Schuldenschnitt statt direkter Hilfe
Regierungschef Sánchez kündigt wenig konkretes Elf-Milliarden-Paket an
Madrid – tl. Während die unter Corona leidende Wirtschaft nach direkten Hilfen schreit, tut sich die Politik schwer mit konkreten Entscheidungen. Immerhin nutzte Regierungschef Pedro Sánchez seinen Auftritt vor dem Parlament zum Thema Ausnahmezustand für eine Ankündigung: Man werde ein elf Milliarden Euro schweres Hilfspaket auf den Weg bringen für „Unternehmen, kleine und mittlere Betriebe sowie Selbstständige“speziell aus den Sektoren Tourismus, Hotellerie und Gastronomie. Nähere Erklärungen etwa über Zeitpunkt sowie Art und Weise der Hilfe blieb Sánchez schuldig.
Beim geplanten Dekret scheint es weniger um direkte Hilfen zu gehen als vielmehr um einen Schuldenschnitt für betroffene Unternehmen, die über das Staatliche Kreditinstitut (ICO) Darlehen erhalten haben. Ferner sei an eine Art Fonds gedacht zur Rekapitalisierung kleiner und mittlerer Betriebe. Mit Geldern aus dem Fonds könnte eine finanzielle Umstrukturierung beziehungsweise Umschuldung erfolgen. Von direkten Finanzspritzen ist keine Rede mehr. Da scheint Ärger programmiert zu sein.
Ein Kritikpunkt ist, dass ein Schuldenschnitt nur für Unternehmen vorgesehen ist, die sich über das ICO Geld geholt haben. Andere Firmen fallen durchs Sieb. Die Regierung will vermeiden, dass sich marode Betriebe mit staatlicher Hilfe über Wasser halten. Nach welchen Maßstäben aber die Lebensfähigkeit eines Unternehmens beurteilt wird, bleibt unklar. Neben einem Schuldenschnitt sind auch Gesellschafterdarlehen im
Gespräch. Sie sollen aber ausschließlich bei kleinen Unternehmen Anwendung finden.
Auch Banken und Arbeitgeber monieren, dass Schuldenschnitte nur für Unternehmen mit ICODarlehen in Frage kommen. Dabei gebe es zahlreiche Unternehmen, die sich lieber über den Finanzmarkt finanziert hätten als über den Staat. Das Hauptproblem in der Corona-Krise seien zudem fehlende Einnahmen und weniger mangelnde Liquidität oder Überschuldung. Wenn Einnahmen ausbleiben, dann helfe auch kein Schuldenschnitt.
Die Banco de España sieht das ähnlich und warnt außerdem davor, dass verschuldete Unternehmen viele Jahre lang nicht investieren und Beschäftigung abbauen, bloß um von den Schulden runterzukommen. Die Zentralbank bezifferte das auf Dauer nicht tragbare Maß an Verschuldung spanischer Unternehmen auf 20 Milliarden Euro. Diese Summe sei als Richtlinie für die Regierung gedacht.
Dass die von Sánchez angekündigten elf Milliarden Euro nicht ausreichen, um einer Pleitewelle vorzubeugen, macht die Opposition geltend. Volkspartei-Chef Pablo Casado forderte für die Wirtschaft Direkthilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro. Zuvor hatten bereits die beiden Sektoren Hotellerie und Einzelhandel 12,5 Milliarden Euro an direkten Hilfen für sich reklamiert.
Wirtschaftsministerin Nadia Calviño machte erneut deutlich, dass es direkte Hilfen in Form von Geldzuweisungen nicht geben wird. Und gab den Schwarzen Peter an die Regionalregierungen weiter. Schließlich seien die autonomen Regionen auch für die jeweiligen Corona-Einschränkungen verantwortlich und könnten zudem mit acht Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU rechnen. Um die Wirtschaft vor einer Pleitewelle zu schützen, müssten auch die Regionalregierungen in die Pflicht genommen werden.
Wenn Einnahmen ausbleiben, hilft kein Schuldenschnitt