Von nichts kommt nichts
Leserbrief zur laufenden Berichterstattung über das Coronavirus und über den Anstieg der Fallzahlen
Die Covid-Zahlen in Dénia und der Comunidad Valenciana sind erschreckend hoch und letztlich Ausdruck der Hilflosigkeit aber auch der Fahrlässigkeit unserer Gesellschaft. Erinnern wir uns doch an den April des vergangenen Jahres. Brutaler Lockdown der Gesellschaft mit Mindeststrafen von 600 Euro bei Nichtbeachtung der Ausgangssperre. Andere Strafen waren höher, im vierstelligen Bereich, sobald die Grenzen des engen Auslaufs, in den wir confirmiert worden waren, überschritten wurden.
Schon morgens früh hörte man die Hochdruckreiniger, um den letzten Virus abzutöten, der sich in die Ecken der Gehsteige gewagt hatte. Alles war anders. Im Supermarkt war man gehalten, sich die Hände bereits am Eingang zu desinfizieren und um dann mit nassen Händen zu versuchen hauchdünne Handschuhe zu öffnen, die nur aus einem Blatt zu bestehen schienen. Wie man auch zog und rieb, sie ließen sich nur mit Glück öffnen und über die feuchten Hände ziehen. Die Einkaufswagen wurden in desinfizierte und benutzte unterschieden und an separaten Stellen geparkt. Vor den Supermärkten bildeten sich lange Schlangen, geduldig in gebürtigem Abstand, als hätte ein Choreograf Regie geführt. Alles war anders, doch was erleben wir heute?
Die Hochdruckreiniger sind vom Straßenbild verschwunden. Einkaufswagen werden kaum noch desinfiziert, sondern wie einst beliebig zusammengeschoben. Niemand steht mehr am Eingang des Supermarktes, um auf Abstand und Handhygiene zu achten. Handschuhe findet man in der Lebensmittelabteilung aber nicht alle nutzen sie. Kaum einen stört das. Handhygiene, von Ärzten und Immunologen als besonders wichtig erachtet, findet kaum noch Beachtung in der medialen Landschaft. Und was ist mit den Masken?
Ziemlich genau vor einem Jahr hielt der oberste Einsatzleiter Spaniens zur Bekämpfung der Pandemie Masken für überflüssig und signalisierte nach Brüssel, dass er keine pandemische Entwicklung erwarte. Immerhin ist Fernando Simón Arzt, im Gegensatz zu seinem Gesundheitsminister Salvador Illa, der Philosophie studiert hat.
Doch von dessen Vornamen soll man sich nicht täuschen lassen, denn Salvator war er nicht, eher Imperator, dessen tödliche Spur von tragischen Fehlentscheidung mit harter Hand sich über das Jahr verfolgen lässt. Masken hielt auch er für nicht zwingend, zumindest so lange keine verfügbar waren. Die erste Welt Spanien war noch im Frühjahr in Händen der anderen Welt mit asiatischer Prägung. Technologisch oder organisatorisch überfordert von der Masken-Produktion obwohl inländische Produzenten durchaus ihre Dienste angeboten hatten. Allerdings ohne gebührend Berücksichtigung zu finden. Dennoch, irgendwann wurde das Tragen von Masken zur Selbstverständlichkeit und ward vom Straßenbild nicht mehr weg zu denken.
Wie ist die Situation jetzt, heute? Masken gehören zum Alltag, solange man nicht an einem Tisch in der Marqués de Campo, der Hauptstraße von Dénia, sitzt oder zum Verzehr in die Innenräume einer der Kneipen, Cafés oder Restaurants geht. Drinnen werden die Masken vom Personal getragen, an einer Minderzahl von Tischen auch von den Gästen.
Mit nahezu absoluter Zuverlässigkeit tragen Kellner ihre Masken, mir fällt jedoch auf, dass gerade im Küchenbereich oder dem Bereich der Anrichte hinter der Theke die Sache nicht so eng gesehen wird. Gerade heute musste ich aus der Ferne zusehen, wie mein café con leche ohne Maske zubereitet wurde, die Bedienung diese zur Bezahlung jedoch wieder aufsetzte. Das veranlasst mich zu fragen, wie Tassen und Gläser gespült und Speisen in Bereichen angerichtet werden, die wir nicht sehen? Ist das, was hier abläuft vertretbar? Auch Theken, einst absolutes Tabu für den Verzehr, sind häufiger wieder der Platz, an dem Menschen der Geselligkeit nachgehen. Ich sehe mein Vertrauen in Gastronomie und Dienstleistung schwinden. Dabei ist diese notleidend und findet mein Mitgefühl, doch hier geht es im Augenblick nicht nur um eine leidende Branche, in erster Linie geht es heute um mich selbst.
Wie gesagt, die Pandemie ist dabei, uns zu überrollen und wir wissen immer noch nicht hinreichend genug, wo die Quellen der Ansteckung liegen. Doch der alte Spruch „Wer nichts macht, macht nichts falsch, aber auch nichts richtig“darf hier keine Anwendung finden.
Wer nichts macht, macht nichts richtig, wer zu wenig macht gleichermaßen und das sollten wir uns als Gesellschaft nicht erlauben. Dafür ist die Angelegenheit zu ernst. Die Lage war noch nie so ernst. An diesen Spruch Adenauers erinnern sich noch die Älteren unter uns. Doch so ernst wie jetzt war sie tatsächlich noch nicht in diesem vergangenen verdammten Jahr. Von nichts kommt nichts, also sollten wir was tun. Jeder ist wichtiger Teil des Ganzen und keiner befugt, sich der gesellschaftlichen Anforderung zu entziehen.