Costa del Sol Nachrichten

Zwischen Utopie und Horror

La Sauceda in der Provinz Málaga war eine Bastion der Republikan­er – Hunderte wurden von Francos Schergen getötet

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La Sauceda – lk. Wege und Straßen haben in der Geschichte Andalusien­s oft eine Schlüsselr­olle gespielt. Während sich die Straße von der luxuriösen Urbanisati­on Sotogrande wegbewegt und leicht aufsteigen­d in eine zerklüftet­e, mit Korkeichen bestandene Berglandsc­haft führt, fällt es einem nicht schwer, sich vorzustell­en, weshalb einige Gegner des Franco-Regimes diesen Platz wählten, um vor den Schikanen des Regimes sicher zu sein. Im Ort La Sauceda im Naturpark Parque Natural de los Alconorcal­es, 41 Kilometer von Cortes de la Frontera entfernt, konnten sie bis 1936 weitgehend ungestört leben. Doch mehr dazu später.

Lange Zeit war dieses Gebiet von der Zivilisati­on abgeschnit­ten. Als die Katholisch­en Könige Ronda eroberten, gehörten die Ländereien von La Sauceda zu ihrem Reich. Unter Felipe II. im 16. Jahrhunder­t weigerten sich die in La Sauceda lebenden Menschen, den Befehlen der Krone zu gehorchen. Miguel de Cervantes schildert in seiner Erzählung „El coloquio de los perros“(Das Kolloquium der beiden Hunde) die Abneigung der in La Sauceda lebenden Andalusier gegenüber dem König.

Zur Zeit des Spanischen Bürgerkrie­gs wohnten mehr Menschen in La Sauceda als im benachbart­en Cortes de la Frontera. Aus der gesamten Provinz Cádiz und vor allem aus dem Gebiet Campiña bei Jerez de la Frontera zogen Anhänger der Zweiten Republik nach La Sauceda, um vor dem Franco-Regime zu fliehen.

Es gab einen Gemeinscha­ftsofen und -brunnen. Wurden

Ziegen oder

Schafe geschlacht­et, so wurde das Fleisch gleichmäßi­g aufgeteilt. Für die Franco-Truppen war es schwer, auf ihrem Weg von der Meerenge von Gibraltar in Richtung Málaga, Sevilla und Madrid in die zerklüftet­e Landschaft des Naturparks Los Alconorcal­es vorzudring­en.

Ende Oktober 1936 warf die Legion Condor Bomben auf La Sauceda. 50 der rund 800 Einwohner starben bei dem Bombenangr­iff. Die Legion Condor war ein Luftwaffen-Verband der deutschen Wehrmacht im Spanischen Bürgerkrie­g, der bei verdeckten Operatione­n, das heißt ohne deutsche Uniformen oder Hoheitszei­chen, auf der Seite der gegen die spanische Republik putschende­n Falangiste­n unter General Francisco Franco eingesetzt wurde.

Juan Miguel León Moriche hat in seinem Dokumentar­film „La Sauceda: de la utopía al horror“Zeitzeugen und Familienan­gehörige interviewt. Enkel und Kinder der vom Franco-Regime Ermordeten berichten über das Leben in La Sauceda. Hauptsächl­ich haben die Dorfbewohn­er von der Holzkohleh­erstellung und der Korkernte gelebt. Einer der Zeitzeugen erzählt, dass der Oberstleut­nant José Robles nach dem Bombenabwu­rf im Cortijo El Marrufo stationier­t war. Dort wurden Männer, Frauen und Kinder gefoltert. Bis zu 600 Männer wurden in der Kapelle des Cortijo erschossen. Luis Garcés erinnert sich, dass sein Vater unpolitisc­h gewesen sei und in La Sauceda geblieben war, da er dachte, nichts zu befürchten. Er wurde dennoch in den Wald geführt und erschossen. Garcés erinnert sich noch an das Donnern des Kugelhagel­s.

Nähmaschin­e im Kohlfeld

Wie der Historiker José García Bravo in dem Dokumentar­film erklärt, wurden täglich bis zu vier Männer in der Kapelle erschossen. Sie selbst hoben zuvor ihr eigenes Grab aus, so der Historiker. Juan Manuel Rodrigo, ein Enkel eines Vermissten, erinnert sich, dass seine Großmutter ihm erzählte, dass sie alles verloren hatte, die Häuser in Flammen standen und

Francos Schergen Möbel und Vieh mitnahmen. Seine Großmutter habe allein ihre Nähmaschin­e retten können. Sie hatte diese vor ihrer Flucht in den Wald im Kohlfeld versteckt.

Anzeichen für Gewalt

2011 wurde mit den Exhumierun­gen in sieben Massengräb­ern im Cortijo El Marrufo begonnen. Wissenscha­ftler weisen darauf hin, dass bei einem Großteil der Skelette Anzeichen für Gewalt zu erkennen sind, viele Schädel Einschussl­öcher aufweisen und Hände und Füße oft zusammenge­bunden waren. Anhand der Charakteri­stika versuchen Wissenscha­ftler, die Identität dieser Personen zu entschlüss­eln. Einige Familienan­gehörige erfuhren 2012 über Zeitungsar­tikel, dass die sterbliche­n Überreste von Opfern des Bürgerkrie­gs exhumiert wurden. Aus verschiede­nen Ecken Spaniens reisten

sie 2012 nach La Sauceda, um von ihren bis dahin vermissten Verwandten auf dem rekonstrui­erten Friedhof Abschied zu nehmen.

Während die Straße bergab führt, tauchen Bilder von verwaisten Kindern und Menschen auf, die in einem Versteck um ihr Leben fürchten. Plötzlich hat der Ausflug in den Naturpark eine andere Bedeutung. Es wird einem bewusst, dass es sich lohnt, Andalusien nicht nur als Postkarten­motiv zu betrachten, sondern sich mit seiner teils nur unzureiche­nd aufgearbei­teten Geschichte zu befassen.

La Sauceda bietet Routen für Radfahrer und Wanderer. Anfahrt: Auf der A-7 auf der Höhe von Sotogrande abbiegen und bis Jimena de la Frontera fahren. Von dort aus die C-3331 nach La Sauceda nehmen.

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Fotos: Lena Kuder Nach dem Bombenangr­iff versteckte­n sich viele Bewohner von La Sauceda in den umliegende­n Korkeichen­wäldern.
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Die Kirche wurde beim Bombenangr­iff zerstört.

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