Infektionszahlen steigen
Quarantänemaßnahmen nehmen in Spanien zu – Valencia weiterhin Primus, Madrid aber nicht mehr alleiniges Sorgenkind
Alicante/Murcia/Málaga – sk. Esther Duflo und Abhijit Banerjee stellen Frankreich vor eine kafkaeske Wahl. Die beiden Nobelpreisträger für Wirtschaft machen das Weihnachtsfest von einem Lockdown vom 1. bis 20 Dezember abhängig. Nur dann kann trautes Fest im Kreis von Familie und Freunden in Zeiten der Coronavirus-Pandemie möglich sein, meinen die Ökonomen.
Natürlich haben alle Politiker von Paris bis Madrid den Vorstoß als absurd und abstrus bezeichnet, aber wenn der Bürgermeister von Madrid, José Luis Martínez-Almeida, von einem „anderen Weihnachten“als sonst faselt und der blutleere Gesundheitsminister Salvador Illa ohne Grund Adventsstimmung mit neuen Auflagen versprüht, lässt sich ahnen, was die Politiker umtreibt. Auch die Bundesrepublik Deutschland verschärft die Auflagen für den Reiseverkehr aus sogenannten Risikogebieten. Das Coronavirus breitet sich einfach zu schnell aus, nicht nur in Spanien, auch im Rest Europas, vor allem in England und Frankreich.
Lage an Küste entspannt
Aber hier an der Küste nicht. Ganz im Gegenteil. Die Lage ist in weiten Teilen entspannt – jedenfalls weit unter dem Inzidenzwert von 200, unter dem Gesundheitsminister Salvador Illa erst den Notstand in der Landeshauptstadt Madrid aufheben will. Andalusien kommt somit auf 90,42 bei 100.000 PCRgetesteten Einwohnern binnen einer Woche. Damit liegt die Region unter dem Spanienschnitt von 128,96, auch Murcia ist mit 124,31 inzwischen knapp drunter.
415 Infizierte benötigten vergangene Woche eine stationäre
Behandlung in Andalusien, 21 davon auf der Intensivstation (UCI). Die Auslastung der Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten erreicht 8,56 Prozent und die auf Intensivstationen 12,52 Prozent. In Murcias Krankenhäusern liegt die Auslastung der bei 9,62 Prozent mit Covid-19 Patienten, die der UCI bei 20,64 Prozent. Für Aufsehen sorgt indes Granada. Wegen steigender
Fallzahlen drohen Stadt und Provinz Quarantänemaßnahmen. Die Landesregierung nimmt die Studenten ins Visier und macht deren Nachtleben für das Malheur verantwortlich.
Bilder von jungen Menschen, die sich in Kneipenvierteln ohne Atemschutzmasken und Vorsichtsmaßnahmen vergnügen, sorgten am Wochenende für Aufsehen in den Nachrichten. Das dürfte der Junta reichen, um Maßnahmen zu ergreifen. Nach der Skandalfete in einem Studentenwohnheim in Valenca mit 170 Infizierten werden Gesundheitspolitiker in diesen Angelegenheiten etwas dünnhäutig.
Wegen der Krankenhausbelegung konzentriert sich das Gesundheitsministerium auf Zentralspanien und den Norden, auf Madrid, Kastilien-León, Navarra und Aragón. Kastilien-León entgleitet zunehmend die Eindämmung der Pandemie, dort benötigen Covid-19-Patienten
fast 32 Prozent der Intensivstationen, in Madrid erreicht die Auslastung der UCIs mit Coronavirus-Infizierten 38,22 Prozent, in La Rioja 36,67 Prozent und in Aragón 31,55 Prozent.
Um den Druck vom Gesundheitswesen zu nehmen, kündigt Katalonien die Schließung aller Bars und Restaurants für zwei Wochen an. Die Einkaufszentren sollen den Einlass von Kunden um 50 Prozent senken – dabei belegen Covid-19-Patienten nur 6,97 Prozent der stationären Einrichtungen der Krankenhäuser, aber eben 19,52 Prozent der Intensivstationen. In den UCIs ist bereits jetzt jeder Fünfte ein Coronavirus-Infizierter.
Da dürften bald mehr dazukommen, denn vergangenen Donnerstag registrierten die Behörden an einem Tag 2.445 Neuinfizierte – mehr als während der gesamten ersten Welle. Auch die Inzidenz liegt mit 142,63 deutlich über dem Landesschnitt.
Katalonien reagiert diesmal, bevor die Ausbrüche schlagartig zunehmen. Madrid macht das Gegenteil und sperrt sich gegen alle Maßnahmen, die von der Zentralregierung ausgehen könnten. Wegen leicht sinkender Zahlen übt die Regionalregierung von Isabel Díaz Ayuso Druck auf das Gesundheitsministerium aus, den Notstand wieder aufzuheben. Dabei schränkt der Notstand zwei Wochen die Bewegungsfreiheit der Hauptstädter und acht umliegender Gemeinden zwar ein, nimmt den Bürgern in den abgeriegelten Gebieten aber wenig Freiheiten. Selbst Gesundheitsminister Salvador Illa sprach „vom Limit der Geduld“und machte ein Ende des Notstands in Madrid von einer Inzidenz von unter 200 und nicht mehr unter 500 aus.
Inzidenz in Valencia unter 40
Ganz anders geht es in Valencia zu. Neun neue Coronavirus-Fälle zählte der Gesundheitskreis Marina Alta zwischen Freitag und Montag. Das ist erneut die geringste Zahl seit Anfang August. Gestorben ist in diesen vier Tagen in der Marina Alta niemand an Covid-19. Und aus der Kreisstadt Dénia werden gerademal zwei neue Fälle aufgeführt. Die Region Valencia kommt somit auf einen Inzidenzwert von 39,47 bei 100.000 PCR-getesteten Einwohnern binnen einer Woche.
Die Bundesrepublik müsste für die Region nicht einmal eine Reisewarnung aussprechen. In weiten Teilen Valencias ist die Infektionsgefahr geringer als mancherorts in Deutschlands, wo 40 Landkreise über 40 liegen. Vergangene Woche benötigten in Valencia nur 119 Menschen eine stationäre Behandlung in Krankenhäusern, vier auf den Intensivstationen. Trotzdem sind zehn Menschen mit Covid-19 gestorben. Derzeit liegt die Auslastung der stationären Einrichtungen mit Covid-19-Patienten bei 5,27 Prozent und die der Intensivstationen bei 7,89 Prozent.
Der Druck auf die Krankenhäuser wird wegen steigenden Infektionen höher