Ästhetisch und geheimnisvoll
Zum Tod von Alberto Corazón – Spanischer Designer bleibt dank seiner Logos allgegenwärtig
Als einen der Giganten des spanischen Designs bezeichnet die Tageszeitung „ABC“Alberto Corazón, der im Alter von 79 Jahren am 9. Februar in Madrid gestorben ist. Tatsächlich ist es diese Facette seines Schaffens, die jeder in Spanien kennt und die die Ikonografie des Landes nach der Franco-Diktatur geprägt hat: Viele Markenzeichen wichtiger Institutionen und Firmen stammen aus seiner Hand.
Die Staatsbibliothek, das Amerika-Haus, die Blindenorganisation Once, die staatliche Hotelkette Paradores, aber auch die Junta de Andalucía, La Rioja und Extremadura ließen sich ihre Logos von ihm gestalten. Seine Symbolik verleiht den Autonomen Regionen die Identität, die ihnen das Franco-Regime genommen hat, erklärte Alberto Corazón einmal.
Die Zigarettenmarke Ducados, das weiße C im roten Kreis für die Nahverkehrszüge der Renfe, die Fernuni Uned, die Buchladenkette Casa de Libro oder der Madrider Círculo de Bellas Artes – sein ästhetisch attraktives Design begegnet einem überall.
Aber Corazón war ein Multitalent. Auch als Fotograf, Bildhauer, Maler, Essayist und Verleger machte er sich einen Namen. 1942 in Madrid geboren, studierte er Soziologie und Wirtschaftswissenschaften, lernte Zeichnen und Malen und gründete den Verlag „Ciencia Nueva“als GmbH mit mehr als 40 Mitgliedern. Noch in der Franco-Zeit wagte er sich an die Veröffentlichung nicht regimekonformer
Bücher und gestaltete die Einbände. So wie später für die auf Poesie spezialisierte Colección Visor, den Grijalbo-Verlag, Espasa-Calpe und andere.
Perfekte Logos, freche Malerei
Nach grauen Jahren der Diktatur arbeitete Corazón mit poppigen Farben. So perfekt seine Logos sind, so frech und frei wirkt seine Malerei, die sich auch in der Gestaltung von Plakaten, etwa für die Buchmesse im Retiro-Park, ausdrückte. „Ein Werk muss ästhetisch und geheimnisvoll sein“, erklärte er bis zuletzt und lehnte Interpretationen seiner Bilder ab. Er hatte Ausstellungen relativ schnell in ganz Europa – auch in Stuttgart, Frankfurt und Berlin – und in New York. Corazón nahm an den Biennalen in Venedig und Paris teil. Als Designer modernisierte er das Industrie- und Grafikdesign, als dies noch als Rarität und „Sache der Amerikaner“galt.
Er erhielt den spanischen Staatspreis für Design und wichtige britische und US-amerikanische Anerkennungen. Als einziger europäischer Designer bislang wurde er mit der Goldmedaille des American Institute of Graphic Arts ausgezeichnet. Als Präsident der Stiftung
Corazón war der erste Designer in der Königlichen Akademie der Schönen Künste
Arte y Derecho verteidigte er die Rechte von Autoren und Visuellen Künstlern.
Als erster Designer wurde er 2006 Akademiker der Königlichen Akademie der Schönen Künste von San Fernando in Madrid. Der zweite ist übrigens José María Cruz Novillo, der alle anderen wichtigen Institutions-Logos in Spanien geschaffen hat, von der PSOE bis zu Correos. Ein Dokumentarfilm über den 1936 in Cuenca geborenen Cruz Novillo ist am 6. März für acht Goya-Preise nominiert. Die beiden gut vernetzten Männer haben sich den Markt gewissermaßen aufgeteilt und gleichzeitig den Weg für viele Studienabgänger geebnet. Heute gilt Spanien – mit der Metropole Barcelona
– als wegweisend im europäischen Design.
Alberto Corazón hat Skulpturen im Stadtbild von Madrid, Murcia, Alicante, Mallorca und Jerez hinterlassen. In Madrid sind einige seiner Trompe-l’oeils an Hauswänden erhalten. 1983 wurde er vom Rathaus beauftragt, an zentralen Plätzen in der Altstadt mit seinen Farbexplosionen und spielerischen Visionen die Fassaden aufzulockern. Es war die Zeit des populären Bürgermeisters Enrique Tierno Galván und der „Movida“, dem schrillen Erwachen kultureller Auf- und Ausbrüche. Nicht alle haben die Renovierungen der kommenden Jahrzehnte überlebt.
Viele seiner Werke sind heute im Museum Reina Sofía, im Museum für Gegenwartskunst in Madrid, im Museum der Schönen Künste in Bilbao und im Ivam in Valencia zu sehen.
Zuletzt war Corazóns Gesundheit angeschlagen, er fühlte sich müde. Die Corona-Krise hat ihn schwer deprimiert. „Aus vielen Gründen“, sagte er gegenüber „ABC“. „Erstmals sehe ich keine Zukunft. Wir stecken jetzt in einer gesundheitlichen Krise, aber da ist noch eine andere Krise, die viel schlimmer ist für die Leute, das ist die wirtschaftliche. Die Schlangen vor den Suppenküchen und Tafeln im 21. Jahrhundert sind unfassbar... Das ist grauenvoll“.