Auf der Bremse
Spanien will sich vom Abebben der dritten Corona-Welle nicht verleiten lassen
In Spanien besteht kein „extrem hohes Risiko“hinsichtlich Corona mehr – nur noch ein hohes. Sachte beginnen Regionen mit Lockerungen für die Gastronomie und bei der Mobilität zwischen den Kommunen. Madrid hat nach dem laschesten Corona-Regime jetzt die höchsten Infektionszahlen. Während das Land noch immer die Toten der dritten Welle zählt, bleibt der Impfrhythmus viel zu langsam, um sicher in den Sommer zu kommen. Doch Tourismusbranche und sonnenhungrige Europäer scharren mit den Hufen, als könnte man sehr bald wieder normal verreisen. Spaniens Regierung lässt sich davon nicht verleiten und tritt auf die Bremse, auch wenn das ökonomisch unendlich schmerzt.
Sevilla – mar. Mit einer 14-Tages-Inzidenz von 236 Fällen pro 100.000 Einwohnern herrscht in Spanien seit Dienstag, 23. Februar, offiziell kein „extrem hohes Risiko“hinsichtlich des Coronavirus mehr, nur noch ein hohes. Elf spanische Regionen liegen unter der Schwelle von 250. Madrid war zunächst bei der Härte der Restriktionen und ist nun bei den Fallzahlen das spanische Schlusslicht. Andalusien lag am Dienstag noch leicht über der Schwelle, Murcia mit 140 deutlich darunter, Valencia mit 204 dazwischen.
Im Februar starben in Spanien bisher 8.700 Menschen wegen Covid-19, der Monat könnte mit mehr Todesfällen enden als der November 2020 (9.200) und wäre nach dem April 2020 mit 15.500 offiziell registrierten Todesfällen dann der zweittödlichste Monat dieser Pandemie in Spanien.
„Unsere Intensivstationen und Krankenhäuser haben noch immer eine hohe Auslastung. Sollte sich die abfallende Tendenz wieder umkehren, wäre das ein gefährlicher Rückschlag für unser Gesundheitswesen“, warnt Fernando Simón,
Leiter des sanitären Krisenstabes der spanischen Regierung Anfang der Woche vor der Presse.
Doch auch Politiker konstatieren mittlerweile eine weitreichende gesellschaftliche „Pandemie-Erschöpfung“, eine Sehnsucht nach Normalität sowie natürlich einen hohen ökonomischen Druck. Da
Spanien es nicht gelungen ist, Ausfallhilfen für die am meisten betroffenen Sektoren rechtzeitig und in einem existenzsichernden Umfang auszuzahlen, auch wenn das neu eingeführte Grundeinkommen (IMV) für die ärmsten Schichten wohl Schlimmeres verhindert hat, drängen immer mehr Regionen auf Öffnung.
Galicien zum Beispiel wird ab Freitag die Treffen zwischen Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben, wieder erlauben und öffnet in allen Gemeinden mit einer Inzidenz von unter 250 Fällen die Bars und Restaurants bis 18
Uhr, mit 50 Prozent Auslastung auf Terrassen und 30 in Innenräumen (ohne Tresen). Bei Inzidenzen von 250 bis 500 dürfen dann immer noch die Terrassen zur Hälfte öffnen. Ministerpräsident Alberto Núñez Feijóo ergänzte: „Wenn wir die Öffnungen zurücknehmen müssen, nehmen wir sie eben zurück.“
Ähnlich fragmentiert und flexibel ziehen sich die „Lockerungen“durch das ganze Land. In Murcia dürfen sich wieder bis zu vier Personen treffen, die nicht zusammenleben, die Isolation zwischen den Gemeinden wird aufgehoben und auch hier gilt für die Gastro eine Inzidenz-Schwelle. Valencia wird wohl ab Anfang März ebenfalls die Gastronomen wieder arbeiten lassen, zumindest auf den Terrassen, und die Abschottung der Städte ab 50.000 Einwohnern an den Wochenenden sollte ebenfalls fallen. Auch Andalusien geht Schritt für Schritt vor.
Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung liefern die Virusvarianten. Spanien hat bisher nur 898 Fälle der britischen Mutation registriert, weil das Land zu wenig Kapazitäten hat, gezielt auf die Varianten
zu testen. Fernando Simón sieht die Ausbreitung der Varianten daher auch „etwas langsamer als erwartet“. Klare Studien über eine höhere Gefährlichkeit bei Krankheitsverlauf und Mortalität gibt es für Spanien noch keine. Hier wurde zudem am Wochenende die erste „nigerianische Mutation“registriert, „wir warten auf Einschätzungen, ob diese Variante, die auch in einigen anderen europäischen Ländern auftrat, irgendwelche Konsequenzen hat“, so Simón sehr vage und abwartend.
Impfung entfaltet Wirkung
Derzeit (Stand 23. Februar) sind in Spanien 1,22 Millionen Menschen mit je zwei Dosen Impfstoff versorgt worden, 3,2 Millionen Dosen wurden insgesamt verabreicht. Die Durchimpfungsrate beträgt in Spanien damit 2,6 Prozent. Es würde beim Tempo der letzten drei Wochen ziemlich genau ein Jahr dauern bis die gewünschte Durchimpfung von 70+ Prozent erreicht wäre. Näheres zur Impfung von Ausländern finden Sie auf Seite 32.
Die Lieferengpässe von Pfizer und Moderna scheinen kurz vor der
Behebung zu stehen, die Liefermengen sollen in den kommenden Wochen verdreifacht werden. Außerdem steht für Menschen bis 55 Jahre noch aus der „ersten Linie“der AstraZeneca-Wirkstoff zur Verfügung, bis dato 418.000 Dosen. In vielen Regionen impft man mittlerweile die Ü80-Bevölkerung.
Auch die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe wird durch weitere Studien belegt. Das katalanische Institut Biocmomsc hat ermittelt, dass der Anteil der Bewohner von Altenheimen an allen Patienten, die in Katalonien wegen Covid-19 in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten, seit der Impfung von acht auf vier Prozent gefallen sei, nur noch 15 Prozent der Covid-Todesfälle werden von Bewohnern aus Altenheimen gestellt, vor der Impfkampagne waren es 40 Prozent.
Interessant ist auch die Einschätzung vom CSIC, wonach bereits die erste Dosis von Pfizer das Todesrisiko oder das eines schweren Krankheitsverlaufes um 74 Prozent senke und die gängigen Präparate auch in kleineren Mengen verabreicht ausreichenden Schutz gewähren.
Februar 2021 wird der zweittödlichste Monat der Pandemie in Spanien