
Verkauft werden sollen die in Calamocha produzierten frischen Tönnies-Produkte künftig in ganz Spanien und in anderen EU-Ländern. Tiefkühlware aus dem Schlachthof ist für den asiatischen und weltweiten Markt geplant. In Deutschland sind Tönnies-Produkte in den meisten Supermärkten zu finden.
Bei dem 300.000 Quadratmeter großen Grundstück, auf dem Tönnies seine Fleischfabrik plant, handelt es sich um einen früheren Flugplatz. Calamochas Bürgermeister Manuel Rando betonte gegenüber „Heraldo“, dass „noch nicht alles unterschrieben“sei. Er sprach aber auch davon, dass der Tönnies-Schlachthof ein großer wirtschaftlicher Gewinn für Calamocha und Umgebung wäre. „Zu den 1.000 direkten Arbeitsplätzen würden noch viele indirekte dazukommen. Unser Rathaus arbeitet seit fünf Jahren daran, dass sich Tönnies hier niederlässt“, so Rando. Seine Gemeinde zählt gerade einmal 4.000 Einwohner.
Für die Tönnies-Gruppe wäre es übrigens nicht das erste Werk in Spanien. Der Fleischfabrikant betreibt bereits einen Schlachthof in Spanien: in der Gemeinde La Mata de los Olmos, ebenfalls in Teruel.
Im neuen Werk sollen künftig 2,4 Millionen Schweine jährlich geschlachtet werden