Welle ebbt ab
14-Tages-Inzidenz sinkt unter 200 – Durchimpfung schreitet voran
Licht am Ende des Tunnels. Spanien scheint die dritte Coronaviruswelle zu überwinden. Die Fallzahlen sinken täglich, das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus gilt bei 168 noch als hoch, doch es nimmt kontinuierlich ab. Gleichzeitig
schreitet die Durchimpfung voran und das macht sich in einem drastischen Rückgang der Infektionen in den Seniorenresidenzen bemerkbar. Was sehr erfreulich ist. Endlich können die Bewohner dieser Einrichtungen etwas von ihrer
Angst ablegen und wieder ein annähernd normales Leben aufnehmen. In Spanien streitet man, ob die sinkenden Zahlen es erlauben, zu Ostern eine gewisse Bewegungsfreiheit zwischen den Regionen zu ermöglichen.
Málaga/Murcia/Alicante – sk. Die dritte Corona-Welle ebbt ab. In ihrer Brandung lässt die Pandemie im just ausgeklungenen Monat Februar 11.000 Todesopfer zurück, aber sie bestärkt auch die Hoffnung auf bessere Wochen. Die Infektionszahlen sinken in Spanien klar unter die 200 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen. Vier Wochen vor Ostern kann man darauf hoffen, dass die Pandemie ihren eisernen Griff lockert, Spanien in der Semana Santa durchatmen lässt. Andere fürchten dagegen, dass im Zuge der Feiertage alle Vorsichtsmaßnahmen über Bord gehen und die vierte Welle losgetreten wird.
Mit einer 14-Tages-Inzidenz von 168 wird das Ansteckungsrisiko in Spanien derzeit als hoch und nicht mehr als extrem eingestuft. Andalusien liegt mit 163 Fällen im Landesschnitt, Valencia mit 104 und Murcia mit 92 am Dienstagabend klar darunter. Der Rückgang der Infektionen führt auch zu einer Entlastung der Krankenhäuser. Derzeit liegt der Anteil der Covid-19Patienten in stationärer Behandlung bei 8,94 Prozent, der auf den Intensivstationen (UCI) bleibt mit 27 Prozent hoch und gibt vor allem in der Region Madrid mit 41 Prozent Anlass zu Sorge. Die Zahl der Todesfälle von 686 liegt deutlich unter dem Mittel vor einer Woche.
Die positive Entwicklung geht einher mit dem Fortschreiten der Durchimpfung. 1.266.700 Menschen haben zumindest die erste Dosis der Covid-19-Schutzimpfung erhalten. Niedergeschlagen hat sich dies in einem drastischen Rückgang der Infektionen in den Seniorenresidenzen. Die Durchimpfung in Spanien läuft zweigleisig weiter. Einmal mit der Gruppe der über 80-Jährigen mit den mRNA-Stoffen von Pfizer und Moderna. 44- bis 55-Jährige sowie Personen, die eine systemrelevante Tätigkeit ausüben, werden dagegen mit dem Stoff von AstraZeneca geschützt.
Was die Impfung der in Spanien lebenden Langzeit-Touristen betrifft, so scheint weiterhin der Eintrag ins Empadronamiento im Rathaus entscheidend für einen Impftermin zu sein, verbunden mit der Ausstellung einer vorläufigen SIP-Karte durch die örtlichen Gesundheitszentren.
Dafür wiederum benötigt man laut dem aktuellen Stand den Eintrag in den Padrón des Rathauses, einen Ausweis und die europäische Krankenversicherungskarte EKVK/EHIC.
Corona-Müdigkeit und Existenzangst plagen viele Spanier
Vier Wochen vor Ostern weckt die derzeit positive Entwicklung zwei Gefühle, was die CoronavirusPandemie betrifft: nämlich Hoffnung und Angst. Virologen warnen unisono vor einer allzu schnellen Lockerung der Sicherheitsmaßnahmen. Fernando Simón, Leiter des Krisenstabs zur Bekämpfung der Pandemie, sieht das Ende nahe und appelliert, noch „ein, eineinhalb Monate“durchzuhalten. Selbst er erkennt eine Corona-Müdigkeit in der spanischen Gesellschaft und die Zuhörer in seiner immer brüchiger werdenden Stimme.
Spanien hat nach übereilten
Deeskalationen zweimal unter heftigen Coronavirus-Wellen gelitten, nach dem Sommer und nach Weihnachten. Regionen wie Valencia wollen diese Fehler nicht nochmals begehen und neigen dazu, ihre Gebiete auch an Ostern abzuriegeln. Derzeit drängen sechs Regionen unter Federführung von Ximo Puig (PSOE) aus Valencia die Madrider Regierung, eine einheitliche und restriktive Lösung für die Beschränkung der Bewegungsfreiheit über die Semana Santa zu finden – auch vor dem Hintergrund, dass man Ostern bereits abgeschrieben hat und alle Hoffnungen auf den Tourismus im Sommer und den Impfpass der Europäer richtet.
Eine andere Haltung vertritt dagegen die Region Madrid. Die dortige Ministerpräsidentin Isabel Ayuso tritt dafür ein, Einschränkungen zu lockern, soweit wie die Pandemie es zulässt, Geimpften freie Fahrt zu ermögliche und den Impfstoff AstraZeneca auch an Personen über 65 Jahren verabreichen. Doch auch die Region und die Hauptstadt drängen auf eine nationale Regelung über die Osterfeiertage. Allerdings eine weitaus liberalere, in der der Schutz vor Coronainfektionen und das wirtschaftliche Überleben der örtlichen Gastronomie und der Kleinbetriebe gewährleistet sein sollen.
Derweil breitet sich in Spanien nicht nur eine Corona-Müdigkeit, sondern auch eine zunehmende Existenzangst aus. Bei über vier Millionen Arbeitslosen im Februar plus die 900.000 in der Kurzarbeit kann einem auch Angst und Bange werden, zumal die Hoffnungen einer wirtschaftlichen Erholung auf Impfstoffen und EU-Gelder fußen. Auf beide Faktoren haben Spanier kaum einen Einfluss.
Nun zerbröselt in strukturschwachen und völlig vom Tourismus abhängigen Gebieten wie in den Küstenregionen von Valencia, Murcia und Andalusien auch noch die Hoffnung, wenigstens an Ostern die leeren Kassen zu füllen. Auf Mallorca unterstützen die Küchen einiger leerstehender Hotel inzwischen Sozialeinrichtungen. Unter den Mittellosen befinden sich zahlreiche ehemalige Angestellte der Häuser. Angesichts solcher Episoden braucht man sich nicht zu wundern, dass immer mehr Leute bei den politischen Appellen auf Durchzug schalten und vor Landhäusern Autos Schlange stehen.
Frust und Feiern
Die Proteste in Barcelona hängen auch nicht nur mit der Verhaftung eines Rappers zusammen, sondern mit dem Frust einer Generation, wegen Corona und wegen rabenschwarzer Zukunftsperspektiven. Derweil steigt Madrid in einigen Kreisen als Party-Reiseziel auf. Junge Franzosen zieht es in Scharen dorthin. „Hier können wir endlich wieder wirklich leben und Fröhlichkeit tanken, das ist paradiesisch“, sagte eine 23-Jährige in einer Bar des Madrider Stadtteils Chamberí. Frankreich bläst wie weite Teile Spaniens Trübsal. Über 440 Feiern lösten die Polizisten vergangenes Wochenende in der Hauptstadt auf.